John Hammond – Wicked Grin

Für die einen ist Tom Waits die ferkörperung des Unverfälschten und Unbeirrbaren, andere halten ihn für einen Scharlatan und Poseur. John Peel hasst ihn, John Hammond schätzte ihn „schon immer über alle Maßen“. Und liefert mit „Wicked Grin“ eine ganze Reihe guter Argumente für seine Hochachtung, denn er überantwortete Waits nicht nur die Regie im Studio, sondern beschränkte sich auch stofflich auf Toms Talent: Sämtliche Songs stammen aus des Grantiers Feder, abgesehen von einem kurzen Gospel-Trad-Track am Ende des Albums, einer dieser Tiefe und Hingabe suggerierenden Inbrünsteleien, der Waits vokal seinen Stempel aufdrückt. Kehlig, krächzend und ächzend. Gepresst, bis die Stimmbänder nur noch ein Röcheln entweichen lassen. Kein übler Kontrast zu Hammonds zwar Bluesgeschwängertem, selten aber gutturalem Gesang. Dazu das obligatorische Jubilatio mit Händeklatschen. „I Know I’ve Been Changed“ heißt die spirituelle Nachgeburt.

Ein Titel, der durchaus Anwendung finden könnte auf Hammonds musikalischen WandeL Der nicht drastisch ausfällt, hin und wieder jedoch die Frage aufwirft, ob „Wicked Grin “ überhaupt ein Solowerk ist oder nicht vielmehr die Schnittmenge aus Hammondschem Handwerk und Waitsscher Ästhetik. Als Produzent brachte Waits wenig Erfahrung mit, benutzte mit Hammonds Billigung das streng analog ausgerichtete Soundgefiige seiner jüngsten, mit Gattin Kathleen Brennan co-produzierten LP „Mule Htriations“ ak Blueprint für „Wicked Grin“. Das funktioniert bestens, weil das archaische, lose Zusammenspiel der aufgebotenen Vollblutmusiker, darunter immerhin Augie Meyers und Larry Taylor, quasi naturbelassen bleibt, roh und ungeheuer dynamisch. Ein Sound, der seinen Ursprung auf Waits‘ bester Platte hat: „Rain Dogs“vonl985. Seinerzeit ebenfalls selbst produziert, wenn auch mehr als Mutprobe und nicht ohne SelbstzweifeL Kein Wunder midiin, dass hier gleich drei Songs aus „Rain Dogs“ wieder zu Ehren kommen, wobei die Selektion erfreulicherweise nicht gerade populistisch ist: Nicht „Blind Love“ oder „Downtown Train“, sondern „Clap Hands“ und Jockey Füll Of Bourbon“. Und „Big Black Mariah“, wo Keefs Saiten-Atavismus der Originalversion substituiert wird durch einen Harmonica-beschwingten Rhythm & Blues-Aufgalopp. Mit „Fannin Street“ und „2:19“ sind überdies zwei neue Waits/Brennan-Songs am Start Ein Fest für Waits-Bewunderer also und ein ungeschliffenes Juwel in der frisch polierten Krone des weißen Blueskönigs John Hammond.

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