Red Hot Chili Peppers: John Frusciante

Normal ist das nicht, aber faszinierend: Der Gitarrist der Red Hot Chili Peppers kennt keine Angst

Er trägt jetzt lieber lange Hemden über den vernarbten Armen, und von Geistern und Stimmen spricht John Frusciante nur noch, wenn man ihn danach fragt. Der Gitarrist der Red Hot Chili Peppers weiß inzwischen, dass ihn viele für verrückt halten – oder auch für genial. Es ist ihm egal, aber er muss das Image nicht füttern, das hat er nicht nötig. Sein neues Soloalbum, „Shadows Collide With People“, wird ohnehin wieder beide Meinungen bestätigen. Dieser Mann hat einfach mehr gesehen als die meisten von uns, und er hat gelernt, seine Visionen in erstaunliche Sounds und Songs umzusetzen. Zum Interview kommt Frusciante ins „Chateau Marmont“, das Luxushotel in Los Angeles, in dem er auch einen Großteil seiner Heroin-Jahre verbracht hat, und schaltet erst mal das leise dudelnde Radio aus. Er hasst Lärm, wenn er ihn nicht gerade selbst macht.

Das neue Album wirkt, als hättest du mehr Selbstbewusstsein denn je, vor allem als Sänger.

Ich habe tatsächlich Gesangsstunden genommen bei dem selben Lehrer wie Björk. Und mir viele gute Sänger angehört, Freddie Mercury und so. Da kann man viel lernen. Eine Zeitlang dachte ich ja, ich werde nie wieder singen, aber jetzt habe ich entdeckt, dass ich es doch mag.

Wann hattest du überhaupt Zeit, die Songs zu schreiben?

Naja, auf Tournee arbeitet man ja eigentlich nur ein paar Stunden am Tag, da bleibt schon Zeit. Das meiste habe ich allerdings geschrieben, während das letzte Peppers-Album, „By The Way“, entstand. Ich fände es zu langweilig, nur Gitarre zu spielen. Ich lerne nebenbei auch noch Piano, Synthesizer, Harmoniegesang. Ich brauche verschiedene Herausforderungen.

Auf dem Album geht es viel um Fehler und Neuanfänge, um zweite Chancen. Bedauerst du manches in deiner Vergangenheit?

Rein gar nichts! Ich würde mit keinem Menschen auf der Welt mein Leben tauschen wollen. Ich bin jeden Tag extrem glücklich und dankbar, dass ich so viel durchlebt habe, um jetzt stolz auf mich selbst zu sein. Bevor ich all den Scheiß mitgemacht habe, wusste ich mein Leben gar nicht zu schätzen. Jetzt habe ich eine Art Balance gefunden. Was komisch ist: Die Dinge, die ich vielleicht doch ein bisschen bedauere, sind ganz andere, als du erwarten würdest. Dass ich heroinabhängig war, bedauere ich nicht. Zum letzten Mal habe ich 1997 etwas bedauert: meine Frisur. Vorher: dass ich die Band nicht ein Jahr früher verlassen habe. Dass ich viele Ideen nicht notiert habe. Solche Sachen. Seltsamerweise haben mir die Drogen geholfen, mit den Selbstvorwürfen aufzuhören und mich selbst zu mögen. Dann musste ich nur noch mit den Drogen aufhören und wieder mit dem Leben anfangen.

Hört sich gar nicht so leicht an.

Ach, als ich den Beschluss erst einmal gefasst hatte, ging’s auch. Ich wollte einfach was Neues anfangen und schauen, ob ich nicht doch noch Musik machen kann. Ich hatte ja jahrelang überhaupt nicht gespielt. Meine tiefe Liebe zur Gitarre harte mich ja letztendlich dazu geführt, dass ich nicht mehr konnte. Damals, als ich völlig unkreativ war, ging es mir im Grunde auch ganz gut. Nur andere Leute störten sich daran, ich fühlte mich wohl. Und jetzt hole ich all die Jahre wieder auf und spiele besser denn je. Es ist eben ein ewiges Auf und Ab – und ich wehre mich nicht mehr dagegen.

Das Album heißt ja „Shadows Collide With People“. Was bedeuten Schatten für dich?

Für mich repräsentieren sie den Übergang von Leben und Tod. Etwas Weiches. Etwas, woran ich gern denke. Leonardo da Vinci hat viel über Licht und Schatten geschrieben, das habe ich mit viel Freude gelesen. Ich hoffe, es würde ihn amüsieren, dass ich von ihm inspiriert wurde.

Vieles, vor dem andere Angst haben – Schatten, Geister, Tod -, scheinst du förmlich zu suchen.

Das ist vielleicht die entscheidende Botschaft, die meine Musik vermitteln soll: Man muss keine Angst haben. Nicht vor dem Tod, nicht davor, kein Sex-Dynamo zu sein, nicht davor, nicht akzeptiert zu werden. Die unterschwellige Angst ist die schlimmste Geißel der Menschheit.

Wie hast du diese Ängste abgelegt?

Mein Gehirn arbeitet wohl einfach anders. Fast alles, was anderen Menschen Angst macht, macht mich glücklich. Das ist wohl langsam passiert, als ich drogenabhängig war. Ich habe mich allen Ängsten gestellt – und das waren sehr, sehr viele -, ihre Sinnlosigkeit erkannt und sie dann hinter mir gelassen. Mein Leben macht mir seitdem viel mehr Spaß.

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