Mit Eyeliner aufs dünne Eis

Die Hamburger ELECTRIC zitieren den Glamrock der 70er, vermischen ihn mit dem Pop der 80er - und sind doch schon bereit für den Durchbruch im Jahr 2001

Ein Cafe im Hamburger SchanzenvierteL Eine Band beklebt Demotapes. Der Sänger ist genervt: „Unser Name war so grauenvoll, ich konnte es nicht mehr ertragen. Ich wollte endlich etwas Plakatives, etwas, das in einem Wort unseren Sinn widerspiegelt Es musste ganz einfach sein, wie zum Beispiel- Electric!“ Das war sie also, die unspektakuläre Geburtsstunde einer gar nicht so unspektakulären Band.

Electric machen Glamrockmit allem, was dazugehört: mit Bowie- oder T.Rex-Anleihen und Iggy-artigem Lärm, mit Silber-Outfits und Eyeliner. Dass sich das Quartett damit auf dünnem Eis bewegt, ist Sänger Arne Buss alias Diva International durchaus bewusst: „Es war klar, dass es schwer wird. Als wir vor vier Jahren anfingen, gab’s gerade Post-Post-Grunge, jetzt ist es New MetaL Dagegen kann das, was wir lieben, natürlich schnell ins Lächerliche gezogen werden von Leuten, die nicht kapieren, wie es gemeint ist“ Ernst nämlich, aber doch mit Augenzwinkern. Zwischen Dandyismus, Rockismus und Exhibitionismus präsentieren sich die vier auf ihrem Debüt „Electric“ als Band, die gerne gehasst wird, aber noch lieber gemocht. Unter Glam verstehen sie nicht 80er-Jahre-Haarspray-Rock, sondern die schon erwähnten 70er-Ikonen, die sie „zitieren, aber nicht kopieren“, so Diva.

Warum eigentlich „Diva“? Weil jeder bei Electric ein Pseudonym hat, das weniger banal ist als der bürgerliche Name. Der Gitarrist heißt The Rübe, der Basser Silverboy. Mit letzterem sitzt Diva oft in der gemeinsamen Wohnküche und sammelt Ideen für seine Texte, die zwischen Selbstironie, Surrealem und Seelenschau schwanken. „Brian Eno hat mal zu Bono gesagt, er wolle doch einfach mal Wörter benutzen, die gut klingen, und nicht diesen politischen Mumpitz. Natürlich muss Inhalt da sein, aber vor allem muss man ihn mit Musik und Stimme so füllen, dass er noch mehr Aussage bekommt.“

Eine Coverversion haben sich Electric dann doch nicht verkniffen, obwohl sie die „Ausverkauf!“-Schreie förmlich hören konnten: An Dead Or Alives „Ybu Spin Me Round (Like A Record)“ kamen sie einfach nicht vorbei, so Buss: „Ich konnte mich gar nicht mehr erinnern, von wem der Titel war, aber ich musste ihn spielen. Die Jungs dachten zuerst, ich bin wahnsinnig.“ Aber was eine echte Diva ist, die bekommt ihren Willen. Und bis Electric sich im Popgeschäft genauso durchgesetzt haben, ist es auch nur eine Frage der Zeit.

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