Digital Exclusive Cover Story: Dua Lipa gibt alles

ROLLING STONE begleitete Dua Lipa durch turbulente Wochen.

Foto: Mediahouse Berlin. All rights reserved.

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Sie ist einer der größten Popstars unserer Zeit – und hat sich nun Freiheit und Spaß auf die Fahnen geschrieben, sowohl in ihrem Leben als auch auf ihrem neuen Album. ROLLING STONE begleitete Dua Lipa durch turbulente Wochen. Über ihren Alltag als öffentliche Figur, ihr Faible für Astrologie, ihre Liebe zu 90er-Jahre-Rave-Pop und ihr Mitgefühl für Geflüchtete erzählt sie hier.

Digital Exclusive Cover: Dua Lipa

„Ich werde gerade buchstäblich ins Leben geworfen.“ 

Dua Lipa denkt über ihren „Saturn Return“ nach, während sie das sagt. Mit 28 Jahren steckt sie gerade mittendrin in der Sternenkonstellation, wenn der Planet zu dem Zeichen und dem Grad zurückkehrt, in dem sie geboren wurde. Der Astrologie-begeisterte Popstar hat das prophezeite planetarische Ereignis schon seit einer Weile erwartet. Es ist ein kosmisches Erwachsenwerden, das normalerweise an der Schwelle zum 30. Lebensjahr stattfindet und von vielen Übergängen, Transformationen und Umwälzungen geprägt ist. Dua Lipa – die gerade ein neues Kapitel in ihrer Karriere aufschlägt – spürt das alles.  

„Es verschleppt und verzögert alles“, sagt Lipa in ihrem Nordlondoner Tonfall. „Ich dachte eigentlich, 28 zu sein wäre netter.“ 

Wir sitzen auf der inzwischen leeren Terrasse des „Gjelina“, einem beliebten Restaurant auf dem trendigen, aus der Serie „Californication“ bekannten Abbot Kinney Boulevard in Venice Beach. Lipa kam allein zum Mittagessen und schlängelte sich in ihrem Tweed-Mantel, T-Shirt, Jeans und Sonnenbrille durch die sonst überfüllten Tischreihen. Mit ihren tief glühweinrot gefärbten Haaren fällt sie sofort auf – vielleicht schickt ihr der Besitzer, der ihren Vater kennt und ebenfalls albanischer Abstammung ist, deshalb ein Gratis-Dessert vorbei. „Albaner überall“, sagt sie achselzuckend. 

Dua Lipa

Lipa leidet unter leichtem Jetlag, sie ist erst ein paar Tage zuvor aus London gelandet. Kurz vor ihrem Flug hatte sie ihre Single „Houdini“ veröffentlicht, einen neopsychedelischen Dancefloor-Kracher. Am nächsten Morgen wurden die Grammy-Nominierungen bekannt gegeben, und sie erfuhr, dass ihr „Barbie“-Hit „Dance The Night“ für zwei Preise nominiert war, darunter für den Song des Jahres. „Ich wusste nicht einmal, dass sie an diesem Tag verliehen wurden“, erzählt sie. Sie feierte bei einem DJ-Set ihres Freundes und gesteht, dass sie auf dem Flug ziemlich verkatert war. 

Ihr drittes Album soll noch in diesem Jahr erscheinen, und es entstand in einer Zeit großer Veränderungen in ihrem Leben, einschließlich des Endes einer Beziehung und ihrer Ausflüge in die Dating-Welt. Außerdem trennte sie sich von der Managementfirma, die sie ein Jahrzehnt lang vertreten hatte, und kaufte die Rechte an ihrer Musik zurück. Darüber hinaus hat sie verschiedene Filmangebote geprüft, Projekte wie ihren Newsletter „Service95“ und eine Produktionsfirma ins Leben gerufen, um genau zu planen, was sie in Zukunft eigentlich tun möchte.  

„Ich bin dabei, Lektionen der Resilienz zu lernen“, sagt sie, „die Lektion, dass man vielleicht nicht immer so stark sein muss und dass man damit zurechtkommt.“ Sie sucht nach den richtigen Worten. „Ich weiß es nicht…. ich lerne gerade so viel über mich selbst.“ 

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Lipa ist vielleicht schon robuster, als ihr bewusst ist. Man braucht sich nur ihre Lebensgeschichte anzuschauen: Im Alter von 15 Jahren überredete sie ihre Familie, sie aus dem Kosovo ausreisen zu lassen, und zog ganz allein zurück nach London, wo sie geboren wurde. Sie machte dort ihr Abitur, fing an zu kellnern und zu modeln, während sie ein Team und ein Label suchte, um ihre Musikkarriere in Gang zu bringen. Noch bevor sie 20 wurde, stand sie unter Vertrag.  

In den Jahren vor und nach der Veröffentlichung ihres selbstbetitelten Debüts 2017 ging Lipa auf Ochsentour, spielte auf Festivals und eröffnete Konzerte für Troye Sivan, Bruno Mars und Coldplay. Die Arbeit zahlte sich mit Hits wie „New Rules“ und einem Grammy-Award als beste neue Künstlerin aus. Dann, im Jahr 2020, wurde ihr Hyper-Glam-Disco-Revival-Album „Future Nostalgia“ zu einem pandemischen Blockbuster, der die Charts erklomm und sie zu einem Main-Pop-Girl machte. 

Das Album wurde für sie zum Befreiungsschlag und zum unwahrscheinlichen und tröstlichen Soundtrack für Millionen von Menschen während des Lockdowns. Und es  machte Disco für die nächsten Jahre zu einem allgegenwärtigen Trend im Pop. Ihre warme, gefühlvolle Stimme, gepaart mit ihrem unbestreitbaren Selbstbewusstsein, wurden zum Markenzeichen einer Pop-Diva, die bereit war, sich allen Unwägbarkeiten zu stellen. 

Sie ist nicht nur eine der meistgestreamten Künstlerinnen der Welt, sondern auch der Lieblingspopstar deines Lieblingsrockstars: Wenn Elton John sie nicht gerade zu üppigen Abendessen einlädt, tanzt Mick Jagger mit ihr auf seiner Weihnachtsfeier. „Wir hatten eine richtige Party, bei der wir mit Mick Jagger in seinem Wohnzimmer getanzt haben“, erzählt Lipa lachend – und versucht dann, Jagger zu imitieren: „’Alles klar, Babe! Let’s go, darling!’“ 

Im vergangenen Sommer hatte Trent Reznor geäußert, dass Lipas 2020er-Hit „Levitating“ so „gut gemacht“ sei, dass er ihn zu Tränen gerührt habe. („Das war zu, zu cool“, kommentiert sie und lächelt breit.) Und kürzlich sprach Lipa für ihren „Service95“-Newsletter mit Patti Smith, einer ihrer Heldinnen. Smith erzählte, dass sie bei der „Barbie“-Premiere ein Bild von Lipa in einem Kettenhemd gesehen habe und sofort an Jeanne d’Arc denken musste. „Manchmal, wenn ich über solche Dinge spreche, fühlt es sich komisch an, dass ich tatsächlich über mich spreche“, sagt Lipa. 

Dua Lipa

Dua Lipa ist überall, aber viele Kritiker haben das Gefühl, dass sie gerade mal die Oberfläche dessen, was sie ist, angekratzt haben. Sie schlüpfte so lässig zwischen den Genres hin und her, dass ihr Sound und ihre Persönlichkeit zu Beginn ihrer Karriere als wenig greifbar erschienen. Einblicke in ihr Leben jenseits des Rampenlichts gab es in regelmäßigen, aber gut kuratierten Wellen auf Instagram, der einzigen sozialen Plattform, auf der sie selbst aktiv ist. Für Lipa ist die Musik ein Job – und ihr Privatleben bleibt genau das: privat. „Ich mag es, einfach mein Leben zu leben, meine Fotos zu schießen, meine Songs zu schreiben und zu droppen“, erklärt sie. „Ich bin nicht daran interessiert, kontrovers zu sein oder auf Reaktionen zu spekulieren.“ 

Ihre Gelassenheit und ihr Desinteresse an öffentlichem Drama führen oft dazu, dass man sie für einen zu perfekten Pop-Bot hält. Aber die Kritik, dass sie nicht genug von sich gebe, hat sie verletzt. Nun habe sie jedoch herausgefunden, wie sie mehr Distanz zu dem Lärm um sie herum schaffen kann. „In den sozialen Medien gerät man immer so leicht in eine Negativspirale oder an Leute, die gemein sind und eine Meinung zu dir kundtun, ohne dich wirklich zu kennen. Vielleicht ist es zu viel verlangt, dass diese Leute kurz darüber nachdenken, dass man Gefühle hat oder dass man sich ärgert“, sagt sie. „Für mich ist es allerdings wichtig, diese Dinge nicht auf die Goldwaage zu legen.“ 

In diesen Tagen erscheint nun ihr drittes Album, das die Fans DL3 genannt haben. Den eigentlichen Titel will Lipa noch nicht verraten, aber sie verrät, dass es sich um eine psychedelische Pop-Hommage an die britische Rave-Kultur handelt. Es sei stark von Bands wie Primal Scream und Massive Attack inspiriert, die für ein Londoner Mädchen mit einer Vorliebe für nächtliche Fahrten durch ihre Stadt unverzichtbar waren. Sogar ihre Ästhetik hat sich im Vergleich zu ihrer letzten Werkphase um 180 Grad gedreht: Sie hat die glamourösen, glitzernden Bodysuits abgelegt, um die „don’t give a fuck-ness“ von Brit-Pop-Acts wie Oasis und Blur zu evozieren, die als Inspiration für ihre neue Musik wichtiger seien. 

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„Diese Platte fühlt sich ein bisschen roher an“, sagt sie. „Ich möchte die Essenz der Jugend und der Freiheit einfangen und Spaß haben und die Dinge einfach geschehen lassen, egal ob sie gut oder schlecht sind. Das Gefühl von ‚roll with the punches‘, was auch immer in deinem Leben geschieht.“ 

Aber Dua ist immer noch Dua, und sie hat nichts von der Souveränität und dem Elan verloren, die sie so weit gebracht haben, auch wenn ihr „Saturn Return“ ihr jeden Tag neue Lektionen erteilt. Sie hat eine Menge vor und wird alles geben, auch wenn sie die Dinge ein bisschen lässiger nimmt. „Ich versuche, mich mit Leichtigkeit zu bewegen, nach dem Motto ‚nichts ist das Ende der Welt‘“, sinniert sie. „Was auch immer passiert, es ist genauso, wie es sein soll.“ 

 Nur eine Woche vor unserer Verabredung zum Mittagessen in L.A., treffen wir Dua Lipa zu Hause in London. Es ist Winter, und die Stadt typisch düster, der Himmel grau und die Straßen nass vom gelegentlichen Regen. Von außen sieht ihr Haus aus wie eine Lagerhalle aus dem Zeitalter der Industrialisierung, verschlossen, mit einem Tor versehen und Ziegelmauern. Sie ist vor gut einem Jahr hier eingezogen – ganz in der Nähe des Hauses ihrer Kindheit und der Orte, an denen sie sich als Teenager aufhielt. 

Wenn man ihr Haus betritt, fühlt es sich ein wenig so an, als würde man aus einer Schwarz-Weiß-Landschaft in Technicolor eintauchen: Von außen mag es wie eine Festung wirken, aber das Innere ist raffiniert und einladend, sorgfältig dekoriert und voller gemütlicher Möbel, die zu den zahlreichen Dinnerpartys passen, die sie hier veranstaltet. Übergroße orangefarbene und weiße Sofas umgeben schwere Granit-Couchtische. An einer Wand steht ein Schrank aus Nussbaumholz, dekoriert mit Nippes und einem Exemplar von Patti Smiths „M Train“. Über ihrem weißen Plattenspieler prangt ein riesiges Farbrad, und unweit davon hängt eine Collage der Muppets, gemalt von der Künstlergruppe FriendsWithYou. Auf der Bank darunter steht eine Plattenkiste, zuvorderst sichtbar ein Bootleg von Oasis, daneben ein paar kunstvoll platzierte alte Bücher, darunter William A. Embodens „Geschichte der halluzinogenen Pflanzen“ und Wim Wenders Drehbuch zu „Paris, Texas“. 

Lipa hat gerade eine Besprechung mit ihrem Team in einem anderen Teil des Hauses beendet und betritt das Wohnzimmer. Sie steckt mitten in einer Promophase, inklusive Radioauftritten, Fotoshootings und Social-Media-Posts. Sie trägt Jeans und ein Palace-Unitas-Sweatshirt, aber ihre Augen sind mit einem schweren Lidschatten geschminkt, den sie für einen Auftritt vor der Kamera am Morgen aufgelegt hat. Ihr rotes Haar ist bis auf zwei winzige, das Gesicht umrahmende Zöpfe offen. 

Schon 2021 hatte sie mit der Arbeit an neuer Musik begonnen, lange vor ihrer „Future Nostalgia“-Tour. Zu diesem Zeitpunkt war noch unklar, ob es überhaupt eine Tournee geben würde, angesichts all der pandemiebedingten Verzögerungen, Einschränkungen und gesundheitlichen Bedenken. „Ich dachte, da könnte ich genauso gut wieder ins Studio gehen und mit der Arbeit an einem neuen Projekt beginnen. Und ich muss einfach viel schreiben, bis ich meine Idee habe.“  

Doch das Album nahm erst Gestalt an, nachdem der zweite Teil ihrer einjährigen Tournee beendet war. Wann das war, vielleicht im Juni? Lipa runzelt die Stirn und versucht, sich zu erinnern, und verschwindet durch eine Geheimtür zu ihrem Schlafzimmer. Kurz darauf kehrt sie mit einem dicken Notizbuch zurück, dessen Einband mit abstrakten Dua-Kritzeleien bedeckt ist. Die Seiten sind mit Notizen und handgeschriebenen Texten gefüllt, und sie blättert zu dem fraglichen Datum – Juli 2022 –, als sie Kevin Parker von Tame Impala zum ersten Mal traf. „Ich war sehr nervös“, erzählt sie, „weil ich so ein Fan von Kevin bin.“ 

Parker, so erinnert sie sich, „war anfangs ziemlich schüchtern“. Sie hatte ihn zu einer Session mit drei anderen Musiker:innen eingeladen, mit denen sie in jenem Sommer zusammengearbeitet hatte: ihrer langjährigen Mitarbeiterin Caroline Ailin, der Co-Autorin von „Don’t Start Now“ und „New Rules“, dem Electronica-Autor Danny L. Harle (Caroline Polachek, Charli XCX) und dem Folk-Pop-Songwriter Tobias Jesso Jr. (Adele, Niall Horan). Diese vier unterschiedlichen musikalischen Persönlichkeiten zusammenzubringen, war ein riskantes Unterfangen, das sich gelohnt hat. 

„Nach einer Weile wurden wir alle lockerer“, erinnert sich Lipa. Am Ende des ersten Tages im 5dB Studio in Kensington hatte die Gruppe einen „wirklich guten“ Song. Am Ende der Woche waren es sogar drei. „Ich hielt diese Kombination von Leuten für einen genialen Schachzug“, sagt Kevin Parker.  

Dua Lipa bezeichnet diese Gruppe als ihre „Band“; sie haben acht der elf Stücke des Albums gemeinsam gemacht. Sie gibt zu, dass es nicht leicht war, neue Leute in ihrer Umgebung zuzulassen: „Je größer die Dinge werden, desto mehr Angst hat man, sich zu öffnen und verletzlich zu zeigen, sich in einen Raum zu setzen und einfach geradeheraus zu sprechen.“ 

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Das mag auch daran liegen, dass Lipa gerade dabei war, einige Dinge in ihrem Privatleben zu klären – Grenzen, Pausen, Balance. Im Dezember 2021, als sie mit den Proben für die Tournee begann, berichtete die Boulevardpresse über ihre Trennung von Anwar Hadid, dem Model und Bruder von Bella und Gigi Hadid, mit dem sie zwei Jahre lang zusammen gewesen war. Die folgenden Monate verbrachte sie damit, vorsichtig ins Singleleben zurückzukehren. „Dates sind, glaube ich, meist ein wenig irritierend“, sagt sie, was irgendwie beruhigend und überraschend zugleich klingt, wenn man es von jemandem hört, in den sogar Margot Robbie verknallt sein soll. „Entweder über Freunde von Freunden oder Leute, denen man vertraut, lernt man neue Leute kennen, denn Dating ist nicht so einfach, wenn man eine öffentliche Person ist.“  

Lipa brachte ihre Erfahrungen in das neue Album ein. Sie kam bewaffnet mit Geschichten von der Nacht zuvor zu den Sitzungen mit Ailin, Harle, Jesso und Parker und berichtete von den oft lächerlichen Erlebnissen, die das Dating mit Mitte zwanzig so hervorbringt. Sie habe „immer mit der Wahrheit angefangen“, sagt Ailin. 

Das Endprodukt ist so speziell wie typisch Dua Lipa: selbstbewusster Dance-Pop mit witzigen Einzeilern, wie für Instagram gemacht. Viele der Songs sind verspielte Szenen aus Clubs oder Nächten mit Freunden; die Texte changieren zwischen dem warnenden Gefühl, schnell die Flucht ergreifen zu wollen und dem Optimismus, was aus einem ersten Kuss werden könnte. Es gibt keine Balladen (abgesehen von einer, die sich zu einem beschwingten, von Carole King und Fleetwood Mac inspirierten Moment entwickelt). Dieses Album ist pures, geradliniges Pop-Glück, nicht unähnlich ihrem Ansatz auf „Future Nostalgia“ 

Dua Lipa spricht nicht weiter über ihr Liebesleben. Man muss schon auf die Musik hören: In einem Song werden leichtfüßige Harmonien dem turbulenten Porträt einer Beziehung gegenübergestellt, die zu Ende geht: „It’s not supposed to hurt this much/ But if these walls could talk/ They’d tell us to break up“. Ein anderes Highlight – eines von Lipas Lieblingsstücken auf dem Album – handelt von Reife und Heilung. Der verträumte Midtempo-Song wirkt wie eine aktualisierte Version von Gwen Stefanis „Cool“. Im Text findet sie nette Worte für die neue Beziehung ihres Ex, findet Frieden, während er weiterzieht: „I must have loved you more than I ever knew/ I’m not mad/ I’m not hurt/ You got everything you deserve.“ 

„Wenn du so fühlst, dann fühlst du dich wirklich erwachsen, weil du denkst: ‚Oh, wow, ich bin so ein entwickeltes menschliches Wesen, dass ich sehen kann, wie mein Ex weiterzieht und es mir gut damit geht’“, erklärt sie. Für Lipa war es eine neue Erfahrung über das Loslassen ohne Feindseligkeit schreiben zu können: „Ich glaube, ich hatte genug Trennungen in meinem Leben, bei denen ich das Gefühl hatte, dass die einzige Art von Trennungen, die sind, die wirklich schlecht enden“, sagt sie. „Dass die Dinge auf eine nette Art und Weise enden können, war etwas Neues für mich… Das hat mich viel gelehrt.“ 

Michael Bailey-Gates

Für den Sound des Albums waren Lipas Erkundungen der britischen Clubkultur und die Art von unbeschwerter Hingabe, die sie auf der Tanzfläche verspürt, maßgeblich. „Ich liebe es, die erste auf der Tanzfläche zu sein, wenn sonst niemand tanzt“, sagt sie. Ihre musikalischen Mitstreiter halfen, diese Energie freizusetzen: Sie lernte Harle auf der „Afterparty einer Afterparty einer Show“ über Andrew Wyatt kennen, der Lipas erste Single „New Love“ sowie ihren „Barbie“-Hit mitgeschrieben hatte. Wyatt und Harle hatten bereits für Caroline Polachek gearbeitet, die als Support bei Lipas Tournee aufgetreten war. Die beiden hatten auch mit einem weniger erwartbaren Künstler zusammengearbeitet, der Lipas Interesse weckte: dem ehemaligen Oasis-Sänger Liam Gallagher. Auf Gallaghers letztem Album war Harle als „Rave-Berater“ für den Breakbeat-Moment des Songs „I’m Free“ verantwortlich, den er gemeinsam mit Wyatt produzierte. 

Eine weitere Inspiration war Lipas Jugend in London: Die Dance-Remixe, die spätabends auf Radio 1 liefen, Primal Screams 1991er-Album „Screamadelica“, das sie bis heute liebt, die Rock- und Electronica-Acts der Neunziger, die sie durch ihren Dad kennenlernte und mit denen die 1994 Geborene aufwuchs, wie Oasis und Blur, Massive Attack, Moby und Gorillaz. 

Ich erwähne, dass einige dieser Brit-Pop-Helden – insbesondere Noel Gallagher und Damon Albarn – nicht immer sehr freundlich zu weiblichen Popkünstlern waren (beide haben sich zum Beispiel über Adele und Taylor Swift lustig gemacht) und frage, ob sie jemals einem von ihnen begegnet ist. „Ich hatte noch keine Begegnungen mit ihnen“, sagt sie. „Manchmal muss man die Kunst von der Person trennen… Es ist eher der musikalische Aspekt, mit dem ich mich verbunden fühle. Die Art und Weise, wie sich [einige Brit-Pop-Künstler – Red.] benommen haben, die Dinge, die sie getan haben, sind sicher unausstehlich.“ 

Sie scheinen eine bestimmte Art toxischer Rock-Männlichkeit zu verkörpern, sage ich, und Lipa stimmt mir zu, gibt aber zu bedenken, was die Welt in der Vergangenheit von Rockstars erwartet hat. „Es liegt so viel Toxizität in dem, wie die Leute ihre Künstler oder Musiker haben wollten“, sagt sie. „Wären sie anders gewesen, hätte man sie langweilig gefunden, und ich denke, das ist ein Teil des Problems.“ 

 So lässig sich das Album auch anhört, Lipas Arbeitsprozess war kleinteilig und detailverliebt. Ihre Mitstreiter bezeichnen Lipa als „akribische Redakteurin“, die jede Zeile umschrieb, bis sie sie für perfekt hielt. „Ihr Schnitt ist brutal“, sagt Kevin Parker. Die Leadsingle „Houdini“ zum Beispiel brauchte Monate, bis sie ihr gefiel. „Ich zuckte entsetzt zurück und sagte: ‚Oh nein, das ist doch ein toller Vers!’“, erinnert Parker. „Aber dann, eine Stunde später, hatten wir etwas, von dem ich mir heute nicht mehr vorstellen kann, dass es nicht in dem Song ist.“ 

„Ich glaube, es gibt keinen einzigen Song auf dieser Platte, den ich nicht noch einmal umgeschrieben, perfektioniert und verändert habe, in dem ich nicht noch ein bisschen tiefer gegraben habe, um zu sehen, ob wir noch etwas weiter gehen können“, sagt Lipa. Und ihre Methode hat offenbar funktioniert: Jede und jeder der Mitwirkenden schwärmt von der Chemie und dem Zusammenhalt, den Lipa geschaffen hat.  

„Alle haben sich gefragt: ‚Ist das normal? Das fühlt sich zu gut an, um wahr zu sein‘“, schwärmt Tobias Jesso. „Es ist der Höhepunkt meiner Karriere als Autor. Es gibt nichts, was man hätte besser machen können.“ 

Die Wahrheit ist, dass man nicht so ehrgeizig und präzise sein kann wie Dua Lipa, ohne sich um die Meinung anderer zu scheren. „Es ist mir wirklich wichtig, wie die Fans reagieren“, beginnt sie. (Nach der Veröffentlichung von „Houdini“ war sie frustriert, dass die Leute sagten, es klinge immer noch nach „Disco“, obwohl ihre Einflüsse hier andere waren.) „Und ich würde lügen, wenn ich sage, dass es mir egal ist, was die Kritiker denken. Wenn man sein Herz und seine Seele in etwas investiert, möchte man, dass alle Leute sagen: ‚Oh, es hat sich klanglich verändert und es ist etwas anderes als zuvor.‘“ 

Dua Lipas akribische Art kann sie selbst bis in ihre Kindheit zurückverfolgen. Damals führte sie einen Blog namens „Dua Daily“, eine Art Prototyp ihres „Service95“-Newsletters, in dem sie ihre präpubertären Stiltipps und Rezepte verbreitete. Ihre Auftritte als Geschmacksmacherin und Pop-Superstar nimmt sie genauso ernst wie ihre Aufgaben als ältestes von drei Kindern. „Es ist einfach cool zu sehen, dass sie ihre eigenen Ziele haben“, sagt sie und grinst stolz. Ihre Geschwister seinen sogar zu beschäftigt, sie zu besuchen. Lipa sieht ihre Eltern, Anesa und Dukagjin, als ihre Blaupause: ihre Mutter war Anwältin und ihr Vater sowohl Musiker als auch Zahnarzt im Kosovo, bevor sie Anfang der neunziger Jahre, als der Bosnienkrieg ausbrach, aus ihrer Heimat flohen. Das Paar begann im Vereinigten Königreich, wo ihre drei Kinder geboren wurden, völlig neu. 

„Meine Eltern sind wirklich die Menschen, denen ich alles verdanke“, sagt sie. „Als Kind gaben sie mir nie das Gefühl, dass irgendetwas an mir falsch ist. Sie versuchten, mir eine möglichst normale Kindheit zu ermöglichen, während sie gleichzeitig sehr hart arbeiteten, in Bars, Restaurants, Kneipen und all das.“ 

Dua Lipa war 11 Jahre alt, als ihre Familie nach dem Krieg zurück nach Pristina, in die Hauptstadt des Kosovo, zog. Sie fühlte sich wie im Paradies, denn sie konnte plötzlich länger draußen bleiben und sich unabhängiger in den Straßen der Stadt bewegen, die, wie sie sagt, viel sicherer waren als die von London. Nur die Schule empfand sie als härter. „Es war deutlich fortschrittlicher als in London“, sagt sie. Naturwissenschaften, Chemie und Mathematik seien besonders schwer gewesen. „Die Kinder lernten dort schon Dinge, von denen ich dachte, sie kämen erst viel später dran. In London hatte ich mit Bruchrechnung zu tun, im Kosovo mit Algebra.“ 

Doch Lipa scheint Herausforderungen zu mögen. Sie schloss Deals mit ihrer Mutter ab, zum Beispiel dass sie sich den Bauchnabel piercen lassen dürfe, wenn sie in Mathe eine Eins bekäme. Sie bekam einen Nachhilfelehrer und schließlich auch ihr Piercing. „Vielleicht fordert es mich heraus, wenn man mich unterschätzt, wenn man mir sagt, dass ich etwas nicht kann“, glaubt sie. „Ich stürze mich voll und ganz in Aufgaben, um sie richtig zu machen, um sie perfekt zu lösen, um es gut zu machen.“ 

 Zu Beginn ihrer Karriere wurde ihr eher zurückhaltendes Auftreten auf der Bühne als Mangel an Persönlichkeit interpretiert. Das Meme „Go girl, give us nothing“ entstand 2018 und wurde als Kommentar zu einem Video hinterlassen, in dem Lipa gelangweilt und müde aussah, während sie eine glanzlose Hüftschwung-Tanzbewegung vollführte. Lipa bringt es während unseres Interviews selbst zur Sprache, was zeigt, wie sehr es ihr nachzuhängen scheint. „Ich fand das wirklich verletzend und schmerzhaft. Endlich konnte ich etwas tun, das ich liebe, und wurde abgewiesen, weil ich anscheinend nichts richtig machen kann“, erinnert sie. „Gleichzeitig wurde ich durch die Welt geschleudert – viele Promos, viele Proben, viel von allem, und ich hatte nicht wirklich die Zeit, etwas davon zu perfektionieren.“ 

Heute ist das anders. Lipa begann die Inszenierung von „Houdini“ auf Instagram, indem sie mit dem Illusionisten-Thema des Namensgebers spielte, Teaser-Fotos postete und wieder löschte, bis sie das Veröffentlichungsdatum des Tracks bekannt gab. Außerdem löschte sie alle Beiträge zu „Future Nostalgia“ und die Fotos all ihrer Weltreisen. Aber, vielleicht unwissentlich, spielte das Thema mit der Vorstellung von Lipa als aalglattem, schwer zu fassendem Popstar: Ein viraler Thread auf X, der eine Woche nach der Veröffentlichung von „Houdini“ gepostet wurde, beschrieb sie als ein „Mysterium“ mit unbestimmbaren Persönlichkeitsmerkmalen: „Sie ist überall und nirgends“.  

„Passt von Anfang an vor allem auf die geschäftliche Seite der Dinge auf!“

Lipa frustrieren diese Konnotation, vor allem, weil sie ihr nun schon eine Weile anhaften. „Ich glaube nicht, dass es meine Aufgabe ist, in einer Talkshow mein Herz auszuschütten, nur weil es für eine News sorgt oder Aufmerksamkeit erregt.“ Lipa regelt ihre Angelegenheiten lieber im Stillen. So wie sie sich 2022 still und leise von ihrem TaP-Managementteam trennte und danach auch die Rechte an ihrer Musik zurückkaufte. Ein Freund hatte Lipa 2013 mit TaP-CEO Ben Mawson zusammengebracht, als sie noch ein Teenager war und in London kellnerte. Nach ihrem Bruch mit TaP, nahm sie ihren Vater als Manager unter Vertrag und kehrte damit den Weg um, den die meisten Künstlerinnen im Pop-Business einschlagen – Managementumstrukturierung auf die ganz andere Art. 

Diese Erfahrung habe ihr erneut vor Augen geführt, wie wichtig es für sie ist, sich auf der geschäftlichen Seite genauso gut auszukennen wie bei den kreativen Elementen ihrer Karriere. „Das geht heute Hand in Hand“, sagt sie. Und spricht eine Warnung an jüngere Künstler:innen aus: „Passt von Anfang an vor allem auf die geschäftliche Seite der Dinge auf! Ich glaube, das wird jungen Künstlern nicht oft genug gesagt. Am Anfang fühlt sich alles so aufregend an, und das ist es natürlich auch, aber es ist wichtig, sich das das nötige Wissen anzueignen und auf sich selbst aufzupassen.“ 

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Lipa spricht oft von „Wissen“. Sie hat begriffen, wie die Öffentlichkeit sie und andere weibliche Popstars sieht und wie oft sie auf ihr Aussehen oder ihre Hits reduziert wird. „Ich bin nicht sicher, ob die Leute mir glauben, dass ich gerne Bücher lese oder dass ich diese Unterhaltungen [für ihren Newsletter – Red.] tatsächlich selbst führe“, sagt sie. Sie scheint ein bisschen frustriert darüber zu sein, wie einschränkend sich diese Wahrnehmung anfühlen kann. „Es geht darum, was die Leute von ihren Popstars erwarten“, sagt sie. „Sie wollen nicht, dass du politisch bist. Sie wollen nicht, dass du klug bist. Ich muss niemandem etwas beweisen, aber es gibt so viel mehr an mir als nur das, was ich mache.“ 

Lipa verweist auf die Erfahrungen ihrer Eltern und wie diese ihre Weltanschauung geprägt haben. „Meine Existenz ist irgendwie politisch, alleine die Tatsache, dass ich in London gelebt habe, weil meine Eltern vor dem Krieg geflohen sind.“ Sie unterbricht den Blickkontakt nicht, während sie dies sagt, und ihr Ton ist ernst. „Ich fühle mit allen Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen. Nach meiner Erfahrung im Kosovo und dem, was der Krieg anrichtet, will das niemand wirklich. Sie tun es, um sich zu schützen, um ihre Familie zu retten, um sich um die Menschen in ihrer Umgebung zu kümmern, um ein besseres Leben zu haben. Deshalb fühle ich mich ihnen sehr verbunden.“ 

2021 veröffentlichte die „New York Times“ eine ganzseitige Anzeige des Rabbi Shmuley Boteach und dem World Values Network, in der Lipa und die Hadid-Schwestern wegen ihrer Unterstützung der Palästinenser des Antisemitismus bezichtigt wurden. Lipa nutzte die sozialen Medien, um den Anschuldigungen der Organisation zu widersprechen – und die Zeitung wegen der Veröffentlichung der Anzeige zu kritisieren. Nachdem sie sich in der Folge zwei Jahre lang geweigert hatte, mit der „New York Times“ zu reden, lud sie den ehemaligen „Times“-Redakteur Dean Baquet in ihren Podcast ein und fragte ihn, wie die Zeitung etwas „so Rufschädigendes und potenziell Gefährliches“ veröffentlichen konnte.  

„Es war wichtig für mich, mit einem Redakteur zu sprechen, denn ich fühlte mich bedroht und sah meine Grundwerte völlig auf den Kopf gestellt. Und das hat mich wirklich verletzt, denn wenn ich über etwas sprechen möchte, hoffe ich, dass die Menschen es so wahrnehmen, wie ich es intendiert habe, und dass keine böse Absicht dahintersteckt“, sagt sie jetzt. 

Lipa fällt es schwer zu Themen zu schweigen, die sie bewegen. Vor allem zu Themen, die mit den Erfahrungen ihrer Eltern während des Krieges korrespondieren. Deshalb hat sie eine Petition für einen Waffenstillstand im Krieg zwischen Israel und der Hamas unterzeichnet, der den Gazastreifen in Stücke gerissen und Tausende Menschen vertrieben hat. 

„Meine Gefühle in Bezug auf die Vertriebenen sind sehr real, und es ist ein schwieriges Thema, weil es so spaltend ist“, sagt sie. Sie scheint ihre Gedanken sorgfältig zu sammeln. „Aber es gibt eine Welt, in der man mit allen Leben, die verloren gehen, mitfühlen kann. Und um es klar zu sagen: Ich dulde nicht, was die Hamas tut, egal was in der ‚New York Times‘ stand. Jedes Leben ist kostbar.“ 

Sie betont, wie wichtig es ist, dass die Menschen sich über den Gaza-Konflikt informieren, insbesondere angesichts grassierender Fehlinformationen. „Es tut mir leid um jedes israelische Leben, das verloren wurde, und für das, was am 7. Oktober geschehen ist“, sagt sie. „Nun müssen wir uns jedoch auch vor Augen führen, wie viele Menschen in Gaza ums Leben gekommen sind, wie viele unschuldige Zivilisten. Es gibt weltweit zu wenig Staatsoberhäupter, die Stellung beziehen und sich zu der dort herrschenden humanitären Krise äußern und zu dem humanitären Waffenstillstand, der jetzt geboten ist.“  

Wie viele andere fühlt sich Lipa machtlos angesichts des anhaltenden Blutvergießens. Das Einzige, was sie tun könne, ist, so gut wie möglich informiert zu bleiben und ihre Plattform zu nutzen, um ihre Fans zu ermutigen, das Gleiche zu tun.  

„Wahrscheinlich ist es einfacher, wenn man unpolitisch ist“, sagt sie. „Ich denke, es findet keine tiefgreifende Diskussion über Krieg und Unterdrückung statt. Es ist einfach etwas, das wir immer wieder erlebt haben. Ich habe das Gefühl, dass es nicht ausreicht, nur eine Musikerin zu sein und etwas zu posten, es scheint mir wichtig, auch Solidarität zu zeigen – was manchmal alles ist, was man tun kann.“ 

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„Do you smoke?“, fragt Lipa, die auf dem Balkon ihrer Suite im Chateau Marmont steht. Sie bringt zwei Parliaments und bedauert, dass das Hotel nicht ihre üblichen Marlboro Lights hat; ein paar Wochen später wird Lipa verkünden, dass sie das Rauchen ganz aufgibt. Sie setzt sich vorsichtig hin in ihrem Jacquemus-Lederkleid, das sie für diesen Abend anhat. Mit einem Streichholz zündet sie beide Zigaretten an, während sie auf das Meer von Werbetafeln am Sunset Boulevard starrt.  

Lipa kommt gerne ins Chateau, wenn sie in Los Angeles unterwegs ist, wegen der gespenstischen Atmosphäre und der Chance, unten in dem exklusiven, mit Prominenten gefüllten Restaurant Leute zu treffen, die sie kennt. „Wenn diese Wände sprechen könnten, was sie wohl sagen würden“, sinniert sie, bevor sie einen Zug an ihrer Zigarette nimmt. Über dem leisen Summen des Verkehrs unter ihr erzählt sie von den Geistergeschichten, die sie über diesen Ort gehört hat. „Ich würde nicht in Bungalow drei gehen“, erklärt sie und meint die Suite, in der John Belushi starb. Ihre Neugier gilt paranormalen Phänomenen, und gerade interessiert sie sich für die angeblichen geheimen Tunnel unter dem Anwesen von Harry Houdini im Laurel Canyon. Dort soll am Abend ein  „Houdini“-Fan-Event stattfinden, das sie veranstaltet. 

Ihre Situation als Popstar vergleicht Lipa mit „einem Hamsterrad“. Obwohl ihre Karriere als Sängerin Priorität habe, frage sie sich manchmal, ob es eine Zukunft gibt, in der sich ihr Weg ändert. „Man macht ein Album, man promotet es, man geht auf Tour, dann macht man wieder das Gleiche. Und das ist toll, aber ich denke, es wird ein Punkt kommen, an dem ich mir vielleicht ein bisschen mehr Zeit nehmen möchte“, gesteht sie. „Ich habe all diese anderen Dinge, die ich auch tun kann, die mich wirklich interessieren.“ 

Lipa hat ihre eigene Produktions-, Verlags- und Managementfirma, Radical22, gegründet, mit der sie ihre anderen Projekte zum Leben erweckt. Dazu gehört ein Dokumentarfilm über ihren geliebten Londoner Stadtteil Camden, den sie zusammen mit Disney+ produziert. Sie genießt es, Interviews mit Künstlerinnen wie Little Simz, die in dem Dokumentarfilm auftreten wird, und anderen Prominenten aus der Musik- und Kunstszene Londons zu führen. Und nach ihrem Cameo-Auftritt als Meerjungfrau in „Barbie“ wird sie in Matthew Vaughns Komödie „Argylle“, die dieses Jahr in die Kinos kommt, eine smarte Spionin spielen. „Es hat sehr viel Spaß gemacht, aber es war auch eine enorme Lernkurve“, gibt sie zu. „Ich weiß noch, dass ich, als Matthew mich für die Rolle ansprach, dachte, ich sollte erstmal Schauspielunterricht nehmen.“ Vaughn überredete sie, das nicht zu tun, in der Hoffnung, dass sie vor der Kamera einfach sie selbst sein würde. „Wenn sie nervös war, hat sie es gut versteckt“, sagt Vaughn.  

Sie hat noch andere Träume: Lipa könnte sich vorstellen, eines Tages außerhalb Großbritanniens zu leben, vielleicht in Barcelona, Madrid, Paris oder Mexiko City. Sie hat Spanisch und Französisch gelernt; mit 35 möchte sie beides fließend beherrschen, ebenso wie Italienisch. „Ich möchte alle Sprachen kennen“, sagt sie. „Ich werde so eifersüchtig, wenn die Leute Französisch, Spanisch oder Italienisch sprechen, und ich denke ‚Scheiße, ich will einfach antworten können‘.“ Sie lernt gerade Gitarre zu spielen und vielleicht wird sie in ein paar Jahren auch ein paar College-Kurse belegen. „Ich habe so jung angefangen zu arbeiten, dass ich denke, der Moment wird kommen, an dem ich meine Fähigkeiten noch etwas schärfen möchte“, sagt sie. 

Bald ist es Zeit, zum Houdini Estate aufzubrechen. Lipa hat ihren Auftritt, steigt eine Wendeltreppe hinunter und gesellt sich zum DJ. Sie tanzt und singt zu zwei Stücken und schnappt sich die Handys der Leute, um ein paar Selfies und Videos zu machen. 

Sie kommt und geht und springt in einen der drei Cadillac Escalades, die ihre Crew durch die Stadt fahren. Sobald sie im Auto sitzt, lehnt sie sich aus dem Fenster, um mich zum Abschied zu umarmen. Dann fährt sie los, zurück zum Chateau und seinen Geistern – und wohin auch immer die Nacht sie führt. 

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