Legendäre Performance: Tina Turner und Mick Jagger mit „State of Shock“ bei Live Aid

Mit „State of Shock“ und „It's Only Rock and Roll“ sorgten Tina und Mick für einen Höhepunkt

„All right! Where is Tina?“, ruft Mick Jagger auf der Bühne des „John F. Kennedy Stadiums“ in Philadelphia, vor rund 90.000 Zuschauern. Es ist der 13. Juli 1985 um 22.30 Uhr: „Live Aid“, das bis heute wohl größte Benefizfestival aller Zeiten, steuert auf seine letzte Konzertstunde zu. Gesammelt wird Geld für die Hungerhilfe in Äthiopien.

Jagger tritt ohne die Rolling Stones auf (Ronnie und Keith würden sich nach Jaggers Auftritt zu Bob Dylan auf die Bühne gesellen und einen in die Geschichte eingegangenen, weil sagenhaft schlechten Dreier-Auftritt absolvieren) und hat bereits „Lonely at the Top“, „Just another Night“ sowie „Miss You“ dargeboten. Nun als sein Ruf: „Wo steckt Tina?“

Und dann kommt Tina. Es ist Jahr zwei nach „Private Dancer“, aber sie ist noch immer in aller Munde. „Live Aid“ findet im selben Monat statt, in dem ihr Song „We Don’t Need Another Hero“ in den USA bis auf Platz zwei der Charts kletterte. Tina Turner Superstar.

Tina Turner und Mick Jagger bei Live Aid

Sie hätte sicher einen eigenen Solo-Auftritt bei „Live Aid“, ob in Philadelphia oder im – stärker besetzten – Londoner Wembley-Stadion verdient, wurde aber als Gastsängerin vom Stones-Chef gebucht. Dass der zweite gemeinsame Song an jenem Abend „It’s Only Rock and Roll (but I like it)“ ist, muss nicht überraschen. Es ist der erste Duett-Song, der überrascht: „State of Shock“. Das Lied erschien ein Jahr vorher, 1984, auf dem The-Jacksons-Album „Victory“, als Duett zwischen Michael Jackson und Jagger. Jagger war an der Komposition des Top-3-USA-Hits nicht beteiligt (Songwriter waren Michael Jackson und Randy Hansen), vor allem aber war er ursprünglich gar nicht als Sänger vorgesehen. Jackson spielte „State of Shock“ Jahre vorher schon ein – mit Freddie Mercury.

Turner gab dem jüngeren Stones-Sänger eine Starthilfe als Solokünstler

Allerdings blieb diese Version über viele Jahre unveröffentlicht, weil Jackson an der Popularität von Queen zu zweifeln anfing. 1984 war auch das Jahr, in dem Mercury im Video von „I Want To Break Free“ verkleidet als Frau auftrat und Queen deshalb in den USA Fans zu verlieren drohten. Deshalb bot er „State of Shock“ Mick Jagger an. Aus heutiger Sicht cool, aus damaliger Sicht aber durchaus ein Wagnis: Der damals 41-Jährige Jagger befand sich mit den Stones im tiefsten Loch ihrer Karriere. Das Album „Undercover“ von 1983 erhielt schlechte Kritiken und verkaufte sich mäßig (unterboten nur noch von „Dirty Work“ drei Jahre später). Jagger lebte 1984 vom Glanz einer Rock’n’Roll-Band, die in den 1970er-Jahren hip war.

Ein Jahr später sah es aber schon etwas besser aus. Sein 1985 erschienenes, erstes Solo-Album „She’s the Boss“ verkaufte sich ordentlich, und mit der Single-Auskopplung „Just another Night“, auch in Philadelphia gespielt, schien Jagger ein jüngeres Publikum ansprechen zu können. Da Michael Jackson bei „Live Aid“ nicht auftreten wollte – obwohl am Ende doch alle „We are the World“ sangen! – war Tina Turner ein mehr als würdiger Ersatz für den scheuen Megastar. Im Grunde gab die vier Jahre ältere Turner dem Stones-Sänger hier eine Starthilfe für dessen Solokarriere, von der Jagger wohl selbst nicht wusste, ob seine Band das überleben würde (tat sie natürlich, aber in den 80er-Jahren sahen viele Musiker, die in den 70er-Jahren groß waren, schwarz). Sicher hat Tina wiederum Mick nie vergessen, dass sie als Support Act für die Stones auftreten durfte. 1969 noch mit Ike Turner, 1981 dann, als sie neu an ihrer Karriere arbeiten musste, als Solokünstlerin.

Ob ein Auftritt Turners in London, gemeinsam mit dem dort performenden David Bowie „Tonight“ schmetternd, genauso gut geworden wäre? Möglich. Aber „State of Shock“ hat mehr Power. Jagger und Turner, das zeigt das Konzert-Video (unten), traten wie ein One-Night-Stand-Pärchen auf, schnell zog er sein Shirt aus. Mick erschien derart oversexed, dass er Teile von Tinas Kleid zerriss, und sie dann in dem, was sie darunter trug, einen Leotard, weitersang, anscheinend unbekümmert.

Nach dieser Darbietung hatten die ihnen folgenden Dylan, Richards und Wood keine Chance mehr. Mick wird das vielleicht sogar gefreut haben. Für Tina Turner wiederum war „Live Aid“ nur ein weiterer Ritt auf der hohen Welle in jener für sie goldenen Ära zwischen 1983 und 1990.

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Paul Natkin WireImage
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