ESC 2025: Die Entzauberung des Stefan Raab

Einst löste Stefan Raab Hitmaschine Ralph Siegel ab. Jetzt steht er selber auf dem Prüfstand. Wie ein Fußball-Trainer, der seine Mannschaft nicht mehr erreicht.

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ESC 2025: Die Entzauberung des Stefan Raab

„Wer mit Würde kann verlieren, zeigt, was er gelernt im Leben“ heißt ein etwas altbackener Aphorismus. TV-Moderator und Gelegenheits-Musiker Stefan Raab hat seit den frühen Jahren bei Viva TV so einiges hinter sich gebracht. Ehrgeiz ist sein Gemüse, und seine Vita zeigt ihn dabei zumeist auf der Gewinner-Seite.

Eine Rückkehr mit Bauchlandung

Als Raab am heutigen Sonntagmorgen (18. Mai) aus seinem Federbett im ESC-Künstlerhotel in Basel gestiegen ist, wird er noch einmal über sein „Chefsache“-Projekt mit den Schützlingen Abor & Tynna nachgedacht haben. Ein 15. Platz mit zwei 12er-Votings aus der Ukraine und Tschechien. Immerhin, besser als Null. Doch reicht das der federführenden Anstalt NDR? Reicht ihm das?

Raabs Stellungnahme: Verantwortung ja, Euphorie nein

„Ich übernehme die Verantwortung“, sagt er als ausgeliehener RTL-Mann in die Aftershow-Kamera der ARD. Er muss seine vollmundige Siegesversprechung kassieren. Bei Lichte betrachtet war sie nur ein Spruch aus der Motivations-Trickkiste. „Das ist auch das Beste, was man machen kann. Sonst braucht man nirgendwo hinzufahren. Ich muss den beiden einen riesigen Respekt zollen für das, was sie die letzten Wochen abgerissen haben. Heute war ihr größter Auftritt ever“ befindet der „Raabinator“ in der Rückschau.

Medienecho: „Raab hat sich verzockt“

Bereits kurz nach der Siegerkür setzte es erste Kommentare dazu. „Raab hat sich verzockt!“ titelte „Bild“, die nur zu gerne seinen Niedergang diagnostiziert. Ein Blick in die Nach-Basel-Schlagzeilen zeigt Schlagworte wie „schlimmste Krise seiner Karriere“, „Horrorwoche“, „Enttäuschung“ sowie „Raab hat fertig“. Und als Kirsche auf der Bashing-Torte: „Finger weg vom ESC“.

Magie verloren?

Auch wenn man nicht in Branchen-übliche Reflexe verfällt, muss man doch das Schwinden seiner vormals magischen Medienkräfte feststellen. Die sündteuer eingekaufte Offensive von RTL+ und RTL scheint nach dem Aus der Old-School-Show „Du gewinnst hier nicht die Million“ gescheitert. Oder bedarf zumindest einer Überarbeitung, denn sein Vertrag läuft ja noch ein paar Jährchen.

Ist Raab im falschen Jahrzehnt angekommen?

Die Frage ist, ob der nassforsche „Wok-WM“- und „Schlag Den Raab“-Raab überhaupt noch Spaß an der Sache hat. Zum einen steckt das TV-Biz eh im Dauerumbruch. Und seine Popmusik-Expertise dürfte nach den ESC-Aussagen über „die jungen Leute“ irgendwo in den Nullern stehengeblieben sein. Was für einen 58-Jährigen nicht weiter dramatisch ist, sofern man das auch selbst erkennt.

Wie einst die heute 79-jährige Komponisten-Größe Ralph Siegel („Ein bisschen Frieden“) in den Hintergrund rutschte, der mit seinen Songs für verschiedene Länder 25 mal am ESC/Grand Prix teilgenommen hat.

Fremdkörper in der Show – Raab und die falsche Bühne?

Bei der ESC-Aufwärmrunde von Moderatorin Barbara Schöneberger wirkte er jedenfalls wie ein Fremdkörper. Und das nicht nur, weil er alle fünf Minuten Chef-hibbelig darauf insistierte, dass er gleich „zurück in die Halle“ müsste. Auch das spätere plakative Fäuste-Ballen in der Abor-&-Tynna-Ecke wirkte aufgesetzt und Pflicht-euphorisch. Gewinnen um des Gewinnens Willen. Ein Fußball-Trainer, der seine Mannschaft nicht mehr erreicht.

Raabs Zukunft bei RTL – neue Wege statt alter Ruhm?

Im Herbst 2025, so berichten die Fachmedien, soll es bei RTL ein neues TV-Format für Stefan Raab geben. Er wird jetzt Zeit haben, aus der Defensive zurückzukommen. Ob er allerdings mit dem Wechsel der ARD-internen Leitung vom NDR zum MDR noch einmal beim ESC zu Zuge kommt, scheint unwahrscheinlich. Die Programmdirektion hatte einen (sehr) hohen Anspruch. Platz 15 auf der rechten Seite der Europa-Charts dürfte da kaum genügen.