Die Band ist nicht genug

Vom Indie-Pop unterfordert: Aus dem Musikerstamm der Band Miles kommt nun Sonqwriter-Musik von Monta und Power-Pop von Cash Tokio

Ob es daran liegt, dass unsere liebsten Musiker trotz Doppel- und Dreifachbelastung noch immer zu viel Zeit haben? Oder doch die offizielle Version, die besagt, dass eine einzige Band manchmal nicht reicht, um künstlerisch alles auszuleben? Wie auch immer, Miles aus München haben eine Zellteilung hingelegt. Es gibt sie noch, gleich mehrfach. Teilweise zumindest Eigentlich nur Zufall, dass diese zwei Platten gleichzeitig erscheinen: „Where Circles Begin“ von Monta, dem Solo-Ding von Miles-Sänger Tobias Kuhn. „We Are Plastic“ von Crash Tokio, der anderen Band der Miles-Bassistin Nina Kränsel. „Zweitband“ wäre das falsche Wort. Mit den Freunden von Crash Tokio hatte Nina schon als Teenager Musik gemacht, den Namen trug man bereits, als Nina sich auf die Anzeige meldete, mit der Miles vor drei Jahren ihr notorisches Bassisten-Problem lösen wollten. Die Zeit, als es bei den Indie-Poppern leicht bergab ging, nach den vielen „Platte des Monats“-Awards und dem Gitarren-Disco-Hit „Perfect World“. Mit Nina kam ein zweiter Frühling. Bei Crash Tokio blieb sie trotzdem.

Der gemeinsame Nenner Miles ist höchstens ein paar Millisekunden präsent, wenn man nun die Neuerscheinungen hört Die Alben von Monta und Crash Tokio ähneln sich so wenig wie Schwarz und Weiß – und es hat unterschiedlich lange gedauert, das hinzubekommen. Crash Tokio mussten mittendrin einen Schicksalsschlag verdauen, den Tod ihres Managers. Das Label wurde gewechselt, außerdem viele Gitarrensaiten und im Power-Pop-Hagel zerschossene Lautsprecherboxen; insgesamt dauerte die Produktion drei Jahre. Tobias brauchte für sein Monta-Album nur zweieinhalb Wochen, arbeitete meist nachts. Dicht und wirkungsvoll, eine Songwriter-Platte ohne allzu vorhersehbare Strukturen und mit Mut zur Reduktion. „Ich sage alles, was ich empfinde. Es gibt keinerlei augenzwinkernde Referenzen in den Arrangements, wie manchmal bei Miles. Das habe ich weggelassen, um nicht die Stimmung zu gefährden.“

Die unterschiedlichen musikalischen Einflüsse kommen erst in den Solo-Projekten so richtig hoch, aber eines haben Tobias und Nina auf jeden Fall gemeinsam: Die Liebe zum Pop haben die Väter vermittelt. „Wir haben drei Jahre in Cambridge gewohnt, und mein Vater ist jeden Samstag mit mir zu ‚Andy’s Records‘ gegangen. Da haben wir Sex Pistols, Residents, Smiths, Stiff Little Fingers gekauft. Ich bin mit diesen Platten groß geworden“, sagt Tobias. Nina lernte Englisch-Übersetzten mit ihrem Vater und Mink-De-Ville-Texten (großes Lachen, wenn es darin ums Küssen ging), dazu hörten sie seine Platten von Pink Floyd, Toto, Supertramp. „So habe ich die ganze Bandbreite von Hippie bis Eighties mitgekriegt Das alles liebe ich heute noch“, erzählt Nina.

Und Miles? Miles sind ein bisschen auf Urlaub. Es gibt Vieles, von dem man sich erholen muss: Der Gitarrist ist ausgestiegen, nach der Insolvenz der Plattenfirma Vielklang könnte es sein, dass sie für die letzte Platte „Don’t Let The Cold ln“ kein Geld sehen. Auch der Erlös von 10 000 in Japan verkauften Alben scheint irgendwo im verwirrten Industrie-Apparat versickert zu sein. „Es wird mit Miles weitergehen, offen ist nur wann – und wie’s klingen wird“, sagt Tobias. Nina arbeitet noch am frankophilen Projekt Phonoboy und am eigenen Soloalbum, Tobias wird im Februar das zweite Monta-Album anfangen. Manche Leute machen sich am liebsten ihre ganze Musik einfach selbst.

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