Nach einer emotionalen Achterbahnfahrt waren Therapy? reif für die Couch. Der Patient lebt.

Zugegeben, Anfang des Jahres waren Therapy? schon ein bisschen deprimiert Das irische Quartett, noch vor drei, vier Jahren auf den Titelbildern der internationalen Musikpresse zu Hause, stand plötzlich ohne Plattenvertrag da, ihr Drummer hatte sich gerade Arm gebrochen – und die Fan-Millionen, die sie mit dem Album „Troublegum“ rekrutiert hatten, schienen sich mysteriöserweise in Luft aufgelöst zu haben. „War schon eine Scheißsituation“, konstatiert Sänger Andy Cairns kopfschüttelnd – und wischt die drohende Depression mit einem überzeugenden Lachen vom Tisch. Keine Frage: Therapy? sind inzwischen wieder aus dem Gröbsten raus. „SuicidePact- YouFhrst“, ihr jüngstes Album, wurde – zusammen mit Produzent Head – in gerade mal zweieinhalb Wochen eingespielt: geradezu erschreckend billig – und doch für die Protagonisten ausnehmend befriedigend. Sogar den provokanten Titel sieht Cairns durchaus positiv: „Doch! Der ist wirklich lustig und lebensbejahend. Es bedeutet: Wir gehen nicht Wenn du – wie so viele Leute im Musikgeschäft – die Schnauze voll hast, dann bring dich doch um! Wir jedenfalls machen weiter.“

Plausible Gründe für diesen heroischen Entschluss gab es zwischenzeitlich eigentlich nicht Erst trennten sich Cairns und Bassist Michael McKeegan von ihrem Drummer Fyfe und stellten zwei neue Mitstreiter ein, dann wechselten sie mit jedem weiteren Album die stilistische Richtung. Kein Wunder, dass sich „Semi-Detached“, ihr letzter Versuch, als kapitaler Flop entpuppte.

Inzwischen glaubt Andy die Gründe zu kennen: „, Troubkgum ‚war recht kommerziell, nicht so heavy wie früher. Und danach ging uns die Spontaneität völlig verloren. Und die findet man gar nicht so leicht wieder! Vor allem, wenn es so viele Bands gibt – Green Day, Blink 182, Foo Fighters, Offspring, Bad Religion -, die Melodie-betonten Punkrock allesamt viel besser spielen als wir. Wir hatten dafür immer diese surreale Seite. Wir wollten einfach wieder ein bisschen schräger werden – mehr in Richtung Stooges, Black Flag und Motörhead.“ Eines stand jedenfalls nicht zur Debatte: die Flinte ins Korn zu werfen. „Dieses romantisch verbrämte Rock-Klischee – Band gründen, drei Platten veröffentlichen und dann entweder krepieren, das größte Album aller Zeiten veröffentlichen oder sich sang- und klanglos auflösen -, das liegt uns einfach nicht.“

Die Art, wie Cairns von Therapy? erzählt, erinnert an einen Gymnasiasten, der seine Clique aus der Raucherecke auch nach dem Abi zusammenhalten will – egal was passiert „Wir waren eine kleine Gang mit drei kleinen Freunden, und heute sind wir eben vier. Viel hat sich nicht geändert. Wir leben in unserer eigenen kleinen Welt“ Neuerdings mit Zuwachs: Cairns wurde vor wenigen Monaten Vater. Stilgerecht baute er am Anfang des Songs „Hate Kill Destroy“ ein Nietzsche-Zitat ein: „Was, meint Ihr, will aus diesem Kindlein werden – Gutes oder Böses?“ Für Cairns stellte sich die Frage überhaupt nicht – bis es Freunde und Verwandte schafften, ihn ernsthaft mit dieser Frage zu nerven. „Dauernd erzählen einem die Leute, wie schwer es ist, in dieser Welt Kinder aufzuziehen. Als ob man keinerlei Einfluss darauf habe, wie sich die Zwerge entwickeln. Klar: Rein theoretisch kann es passieren, dass auch sie eines Tages in der Shopping-Mall Amok laufen…“

Was Andy betrifft, so wirkt sich das Vaterdasein definitiv nicht aufs Songwriting aus. Keine Chance auf Kinderreime: „Ich habe überhaupt erst einen Song geschrieben, seit mein Sohn geboren wurde, und der heißt ‚Head Transplant‘.“

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