Zum Deutschland-Start von „Sons Of Anarchy“: Die Faszination der Gang

Birgit Fuß meldet sich mit ihren "TV-Fußnoten" zurück und die "Sons Of Anarchy" melden sich endlich im deutschen Fernsehen. Heute Abend um 22.30 Uhr zeigt Kabel eins die ersten Folgen. Ein Loblied auf die US-Serie, die mitnichten – wie manche Zeitung behauptet – nur für Männer ist.

Es ist endlich so weit! In den vergangenen Jahren habe ich manchmal nicht mehr daran geglaubt, dass „Sons Of Anarchy“ jemals im deutschen Fernsehen laufen würde. Nun kommen jeden Dienstag Doppelfolgen auf Kabel eins. Nicht gerade ein Premiumsender, aber immerhin. Die Serie begann in den USA schon 2008, inzwischen läuft dort die fünfte Staffel. Während in Deutschland nach einer Synchronisation und einem Sendeplatz gesucht wurde, musste man sich DVDs zusammenklauben oder im Internet forschen. Denn eins war schon nach Folge eins klar: Man wollte sofort mehr. Und mehr. Und mehr.

Es ist eine dieser Serien, bei der man sich selbst nicht mehr versteht. Seit den „Sopranos“ hat man nicht mehr so mitgefühlt und -gelitten mit Verbrechern und Mördern, von dem einen oder anderen Vampir bei „True Blood“ abgesehen. Die „Sons Of Anarchy“ handeln mit Waffen und manchmal Drogen, gelegentlich investieren sie auch ins Pornogeschäft. Im Grunde dürften einem diese Männer nicht sympathisch sein. Sie behandeln Frauen meistens paternalistisch oder gleich richtig schlimm – es sei denn, sie sind gerade in sie verliebt. Dann wird die Verehrte vielleicht auf Händen getragen, aber dem Club beitreten darf sie natürlich trotzdem nicht. Schwarze auch nicht, obwohl keiner mehr genau weiß, warum diese Regel eigentlich immer noch gilt.

Es ist die Magie des Geheimbundes, die Faszination der Gang, die das Halunkenpack so attraktiv macht. Anders als bei der Mafia um Tony Soprano sieht man ihnen sofort an, dass sie kein bürgerliches Leben führen: Die Typen vom Sons Of Anarchy Motorcycle Club, Redwood Original – kurz: SAMCRO – tragen immer Kutten, ihr Logo ziert ein Grim Reaper. Die coolen alten Kerle haben wilde Locken (Bobby) oder böse Narben (Chibs), die jungen Wilden sind bärtig (Opie) oder am Kopf tätowiert (Juice). Allein diese Namen! Sie sind rücksichtslos und brutal, doch ihre unbedingte Loyalität und der Hang zum Exzess ziehen auch Menschen an, die so viel Anarchie eigentlich ablehnen sollten – wie der schmächtige Polizeichef Wayne Unser, der den Widerstand gegen die Gang längst aufgegeben hat. In dem beschaulichen kalifornischen Städtchen Charming dreht sich alles um SAMCRO.

Nach wenigen Episoden verfolgt man wie gefesselt das Schicksal der Outlaws, vor allem aber das der drei Hauptfiguren: Der blonde Nachwuchsheld Jackson „Jax“ Teller befindet sich im Dauermachtkampf mit Stiefvater Clay Morrow (Ron Perlman) – dem harten Hund, den nur Jax‘ zähe Mutter Gemma (Katey Sagal) bändigen kann. Dass Sagal mal die grässliche Tussi in „Eine schrecklich nette Familie“ war und Perlman der romantische Vincent in „Die Schöne und das Biest“, vergisst man sofort. Diese beiden brauchen keine Lederjacken, um gefährlich zu wirken, sie haben ihre ausdrucksstarken Gesichter. Wenn sie miteinander ringen, gewinnt am Ende meistens die Frau, die zu allem bereit ist, um ihre Familie zu schützen – ein schöner Twist in der von Männern dominierten Geschichte.

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Erfunden hat die große Tragödie von Vertrauen und Verrat ein Kerl namens Kurt Sutter – er schreibt auch die Drehbücher, führt Regie – und wirkt in einer Nebenrolle ausgesprochen furchterregend. Nebenbei ist er im echten Leben glücklich mit Katey Sagal verheiratet. Sutter hat nicht nur ein Gespür für Dramatik, sondern auch einen guten Blick für Details. Das SAMCRO-Clubhaus ist liebevoll ausgestattet, mit einem geschnitzten Holztisch, Mugshots an den Wänden und natürlich einer imposanten Bar. Es steht in einem lustigen Kontrast zu den eher spießigen Eigenheimen der Biker – auch damit unterstreicht Sutter die Widersprüchlichkeit seiner Charaktere, sie sind niemals eindimensional. Und unter der rauhen Uniform steckt natürlich oft genug ein weiches Herz (es sei denn, es muss gerade ein feindliches Bandenmitglied beseitigt werden). Auch der Soundtrack stimmt: Von Curtis Stigers‘ Country-Rock über Creedence Clearwater Revival bis zu einer wunderbaren spanischen Version von Dylans „The Times They Are A-Changin'“ fügt sich alles ein in das gewaltige Bild eines archaischen Smalltown-Amerikas.

Bei so viel spannendem Stoff kann man auch mal ein bisschen Zeit aufbringen: Ich werde mir mit der ersten Staffel die Nacht um die Ohren schlagen, aber parallel auch schon die fünfte anschauen. Mittlerweile kann man nämlich gleich am Tag nach der US-Ausstrahlung die aktuellen Folgen bei iTunes kaufen. Neulich hat sich die Lieferung allerdings um sechs Tage verzögert – Apple weiß, warum. Es waren sechs sehr, sehr lange Tage. Wenn mir so was noch mal vorkommt, schicke ich Clay Morrow im Silicon Valley vorbei!

Im nächsten ROLLING STONE, der am 22. November erscheint, gibt es ein großes TV-Special mit den zehn wichtigsten Serien, die man zurzeit sehen muss, einem Blick hinter die Kulissen von „Breaking Bad“ und einem Interview mit „Game Of Thrones“-Erfinder George R. R. Martin.

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