Ende der Sabotage

Von einer Stimme, deren samtene Strahlkraft von jeher eher einen göttlichen Fingerzeig denn irdische Mühen nahelegte, wollen alle etwas. Und alle etwas anderes. Kathy Dawn Lang als Exklusiv-Interpretin des Great American Songbook? Das langweile sie „zu Tränen“, es sei denn, sie kann sich neben Tony Bennett „wie auf der Universität“ fühlen. Andere hören die Kanadierin nur mit Celine-Dion-Balladen. Jazz-Fans sehnen ihren Seitensprung ins Genre herbei. Doch nur, wenn k. d. lang herausfindet, was sie selbst genau von dieser Stimme will, schreibt sie ein Album wie „Watershed“. Das nichts beschönigt und dabei doch wärmt wie das wohltemperierte Lieblingskissen auf den kalten Laken mit den „frozen lovers“, denen lang im Auftakt „I Dream Of Spring“ hinterherspürt, während Greg Leisz zum ersten magischen Streich auf seiner Pedal Steel ansetzt. „Watershed“ ist ein Songreigen von der minimalistischen Eloquenz und Konsequenz erlesener Haikus. Und hat dabei noch den Humor eines „Jealous Dog“ (Songtitel). „Ich mache nicht gern viele Worte“, sagt lang. „Einmal weil ich mich auf der Bühne dann nicht mehr an sie erinnern kann.“ Ein Scherz. „Nein, ich mag es direkt, einfach, überlegt. Die Melodie, die Harmonien, all das wird ja auch Text. Ich schreibe Texte auch immer erst zum Schluss, und dann müssen sie genau passen — wie ein letztes Instrument.“

Dabei bleibt lang ähnlich wie Lucinda Williams vordergründig schmal aufgestellt. Alles für die Liebe, die plötzlich nichts sein kann und doch nichts, was je aufzugeben wäre. „Natürlich kann man diese Songs einfach als Liebeslieder hören, aber ich schreibe über Beziehungen immer von einem spirituellen Standpunkt aus. Soziale, politische Belange werden für mich von menschlichen Belangen transzendiert. Die Lösung beginnt mit der Beziehung zu mir und dem, was sich daraus für andere Beziehungen ergibt.“

Zu sich selbst als Künstlerin hatte sie lange eine schwierige Beziehung. „Flame Of The Uninspired“ braucht denn auch eine Handvoll Worte mehr, um „dieses gängige Missverständnis“ aufzuspießen, wonach „die Dunkelheit die größte Quelle für Kreativität ist. Natürlich kann das ein Ausgangspunkt sein, aber oft sabotiert er eine andere, göttliche Energie. Man muss die dunkle Seite schon verstehen, aber sie dann in einen Prozess kanalisieren. Das Leben ist leer — und dann einfach überwältigend. Die Balance dazwischen zu finden ist der Kern unserer Existenz.“

In längs Sabotage-Akten finden sich Affären, Marihuana, Alkohol, kurz: der Drang, „etwas Chaotisches zu tun, um die Kreativität anzuheizen. Aber das brauche ich nicht mehr. Leute denken immer noch, es könne nur gut sein, solange jemand an der Nadel hängt. Sie wären gelangweilt mit Amy Winehouse, wäre sie clean. Klar sagen alle, sie solle mal aufräumen – aber sehen wollen sie doch nur ihr Chaos.“

k. d. lang hat „Watershed“ allein gemeistert. „Es hat mich überhaupt nicht frustriert. Ich hatte manchmal natürlich schon die Angst zu scheitern.“ Aber müsste sie nicht längst routiniert sein? „Weil ich schon so oft gescheitert bin?“ Sie lacht lauthals. „Nein, man gewöhnt sich nie daran, entwickelt nur einen Weg damit besser umzugehen, mit dem Alter, der Erfahrung. Ich wollte schon lange mal auch selbst produzieren, aber bisher gab es die Notwendigkeit nicht. Jetzt ergab es sich auf natürliche Weise aus dem Prozess des Songschreibens. Alles geschah quasi auf meinem Laptop, so konnte ich ganz meinem Tempo folgen, an verschiedenen Orten, und viele First Takes verwenden. Denn die Essenz des Anfangs lässt sich später nicht einfach auf eine Band oder einen Produzenten übertragen. Als ich mit den Songs vorankam, musste ich mich entscheiden, ob ich einen Produzenten hole oder sie zu Ende bringe.“

Ihre Lektionen hatte lang gelernt. Mit Nashville-Veteran Owen Bradley konnte sie 1988 auf „Shadowland“ ihrem Idol Patsy Cline „so nah kommen wie nur möglich“. Womit wir bei der Country-Platte sind, die mancher erwartet. „Ich weiß nicht, ob ich sie selbst schreibe — aber wenn alle Teile des Puzzles passen, mache ich sie. Hab ja bestimmt noch 25 Jahre Zeit dafür.“

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