Ja, Amerika ist eine Oligarchie
Während Bernie Sanders gegen die „Oligarchie“ kämpft, zeigen Daten, dass die Vermögenskonzentration schockierend wenigen Familien zugutekommt
Die Senatorin von Michigan, Elissa Slotkin, hat sich besorgt über die zunehmende Verwendung des Begriffs „Oligarchie“ durch ihre demokratischen Kollegen geäußert. Slotkin scheint zu glauben, dass der Begriff „Oligarchie“ jenseits der amerikanischen Küsten keine Resonanz finde.
Unterdessen zieht Senator Bernie Sanders bei seinen Anti-Oligarchie-Kundgebungen jenseits dieser Küsten Rekordmengen an Besuchern an. Amerikaner, so Sanders, scheinen „nicht ganz so dumm zu sein, wie Frau Slotkin denkt“.
Hat sich Amerika zu einer Oligarchie entwickelt? Könnte die Anprangerung der wachsenden amerikanischen Oligarchie eine erfolgreiche politische Botschaft sein? Überlassen wir diese Debatte den beiden Senatoren und konzentrieren uns stattdessen auf die Frage, ob der Begriff „Oligarchie“ überhaupt zutreffend ist.
Was bedeutet „Oligarchie“ – und wie trifft sie auf die USA zu?
Lee Drutman von Vox widmete diesem Thema im April einen ausführlichen Beitrag. Oligarchie herrscht laut Drutman dann, wenn „eine Handvoll sehr wohlhabender Personen ihren Reichtum nutzt, um die Regierung in ihrem eigenen finanziellen Interesse zu beeinflussen“. Er nennt zahlreiche Beispiele von Mega-Milliardären, die ihren Reichtum eingesetzt haben, um die Politik zu beeinflussen – etwa die neunstelligen Wahlkampfspenden von Elon Musk, Timothy Mellon und Miriam Adelson bei der Wahl 2024. In Steuer- und Politikfragen, in denen die Interessen aller Milliardäre übereinstimmen, so Drutman, habe die Gesetzgebung konsequent ihre gemeinsamen Interessen begünstigt.
In einem kürzlich erschienenen Essay im New Yorker liefert Evan Osnos die grausamen Details dazu, wie die Ultrareichen ihren Einfluss nutzen, um sich persönlich zu bereichern. Er erwähnt zum Beispiel die Begnadigung, die Präsident Donald Trump dem Milliardär Trevor Milton gewährte, nachdem dieser und seine Frau 1,8 Millionen Dollar an Trumps Wahlkampf gespendet hatten. Auch die Vorteile, die Elon Musk und seine Unternehmen durch Team Trump erhalten, zählt Osnos auf. Am beunruhigendsten ist vielleicht, wie Trump – unser „Oligarch in Chief“ – seine präsidentielle Macht zum eigenen Vorteil genutzt hat.
Drutmans statistische Analyse konzentriert sich auf den Einkommensanteil des obersten einen Prozents – einer Gruppe von über drei Millionen Amerikanern. Doch so hilfreich diese Zahlen auch sind, lenken sie vom eigentlichen Punkt ab: Amerikas Reichtum konzentriert sich nicht auf drei Millionen, nicht auf 3.000, ja nicht einmal auf 300 Haushalte. In Wahrheit ist in den letzten rund zwölf Jahren etwa die Hälfte der gesamten Vermögenskonzentration in den USA nur 19 Familien zugutegekommen.
Die Daten zeigen eindeutig: Es ist Oligarchie
Die Daten zur Vermögenskonzentration in Amerika über die letzten vier Jahrzehnte deuten eindeutig in eine Richtung: Oligarchie.
Doch diese Richtung lässt sich nur schwer erkennen – es sei denn, man blickt über den steigenden Anteil der reichsten Gruppen am nationalen Vermögen hinaus, egal ob das oberste ein Prozent, 0,1 Prozent oder ein noch kleinerer Anteil ist. Die Statistiken über den Reichtum der Reichen in Amerika verschleiern konsequent den Reichtum der Allerreichsten. Wenn beispielsweise das oberste 0,01 Prozent zwei Prozent mehr des nationalen Vermögens erwirbt, dann zeigt auch das gesamte oberste 0,1 Prozent und das oberste ein Prozent denselben Zuwachs – selbst wenn das untere 0,99 Prozent des obersten einen Prozents keinen Zuwachs hatte.
Das Muster der amerikanischen Vermögenskonzentration wird erst deutlich, wenn wir die Gruppen betrachten, die jeweils direkt unter den reichsten Gruppen liegen: die neun Prozent unter dem obersten einen Prozent, die 0,9 Prozent unter dem obersten 0,1 Prozent, und die 0,09 Prozent unter dem obersten 0,01 Prozent. Diese differenzierte Betrachtung offenbart die Handvoll sehr reicher Amerikaner, die unsere Oligarchie des 21. Jahrhunderts bilden.
Beginnen wir mit den neun Prozent der Amerikaner, die direkt unter dem obersten einen Prozent liegen. Laut dem Realtime Inequality-Datensatz des Ökonomen Gabriel Zucman hatte das oberste zehn Prozent der US-Bevölkerung im Januar 1990 in etwa denselben Anteil am nationalen Reichtum wie zehn Jahre zuvor. Doch der Anteil des obersten einen Prozents und der nächsten neun Prozent entwickelte sich entgegengesetzt.
Die Reichsten werden immer reicher – und immer weniger
Die Spitzenverdiener im obersten einen Prozent erhöhten ihren Vermögensanteil um 5,6 Prozentpunkte – von 24,8 auf 30,4 Prozent im Laufe eines Jahrzehnts. Die folgenden neun Prozent hingegen verloren 5,9 Prozentpunkte – von 43,7 auf 37,8 Prozent im selben Zeitraum.
Seit 1990 ist der Anteil dieser neun Prozent weiter gesunken. Heute liegt ihr Vermögensanteil knapp über 35 Prozent. Die Vermögenskonzentration in den USA seit 1980 ist also eindeutig auf das oberste eine Prozent beschränkt.
Werfen wir nun einen Blick in dieses oberste eine Prozent. Auch hier zeigt sich dasselbe Muster. Der Vermögensanteil des obersten 0,1 Prozent ist in den letzten 45 Jahren dramatisch gestiegen – von 8,1 Prozent im Jahr 1980 auf 21,9 Prozent heute. In den ersten 26 Jahren dieses Zeitraums verzeichneten die nächsten 0,9 Prozent nur einen leichten Anstieg ihres Anteils – von 16,7 auf 18 Prozent – und seither keinerlei Zuwachs.
Das bedeutet: Seit 2006 ist die Vermögenskonzentration in den USA allein auf das oberste 0,1 Prozent beschränkt. Die nächsten 0,9 Prozent treten auf der Stelle.
Je weiter wir in der Hierarchie der Superreichen aufsteigen, desto deutlicher wird das Bild. Seit Dezember 2012 hat das oberste 0,01 Prozent seinen Vermögensanteil um fast zwei Prozentpunkte auf 12,1 Prozent erhöht. Und der Anteil der nächsten 0,09 Prozent? Der lag im Dezember 2012 bei 9,7 Prozent und liegt heute bei 9,8 Prozent – praktisch unverändert.
Das ist Oligarchie
Fazit: Seit 2012 konzentriert sich der Vermögenszuwachs in den USA fast ausschließlich auf das oberste 0,01 Prozent. Der nationale Reichtum konzentriert sich nicht nur weiterhin – die Nutznießer dieser Konzentration werden immer weniger.
Wie wenige? Der Ökonom Gabriel Zucman hat kürzlich dem Wall Street Journal neue Zahlen zur Verfügung gestellt: Das reichste 0,00001 Prozent der US-Bevölkerung – gerade einmal 19 Haushalte – hält mittlerweile 1,8 Prozent des gesamten US-Vermögens. Das entspricht mehr als einer Verzehnfachung ihres Anteils seit 1982.
Kombiniert man die Forbes-400-Liste von 2012 mit Zucmans damaligen Zahlen zum Gesamtvermögen der USA, ergeben sich noch auffälligere Zahlen: Etwa die Hälfte des Vermögenszuwachses des obersten 0,01 Prozent seit 2012 entfiel auf das oberste 0,00001 Prozent – also das oberste Tausendstel des obersten Hundertstels des obersten einen Prozents. Neunzehn Haushalte insgesamt.
Zur Erinnerung: Die Vermögenskonzentration in Amerika hat sich in den letzten rund zwölf Jahren weitgehend auf das oberste 0,01 Prozent der US-Haushalte beschränkt. Und die Hälfte dieser Konzentration kam gerade einmal 19 Haushalten zugute.
Das ist Oligarchie.