Eine virtuelle Wundertüte

Die Plattenfirma der Zukunft: Bei peoplesound.de können alle Musiker Songs als Hörprobe ins Netz stellen und Kunden deren Platten bestellen

Zuerst lasen wir „Rauchen verursacht Krebs“ auf der Schachtel, nickten stumm und zündeten uns erstmal eine an. Dann kam das Etikett „Copy kills Music“ auf jeder CD-Hülle. Wir stutzten und gedachten der leidgeprüften Plattenindustrie. Jeder Download aus dem Internet, so beschwor sie die Öffentlichkeit, bringe ihre Companies dem Ruin näher und die Künstler obendrein um ihren gerechten Lohn. Jetzt müssen wir schon wieder umdenken, denn das Szenario für die Zukunft sieht – vielleicht bald so aus: Die Musikanten stürmen das Internet, jubelnder Luftsprung bei jedem Download, Tantiemen für jede via Mouseklick georderte CD, fröhlicher Chat mit den Kollegen und hilfreiche Bildschirm-Kurse für die Karriere. Und die A&R-Manager, sie aquirieren nun vom Drehstuhl aus. Am Anfang steht für alle die gleiche Eingabe am PC, und man trifft sich dann bei www.peoplesound.de. Klick – schon drin!

Als Ernesto Schmitt im Oktober 1999 seine Geschäftsidee der etwas anderen Musiker-Karriere in die Tat umsetzte und in England ziemlich mühelos 75 Millionen Dollar für seinen Internetladen peoplesound.com bei privaten Investoren locker machte, gab es noch skeptische bis höhnische Kommentare. Als die Seite allerdings nur wenige Monate später schon 6000 Newcomer sämtlicher Sparten vorstellen konnte und mit mehr als fünf Millionen page impressions pro Monat den dritten Platz in der Rangliste belegte, verstummten die Zweifler. Nun folgen die Ableger des britischen Erfolgsmodells, und als Chef der deutschen Version kann Matthias Gibson bereits zwei Monate nach deren Markteinführung ungeniert zufrieden lächeln.

Dabei scheint die Philosophie des Mannes fast eine nostalgische zu sein.Im Fernsehen und Radio laufen nur die Top Hits, die sowieso jeder kennt, und Medienleute wie Fred Kogel irritieren mit Aussagen wie jener, dass die Leute über 25 eh niemanden kümmern würden – und die Platten, die noch vor 25 Jahren jeder kaufte, weil sie der Monatstip im Sounds waren, gibt es heute nicht mehr.“ Und ausgerechnet jenen Musikliebhabern, die sich bis vor kurzem noch die Finger in Kisten mit verstaubtem Vinyl wund suchten, will Gibson jetzt im Internet helfen? „Es hat auch uns überrascht“, berichtet das einst hohe Tier einer Major Company, „Aber zwischen 20 und zwei Uhr haben die Nutzer von peoplesound ein Durchschnittsalter von 42. Leute also, die unsere Plattenläden zu siffig, zu unübersichtlich und das Personal nicht ab hilfreich empfinden.“

Das Bild vom gestrigen Familienvater also, der sich von seinen spielenden Kids erst den Computer erklären lassen muss, sind anscheinend einer Korrektur bedürftig. Und die Märchen der Marktforschung, das Volk sei mit Kuschelrock in Serie zufrieden zu stellen, kann man auch getrost vergessen. Bei peoplesound, so Gibson, werde »ganz bewußt nach Musik Ausschau gehalten, die im Handel nur unter großen Problemen oder gar nicht erhältlich ist.“ Die Sparte Jazz etwa mit ihrem gerade einmal 1,3 Prozent hohen Marktanteil am CD-Umsatz, „der macht bei uns rund vier Prozent des Angebots aus und wird zu manchen Zeiten von fast 20 Prozent der Nutzer nachgefragt“

Goldene Zeiten am Horizont also für jene Musiker, die bislang vergeblich Porto in die Beschickung der traditionellen Plattenfirmern investierten? Vermutlich ja, denn bei peoplesound.de können sie zwei Songs aus dem Repertoire für jeden Nutzer hörbar machen, der dann wiederum die komplette Platte bestellen kann. Die Urheberrechte bleiben bei den Autoren, während der Verkaufserlös zwischen Peoplesound und den Künstlern fifty-fifty aufgeteilt wird. Ein fairer Deal – zumal neben potentiellen Kunden auch besagte A&R-Leute die Seite nutzen… Fragt sich bloß, wie viele der Musiker da noch wirklich scharf sind auf eine Karriere im klassischen Sinne – und nicht doch lieber weiter unter dem zukunftsweisenden Dach von peoplesound Schutz finden möchten. „Das ist auch für uns eine spannende Frage“, erklärt Gibson, „In England gab es immerhin schon Anfragen von Künstlern, die lieber von uns als von einem Label weiter betreut werden möchten. Zum virtuellen Label aber wollen wir uns damit noch nicht erklären. Ich sage allerdings ganz bewußt: noch nicht.“

Nicht das einzige Hintertürchen übrigens, welches sich das junge Unternehmen so offen läßt Auch die Auswahl der Investoren nämlich ist nicht nach deren Angeboten allein erfolgt „Die ersten Aspiranten“, lacht Matthias Gibson, „sind abgeblitzt. Das waren alte Bekannte aus der Unterhaltungs-Industrie – und die wollten sich lediglich eine gute Position für die eventuelle, spätere Übernahme sichern.“

Pech gehabt, zum Glück.

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