Grey Ghost – Grey Ghost

1987 Catfish

Die deutschstämmigen Texaner, wovon es viele gab, waren keine Nazis. Im Gegenteil, aus ihren Reihen kamen die ersten Kriegsfreiwilligen. Und doch behagte ihnen nicht, dass dieser Nigger im „Hitler Blues“ Klage führte wider die braune Brut in der alten Heimat. Roosevelt T. Williams hieß der 1903 in Bastrop, Texas, geborene Frevler, den sie Grey Ghost nannten, weil er aus dem Nichts aufzutauchen pflegte. Der Barrelhouse-Pianist reiste in Güterwaggons zu seinen Auftrittsorten in den Flatlands von West-Texas, und wenn der Zug den Bahnhof verlassen hatte, stand er da, staubbedeckt. Und wie er gekommen war, so verschwand er auch wieder.

Eine Liveaufnahme des „Hitler Blues“ fand 1940 ihren Weg in ein BBC-Programm, danach krähte kein Hahn mehr nach dem unbotmäßigen, Segregationsgrenzen missachtenden Sänger. Bis 1965, als ein Archivar diese Aufnahmen machte, mit einem Tonbandgerät, mono. Nur für sich, aus persönlichem Interesse. Weshalb es 22 Jahre dauern sollte, bis sie endlich veröffentlicht wurden. Den Thelonious Monk des Blues nannte jemand den Autodidakten, in Anspielung auf dessen rhythmisch unkonventionellen, freien Stil, doch ist es nicht zuletzt Williams‘ Gesang, weich und herzlich, der fesselt. Grey Ghost starb 1996.

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