Mels brennender Dornenbusch

Weshalb das herbeigebetete Gezeter um die "Passion Christi" nach Gibson so langweilig ist

Dass Mel Gibson ein echter Christ ist, merkt man daran, dass er mit dem Eifer eines Wiedergeborenen für den rechten Glauben kämpft. Wie George W. Bush hat der Schauspieler früher sehr viel Alkohol getrunken und war darüber irgendwann unglücklich, woraufhin ihm ein Engel erschien oder seine Ehefrau und ihn von dem Dämon befreite. Gibson verlegte sich aufs Kinderzeugen, das er mit alttestamentarischem Grimm betrieb, bis acht Kinder geboren waren, und drehte weiterhin schlechte Filme: Mit „Mad Max“ war er als kaputter Endzeitkrieger bekannt geworden, in „Lethal Weapon“ spielte er einen kaputten Endzeitpolizisten, bei „Braveheart“ führte er gleich selbst Regie und spielte einen kaputten Endzeitritter. Die Unternehmung war so megalomanisch und unwahrscheinlich, dass es dafür – wie stets in solchen Fällen von Schauspieler-Hybris – einige Oscars gab. Gibson war aber auch der Mann, der weiß, was Frauen wollen. Privat soll er, wie der Moses-Darsteller Charlton Heston, das Gefühl einer warmen Waffe für Glück halten.

Gibsons Mission war nun leider nicht „Lethal Weapon V“, sondern die blutrünstige Bibelschwarte „The Passion Of The Christ“, das noch viel unwahrscheinlichere Werk eines Besessenen. Das Vorhaben klang ehedem wie ein Witz, die Proteste ließen nicht lange auf sich warten, bald gab es erste Szenen im Internet anzuschauen und das Gerücht, die Gibsonpassion sei im Kino gar nicht vorführbar, jedenfalls nicht erträglich. Bei einer exklusiven Preview wurde der römischen Kurie das Elendsspektakel vorgeführt, und für den maladen Papst erfand man den resoluten Kommentar: „Es ist, wie es war.“ Später ließ Johannes Paul die schön biblische Sentenz dementieren. Plötzlich hatte auch der Kardinal Lehmann einige Einwände gegen Gibsons Kreuzweg, und die Evangelische Kirche Deutschlands – typisch defätistisch – konnte „The Passion Of The Christ“ nicht für den Konfirmandenunterricht empfehlen: Ein „grausiges, Blut triefendes Werk, das sich an den Schmerzen des Erlösers weidet“, hatte der evangelische Filmkritiker erkannt, der brave Mel bade in „Schmerzensmann-Frömmigkeit“. Wie auch anders, denn in dem Schmerzensmann spiegelt Gibson sich natürlich selbst, und weil sein Kinderglaube rein und naiv ist, nimmt er die Bibel ganz wörtlich.

So wörtlich, dass in dem Film tatsächlich Aramäisch und Latein gesprochen wird, nur in einer signifikant hässlichen Szene auch Hebräisch, wie eifrige Exegeten bemerkt haben. Der Vorwurf des Antisemitismus erklang so pflichtschuldig, als hätte Jürgen W. Möllemann selig noch seinen Senf beigetragen. Die EKD befindet in ihrer Expertise allerdings, dass „Juden und Römer gleichermaßen schlecht wegkommen“, was folglich in Ordnung geht. Pontius Pilatus war gewiss ein Schurke, aber er hatte seine Hände ja in Unschuld gewaschen und das Volk (Juden!) gefragt.

Auch Mel Gibson konzediert jetzt, seine Offenbarung sei „das Schlimmste, was ich je gesehen habe“ (er meint nur die Gewalt), doch wollte er „miese Perücken und schlechte Schauspielerei“ vermeiden – also genau das, was ihn stets ausgezeichnet hatte. Die Evangelisten, die bekanntlich lange nach Jesu Tod ihre Berichte aufgrund mündlicher Überlieferung verfasst hatten – wie der Religionsunterricht früher lehrte – hält der lammfromme Schauspieler für „Augenzeugen“.

Wie zu erwarten, hat „The Passion Of The Christ in Amerika längst 300 Millionen Dollar eingespielt, ein Triumph wie „Scream“, „Scary Movie“ und „Star Wars“. Bloß dass diesmal niemand unter 17 Jahren ins Kino gelassen wird, was die Begeisterung ins übernatürliche steigen lässt. Sogar die Gewaltdarbietungen von „Matrix“ sind schwächlich gegen die Schrecken von Golgotha. „Jesus – The Game“ und „Grand Theft Judas“ für die PlayStation werden folgen.

Schon wird ein wahres Pfingstwunder aus den USA gemeldet: „Dramatische Interpretationen der Bibel“ seien derzeit der Renner, die Apokalypse des Johannes (oder wenigstens deren trashige Umdichtung!) werde konsumiert wie Manna vom Himmel. Sehet das Menetekel: Auch in unserem Land wird zu Ostern der frömmelnde Kitsch aus den Buchhandlungen und Videotheken quillen, die Kirchen werden voll sein, und die Prediger auf den Kanzeln werden Unheil verkünden: Das Bruttoinlandsprodukt schrumpft, die Lohnnebenkosten sind nicht zu bremsen, die Wirtschaft flüchtet ins Ausland, wir werden nicht Europameister. Der Herr stehe uns bei.

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