
Die Rückkehr der Freibad-Pommes
Eine Suchanzeige für Seemanns-Schmaus und Steaklets.
Vor zwei Jahren habe ich bei der Firma Iglo gefragt, ob es noch Restbestände vom Seemanns-Schmaus und den Steaklets gibt. Man ist ja sehr verwöhnt von Presseabteilungen, seit Social Media sowieso – mindestens bekommt man einen Überblick über das aktuelle Sortiment, Angebote für Bonuspunkte und dann für immer den Newsletter. Aber nichts vom
legendären Käpt’n Iglo.
Andererseits war er noch gar nicht Kapitän, als Iglo den Seemanns-Schmaus einführte. Es handelte sich um einen ovalen Jeton nach Art einer Fischfrikadelle, nur dünner, und das Brät war mit Gurkenstückchen verfeinert. Ich schmeckte eine käsige Note. Diese Köstlichkeit der Tiefkühlküche wurde mit Kartoffelpüree und Remoulade serviert.
Eine weitere fabelhafte Erfindung war das Steaklet. Hier wurde eine Bulette in Nierenform mit klein gehackten Zwiebeln als eine Art Barbecue interpretiert. Grillspuren waren appliziert. Man briet die Hackfleischstücke in der Pfanne, aber Grill und sogar die Mikrowelle genügten für den Genuss. Auch hier empfahl sich Kartoffelbrei, wenn nicht – wir schrieben die 70er-, die 80er-Jahre – zwei Toastbrotscheiben mit Ketchup, Senf und Röstzwiebeln.
Die Verpackung war ein deftiges Wildwest-Design, zunächst noch flach, später im kompakten Format. Iglo hatte also zwei Erfindungen, wie kein Lebensmittelchemiker sie je gemacht hatte. Aber vor einigen Jahren verschwanden diese Meisterwerke vom Markt – ich vermute: zur selben Zeit.
Plötzlich waren Seemanns-Schmaus und Steaklets verschwunden
Kaum hatte ich zweimal nicht hingesehen, waren sie beim Real in Neukölln nicht mehr zu finden. Und natürlich konnte kein Marktleiter das Fehlen erklären. Nicht mehr im Angebot. Im Angebot sind nun aber Freibad-Pommes. Etwas redundant verweist Iglo auf die „Fritten vom Kiosk“, um ganz sicherzugehen.
Schon der Name verheißt alles, was wir am Freibad lieben: den Geruch von Sonnencreme und Fußdesinfektionsspray, den ranzigen Geruch von simmernden Rostbratwürsten und klammen Badehosen. Es evoziert die Eiscreme-Flagge und vor allem die Eiskarte, auf der die Eise am Stiel verzeichnet sind. Ja, man riecht sogar das trübe Vorbecken mit den Duschen, und man sieht die frechen Steppkes, die einfach zum Hauptbecken durchlaufen, eindeutig ungeduscht.
Vor dem geistigen Auge sieht man sodann die absolute Autorität des Freibads, die von den Ärzten 1984 in „Paul“ besungen wurde. Die meistens sonnengebräunte Gestalt ist häufig muskulös, oft sehnig, manchmal bauchig, eine Trillerpfeife
hängt vor der Brust. Sie gibt die Sprungtürme und die Wasserrutsche frei und bestimmt die Kontingente. Und nicht vom
Beckenrand springen!
Ich weiß, David Foster Wallace hat über das Steigen auf der Leiter des Springturms und den Moment an der Kante eine Erzählung geschrieben. Auch Sven Regener hat berückende Erinnerungen an das Freibad verfasst. Aber die Demütigung, wenn der Turm unvermittelt geschlossen wurde, kurz bevor man an der Reihe war – mein Gott! Denn man war ja die ganze Zeit aufgeregt, man hatte sich den Augenblick vorgestellt, wenn man mit den Füßen voran vom Fünfer, womöglich vom Zehner springen würde. Na gut, vom Dreierbrett. Mutter hätte es gesehen!
Ich erzähle das, weil es seit einer Weile so viele Filme über das Freibad gibt – „Beckenrand Sheriff“, „Freibad“ und „Für immer Freibad“ etwa. Diese Filme sind alle mehr oder weniger gelungen. Schon 1996 glänzte Til Schweiger in dem Remake von „Die Halbstarken“: „Die von Freddy angeführte Bande trifft sich in den 50er-Jahren in einem Kölner Freibad.“ Da muss man den Film gar nicht sehen!
Gut aber sind die Freibad-Pommes. Oder eigentlich nur der Name.