Beiden Aufnahmen zum neuen Album schrumpften Fink zu einem Duo, doch die beiden übriggebliebenen hat die Abenteuerlust gepackt

Ein sonniger Sommertag auf dem Hamburger Kiez. In keinem anderen Stadtteil gibt es so viele Hunde wie hier. Vielleicht bevölkern daher so viele von ihnen die Songs von Nils Koppruch, dem Sänger der Gruppe Fink und freien Künstler, der hier sein Atelier hat Wir treffen uns ein paar Straßen weiter auf dem Balkon von Fink-Bassist Andreas Voss. Es gibt viel zu erzählen, denn ein fabelhaftes neues Album, „Haiku Ambulanz“, ist fertig, und Fink sind nur noch zu zweit.

„Es war schwierig nach dem letzten Album, ‚Fink‘, das ja in sich sehr stimmig war, einen neuen Anfang zu finden“, so Koppruch. „Wo gehst du von da aus hin? Ich wollte es mir nicht darauf gemüdich machen und hatte schon so die Idee, was anderes zu machen und auch anders zu arbeiten. Also haben Andreas und ich uns einen Rechner gekauft und den im Prinzip so benutzt, wie wir auf dem ersten Album ein Banjo benutzt haben – einfach mal gucken, was man damit machen kann. Es ging nicht darum, irgendwas zu perfektionieren, sondern darum, eine spontanere, direktere Art des Musikmachens zu finden.“ Gitarrist Dinesh Ketelsen, der bisher auch Produzent aller Fink-Alben war, sah das wohl ein bisschen anders und tat sich schwer damit, sich auf das neue Abenteuer einzulassen. „Fink ‚ hat halt eine geschlossene Geschichte erzählt“, erklärt Voss. „Das war ’ne Landkarte, da waren Gebirge und Flüsse und Tiefebenen – und wir haben uns den Weg rausgesucht, den wir gehen wollten. Bei dieser Platte ist es eher so, dass wir zwar auch eine Landkarte hatten, und die haben wir aufgeklappt, aber da war nichts drauf.“ „Man orientiert sich halt nicht an dem, was schon da ist, sondern muss selber Kartograph sein“, ergänzt Koppruch. „Das hat Spaß gemacht über weite Strecken, gab aber auch Probleme.“ – „Das ist wie Reinhold Messner und Arved Fuchs, die übers Packeis gegangen sind“, spinnt Voss das Bild weiter.“ Die waren zu zweit, haben sich aber dann getrennt. Wir waren zu viert, das war natürlich noch schwieriger. Immer wieder vor dem Nichts zu stehen, war für uns so spannend, das haben die anderen beiden dann halt nicht ausgehalten.“ – „Letztendlich sind wir auch zu schnell gewesen“, gesteht Koppruch ein.

So benutzten die beiden übrig gebliebenen Finken die Demo-Versionen der Songs, die die Band schon vor dem Ausstieg von Ketelsen und Schlagzeuger Henning Wandhoff aufgenommen hatte, und suchten für die Endproduktion die Nähe zu anderen Künsdern. Nach Gesprächen mit Matthias Arfmann und Olaf Opal entschied man sich dann doch, das Album alleine fertig zustellen – mit ein bisschen Hilfe von Lee Buddah und einem Gastauftritt von Carsten Meyer alias Erobique.

Die Songs wirken etwas unfertig, ein paar Samples wurden eingebaut, und alles ist etwas rhythmischer gewordenzum letzten, wohlklingenden „Fink“ ein Unterschied ums Ganze und doch ein typisches Fink-Album: ein spielerischer Umgang mit amerikanischen Songformen und deutschem Volkslied, und Koppruchs Texte, die wieder mit dunklen Bildern seltsame Geschichten erzählen, in denen eigentlich nichts passiert. „Trotz fehlender Handlung ist vieles auf dem neuen Album auch ein Versuch, den Schritt von einer abwartenden oder betrachtenden Haltung zur Aktion zu machen. Doch ich kann meinen Verdruss über das, was ich rings um mich sehe, als kulturelle Landschaft, als gesellschaftliche Form, halt tatsächlich nur aus einem Stillstand beschreiben, denn sonst müsste ich wirklich Agitationsmusik machen oder die Konsequenz ziehen und sagen: Musikmachen oder zumindest sich im Musikgeschäft zu bewegen, ist doch total scheiße, weil dieses Geschäft quasi eine überzogene Karikatur von dem ganzen kapitalistischen System ist, und in dem beweg ich mich auch noch als jemand, der eigentlich Sozialist ist.“

Es war in der Vergangenheit nicht unbedingt üblich, Fink-Alben auf einen politischen Gehalt hin zu lesen. Die Songs von Koppruch, der in einem Artikel mal ab“Käpt’n Blaubär der deutschen Popmusik“ bezeichnet wurde, wurden immer eher als skurrile, liebenswerte Randerscheinung rezipiert.

Doch spätestens das Statement gegen den Irak-Krieg, die launige, mit den Schauspielern Peter Lohmeyer und Ulrich Tukur eingespielte Single „Bagdad Blues“, machte klar, dass Fink ihr Seemannsgarn nicht jenseits der Realität spinnen. JDas hat mit ’nem gewissen Uberdruss zu tun: Dann sagt man halt mal was, ob’s als peinlich empfunden wird oder nicht. Fink waren niemals besonders kontrovers, aber nach dem 11. September haben die Repressionen, die deinen kompletten Lebensbereich betreffen, sehr zugenommen. Da ist es wichtig, sich auch politisch oder gesellschaftskritisch zu äußern.“

Neue Songs wie „Shuffle und Kompott“ oder „Wo geht das Licht an“ bilden Ohnmacht und Unbeweglichkeit unserer Gesellschaft ziemlich genau ab.

So ist ,J1aikn Ambulanz“ zwar wieder ein Finksches Panoptikum, doch auch ein Spiegelkabinett, in dem man vieles anders sieht. Das verwirrt, ladt zu Deutungen ein, die einen häufig auch ins Leere laufen lässt „Verunsicherung ist ein Hauptmotiv, es soll schwierig sein, ein schlüssiges Gesamtbild von der Platte zu bekommen“, so Koppruch. Den Titel „Haiku Ambulanz“, benannt nach einem Gedicht von Richard Brautigan, erläutert er mit einem anderen Gedicht des Autors: „Es heißt ‚Der Amelia Earhart Pfannkuchen‘: ‚Ich kann einfach kein Gedicht finden für diesen Titel/ Ich hab jahrelang nach einem gesucht/ Und jetzt geb ich auf.‘ Wir hatten einen Platte und einen Titel, irgendwie musste das zusammengehen.“ – „Aber es gibt doch auch einen Song, der so heißt.“ – „Wir dachten, das macht es rätsclhaftet“ Die Landkarte zu diesem Album muss man selbst finden.

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