Wider die Hamburger Schule und die Schablonen im Herzen: SAMBA spielen Schrammelpop über Scheitern und Sehnsucht

Wer weiß es schon. So genau und so. Ich weiß es nicht. Knut Stenert weiß es auch nicht. Weißt Du es, Baby? „Warum bist Du weg?“, singt Stenert in „Bundeswehrschlafsack“. Es ist keine Frage, da es keine Antwort gibt, die einem jemand oder etwas geben kann. Es ist ein Schrei gegen den Schmerz, der einen umhüllt wie Schlaf, wie im Schnee ohne Echo erstickt. „Trotzdem möcht ich, daß mein Bundeswehrschlafsack nicht noch mächtiger wird/ Aber er wird!“ Machtlosigkeit im Unabänderlichen, fast ohne Worte. Diese Schlichtheit ist eine wahre Qual.

Sänger Stenert gehört zum Trio Samba, von dem niemand so recht weiß, wo es hingehört. Sie leben im Unidorf Münster, woher auch einige Mitglieder der Hamburger Bands Blumfeld und Die Sterne kommen. Bei Interviews ist Stenert stets milde verärgert, am Pop-Paradigma Hamburger Schule gemessen zu werden, „weil Journalisten immer zuordnen müssen. Okay, es bietet sich nichts anderes an, und es mag schon sein, daß ähnliche Schwingungen entstehen. Aber Tocotronic und Capt Kirk SL verbindet nicht einmal ein bestimmter Sound. Kommen wir noch dazu, wird es erst recht verwunderlich.“ Immerhin hat Bassist Götz Grommek erkannt: „Münsteraner Rocker gehen nach Berlin, die Songschreiber nach Hamburg.“

Ähnlichkeiten entstehen natürlich zufällig, obwohl der Sound auf dem neuen Album „t.b.a.“ so gewollt war. „Wir hatten erst einen Produzenten, der uns ab Punkrocker sah und sagte: ,Hey, Jungs, wir machen die härteste Powerplatte, die in Deutschland jemals aufgenommen wurde‘.“ Nun hatten sie auf ihrem Debüt „Zuckerkick“ bereits Songs, die sie als selbstverständliche Teenie-Grunge-Epigonen auswiesen. „Zwei-Minuten-Kinderzimmer-Hymnen, die wir mit 19 geschrieben haben“, so Stenert. Als jemand ihnen das letzte Album der Sterne vorspielte, die sie bis dato nie gehört hatten, da vertrauten sie sich deren Produzenten Chris von Rautenkranz an. So ist der Querverweis zu der Hamburger Szene quasi angelegt – zumindest nach jenem musikmedialen Raster, in das schon die Koordinaten von Seattle und Manchester gepreßt wurden. So ist Pop, dem gerechter Stolz gegenübersteht. „Zieht man Texte von Blumfeld heran“, so Stenert, „entsteht das beschissene Ergebnis, ich sei ein dummer Junge. Das bin ich aber nicht.“ Stenert ist schlau, aber kein Kopfmensch. In seinem Blick liegt melancholisches Mißtrauen, und er spricht zögerlich, als müßte er seine Gefühle erst zu Gedanken bündein. So hören sich auch seine Texte an. Artikuliertes Gefühlschaos und angstvolle Gedankensprünge. „Ich versteh das nicht“, singt er in „Feuerwehr Pizzaservice“, und in „Satzkiller“ beginnt er: „Blaba, wie sagt man/ Ich glaube, das heißt verstehen.“ Keine Liebeslieder, sondern Kummerkompositionen, die davon handeln, verstehen zu wollen, was selten zu verstehen ist, weshalb seine Texte schwer zu verstehen sind. Immer ruft er sich Trost zu, Trotz hervor, weitergehen, überleben zu wollen. „Sir Wivel, verleih mir Flügel“ – aber oft folgt ein lakonisches „Jaja“, das alles sagt.

Das zentrale Stück ist „Sommerhit“, in dem es heißt: „Und warten, daß Wissen mein Gefühl ersetzt und mich in die Gesellschaft verliebt/ Ich schreib ’n Sommerhit/ I’m gonna do the right thing.“ Das Bemühen, mit Vernunft statt Emotion zu handeln. Jemand ist traurig und passiv, was er nicht will“, erklärt Stenert. „Also will er einen Schritt zur guten Laune machen und den Sommerhit schreiben. Wer Emotionen abbaut erklärt sich konformer.“ Der Ausweg scheitert, schon „weil wir den Sommerhit auch nicht geschrieben haben“. Der Song ist wunderbar. Wehmut weht, getragen von einer simplen Akkordfblge und der Monotonie einer schönen Melodie, die schließlich in erhebend-unaufdringlichem Gitarrengeschrammel übergeht – und stirbt.

Nirvana hören Samba heute nicht mehr, dafür Pavement, was nicht unbedingt herausgehört werden muß. Und ihre Liebe zu Trio schwingt mit. Die abwartende Haltung, die Lieder und Lyrik ausdrücken, hat sich zufallig im Albumtitel wiedergefunden. Jemand sollte die Bio schreiben. Da uns kein Name eingefallen war, notierte jener to be announced.“ So hofft Stenert, Probleme mögen sich auflösen, und bis dahin leidet er daran, „Du hast mich gebaut, ich hab Dir vertraut/ Und wer hat geschaut, der hat’s kaum geglaubt“. Ein Romantiker, der sagt: „Ich bin glücklich.“

Marzipanmädchen, warum bist Du gegangen? „Hilf mir, Mädchen, ist das wirklich so schwer zu verstehen?/ Hilf mir, Mädchen, ist das wirklich das Ende?“ Jaja, ich weiß.

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