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Musik als Erinnerungsanker: »Diese Songs veränderten unser Leben

Feiern, lieben, schluchzen: Wir befragten neun Personen zu „ihrem“ Song – und dem besonderen Moment, den sie mit ihm verbinden.


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Ein Film ohne Soundtrack? Undenkbar! Und das gilt auch für unser Leben: Viele Momente sind unweigerlich mit Melodien, Textzeilen oder einem bestimmten Rhythmus verknüpft – schließlich transportiert nichts Emotionen besser als Musik. Sei es ein mitreißender Popsong, eine Schmuseballade oder hämmernder Rock – jeder von uns hat diesen einen Song, bei dem sofort das Kopfkino angeht, der uns in die Jugend zurückkatapultiert oder uns Gänsehaut beschert. Hier sind neun Beispiele von unsterblichen Tracks – und Momenten, die persönlicher nicht sein könnten.

Warum hat Musik so eine Macht über uns?

Psychotherapeut und Buchautor Dr. Christian Lüdke: „Wer fühlen will, muss hören! Musik ist der größte Erinnerungsanker und Emotionsträger überhaupt. Sie aktiviert unser Motivationszentrum im Gehirn und setzt die Glückshormone Endorphin, Serotonin und Dopamin sowie das Vertrauens- und Kuschelhormon Oxytocin frei, was uns in einen natürlichen Rauschzustand versetzt. Es wirkt wie eine Belohnung auf unser Gehirn und macht auch in gewisser Weise süchtig. Wir wollen immer mehr, denn die mit Musik assoziierten Gefühle und Erlebnisse lösen Gänsehaut, Schauer auf dem Rücken, Freude, Tränen uvm. aus. Bei mir ist das vor allem bei ‚Piano Man‘ von Billy Joel der Fall.“

Christian, 59 Jahre
„Piano Man“ von Billy Joel

„1997 hatten all meine Freunde bereits Frau und/oder Kinder, aber mir war klar, dass ich niemals heiraten würde. Dann kam Kerstin in mein Büro… Sie lebte damals in einer kleinen Kölner Bude, die mit offener Ofentür geheizt wurde. Immer, wenn wir uns dort trafen, lief ‚Piano Man‘ in Dauerschleife. Das Lied verbindet mich mit ihr, es rührt mich jedes Mal fast zu Tränen. Bei meiner ersten Übernachtung schliefen wir gemeinsam unter einer Bettdecke – das tun wir bis heute. Drei Monate nach unserer ersten Begegnung haben wir geheiratet. 22 Jahre und zwei wundervolle Töchter (18, 20) später kann ich sagen: Ehemann zu werden war die beste Entscheidung meines Lebens.“

Sebastian, 34 Jahre
„Summer of `69“ von Bryan Adams

„Eigentlich liebe ich den Pop, Britney statt Bryan. Aber im verrauchten Partykeller meiner Eltern sang ich plötzlich von meiner ‚First real six string‘, als hätte ich persönlich den Rock erfunden. Beim Abschlussklassentreffen am Ende der Welt (Ihme-Roloven in Niedersachsen!). Unterirdisch, obergeil – Summer of 2004! Die Decke damals war so niedrig, dass beim Refrain die gen Himmel gerissenen Hände Blutspuren hinterließen. Ein Refrain, so groß, so ewig, so Abi-tauglich. Die Freunde aus der Zeit? Alle Vergangenheit. ‚It was now or never‘ – aber Bryan bleibt.“

Das Tolle an Musik ist: Niemand hört einen Song jemals auf die gleiche Weise wie ein anderer. Ein Lied, das bei einem ein euphorisches Tanzgefühl auslöst, macht andere aggressiv oder gar traurig.

Dennoch verbindet nichts die Menschen mehr als Musik. Perfektes Beispiel: das Woodstock-Festival, das dieses Jahr 50-jähriges Jubiläum hat. Die drei Tage im August 1969 veränderten die Welt für immer – musikalisch wie auch politisch. Es vermittelte den nachfolgenden Generationen ein neues Bewusstsein von Freiheit und Liebe, brachte Hippies und Rockfans, Country- und Bluesliebhaber friedlich zusammen. Bryan Adams, damals neun Jahre alt, wurde von dem Spirit sogar so stark geprägt, dass er seinen Superhit ‚Summer of 69‘ danach benannte.

Im Summer of 69 wurde auch DHL gegründet. Während Musiker früher wochenlang in engen Bussen von Konzert zu Konzert tourten und oft nur ihre nationalen Fans erreichten, hilft DHL 50 Jahre später als offizieller Logistikpartner von Bryan Adams und seiner „Shine A Light“-Welttournee 2019 dabei, die Botschaft der Musik in die ganze Welt zu tragen!

Theresia, 35 Jahre
„But Not Tonight“ (Live-in-Berlin-Version) von Depeche Mode

„Ich wollte immer schon singen können, nicht professionell – aber zumindest am Lagerfeuer oder an Karaoke-Abenden. Ich habe mich nie getraut, da ich dachte, dass es sich scheußlich anhört. Immer wieder saß ich im Auto und hörte „But Not Tonight“ von Depeche Mode. Ich wollte den Song so unbedingt singen können, dass ich schließlich den Schritt wagte und nun seit drei Jahren Gesangsunterricht nehme. Perfekt singen kann ich immer noch nicht, aber ich bin jetzt die Lauteste an jedem Lagerfeuer. An Mut fehlt es mir schon lange nicht mehr.“

Georg, 44 Jahre
„König von Deutschland“ von Rio Reiser

„Mein Bruder ist ein paar Jahre älter als ich und hat eigentlich nie Musik gehört, die mir auch gefallen hätte – bis auf Rio Reisers Solo-Debütalbum ‚Rio I.‘. Besonders geil fand ich den Song ‚König von Deutschland‘. Ich war damals etwa zwölf und total pleite, wollte die Scheibe aber unbedingt haben! Also habe ich sie – Hi Ingo, bitte schlag mich nicht dafür – während einer Party zu Hause aus seinem Zimmer gemopst. Leider habe ich nicht bedacht, dass ich die Platte ja nur auflegen konnte, wenn mein Bruder nicht da war. Ich hatte also nicht viel Spaß damit.
Der Song verursacht bei mir bis heute noch gemischte Gefühle: Zum einen bekomme ich immer noch supergute Laune, zum anderen ein schlechtes Gewissen, dass ich lange Finger gemacht habe. Vor allem weil ich Ingo noch ganz dreist beim Suchen nach der Platte geholfen habe … “

Mike, 40 Jahre
„Everyday“ von Buddy Holly

„Ich bin Australier mit griechischen Wurzeln. Höre ich diesen Song, bin ich sofort wieder im Jahr 1988: Meine Eltern, meine zwei Brüder und ich (damals 9) fuhren mit einem Camper-Van durch Europa. Wir hatten nur eine Handvoll Kassetten dabei – und die ‚Buddy Holly Greatest Hits‘ war die Lieblingskassette meines Vaters. Die lief also oft! ‚Everyday‘ macht mich immer glücklich, denn der Song erinnert mich an die Unbeschwertheit damals, als wir jeden Tag an einem anderen Ort parkten und ich mit meiner Familie auf Entdeckungstour ging. Mein Vater ist seit Jahren schwer krank, aber ich bin froh, dass ich diese Erinnerung an und mit ihm für immer haben werde.“

Shawn Anderson Mulser, 32 Jahre
„Fear“ von Blue October

„Meine Partnerin und ich verfolgen diese Band jetzt schon seit Jahren. Drei der Band-Mitglieder teilen das gleiche Schicksal bzw. Glück wie wir auch: Wir haben einen schwer erkrankten 6-jährigen Sohn. Es fällt mir schwer in Worte zu fassen, was dieser Song für mich bedeutet. Er erweckt in mir Liebe, Glück, Freude, Angst, Wut, Trauer, Hilflosigkeit und vieles mehr. Unser Sohn lag letztes Jahr sechs Monate im Krankenhaus und mein Dad aus den USA kam extra nach Deutschland, um seinem Enkel Kraft zu schenken. Meine Partnerin und ich entschieden uns – trotz der Trauer – im März auf das Konzert von Blue October zu gehen. Als ich diesen Song das erste Mal live gehört habe, verspürte ich genau diese fear, die ich seit sechs Jahren in mir habe … “

Lukas, 23 Jahre
„Riptide“ von Vance Joy

„Stickige Luft, ein chaotischer Flughafen und eine rasante Taxifahrt Richtung Donau … Wenn ich an meine Reise in die ungarische Hauptstadt Budapest zurückdenke, läuft im Hintergrund jedes Mal der Hit ‚Riptide‘ des australischen Singer-Songwriters Vance Joy.
Ich war vorher noch nie in Budapest, hatte keinerlei Erwartung an die Stadt und an die Kultur. Damals, im Sommer 2016, war der Hype um die Stadt noch nicht ausgebrochen. Zwar fand man sich inmitten Hunderter Touristen auf der berühmten Fischerbastei wieder, doch war dessen Schönheit und Vielschichtigkeit noch ein kleiner Geheimtipp. Das Nachtleben, die Architektur und die Mentalität der Budapester sind mir so nachhaltig im Kopf geblieben, dass ich seitdem jedes Mal ins Schwärmen komme, wenn ich den Song höre.“

Emily, 29 Jahre
„Lady Marmalade“ von Christina Aguilera, Mya, Lil‘ Kim, P!nk

„Wenn ich ‚Lady Marmalade‘ höre, dann denke ich immer daran, wie ich mich früher mit meinen Freundinnen als Christina, Mya, P!nk und Lil’ Kim verkleidet und das Video nachgestellt habe. Da waren wir so etwa 12 Jahre alt. Wir haben die Klamotten meiner großen Schwester geklaut, und dann hieß es nur: Kamera an, Performance on! Wir wurden nicht selten von meinen Eltern bei den Dreharbeiten gestört – sehr unprofessionell! Uns als Freundinnen gibt es leider nicht mehr. Das hat sich alles auseinandergelebt. So lang ist das schon her.“

Sebastian, 28 Jahre
„Not Dead yet“ von Bullet for my Valentine

„Das ist der Song, der mich jedes Mal daran erinnert, auch in schwierigen Zeiten wieder aufzustehen und das Leben in vollen Zügen zu leben – wir haben ja nur eines! Dieser Song lässt mich die schwierigen Zeiten in der Vergangenheit und den Tod von geliebten Menschen mit meinem gegenwärtigen Leben verbinden. Es ist quasi eine Zeitreise in 3:21 Minuten, die mir bewusst macht, wie schön und abwechslungsreich das Leben bisher war. Unabhängig davon, wie schwer und dunkel einige Abschnitte des Lebens auch sein können. Außerdem denke ich jedes Mal beim Hören an die Live-Performance zurück und habe dabei das Gesicht meiner Freundin vor Augen, was diesen Song noch mal zusätzlich zu etwas ganz Besonderem für mich macht.“

 

Stefan Schejok/privat
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Helen Roberts
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