Bruce Springsteen: „Wrecking Ball“ komplett im Stream

Tag für Tag lieferten wir in den letzten Wochen einen neuen Song aus "Wrecking Ball". Seit Freitag steht das neue Album von Bruce Springsteen nun in den Regalen. Wer es noch nicht hat: Hier gibt es nochmal unsere Countdown-Texte und dazu den kompletten Albumstream.

Bruce Springsteen höchstselbst hat uns schon einiges über sein neues Album verraten. Nun lässt er Songs sprechen: Ab sofort gibt es jeden Tag einen neuen Song von „Wrecking Ball“ im Stream. Wir eröffneten den Song-Countdown mit „Irish Folk-Schunkler“ (so Arne Willander) „Easy Money“, in dem sich der als Anti-Held angelegte Protagonist entscheidet, es „all them fat cats“ auf der Wall Street gleichzutun und kriminell zu werden.

Zweiter Song im Countdown ist „Shackled And Drawn“, das textlich dem Guthrie-Folk sehr nahesteht, wie schon unsere US-Kollegen bemerkten: „Gambling man rolls the dice, workingman pays the bill/ It’s still fat and easy up on banker’s hill/ Up on banker’s hill, the party’s going strong/ Down here below we’re shackled and drawn“, singt Springsteen hier und widmet sich erneut der Kernthematik von „Wrecking Ball“, hier in dem er den klassischen Konflikt zwischen der nicht reich werden könnenden Working Class und den Reichen ins Visier nimmt, die sich auf ihrem „banker’s hill“ um den Verstand feiern, und die Kohle der Anderen verzocken. Musikalisch ist „Shackled And Drawn“ ein spannender Bastard aus Blues-Gitarre, Handclap-Rhythmus, seltsam künstlich klingenden Konservensounds und einem kraftvollen Gospelchor.

Der dritte Song im Countdown ist die Ballade „Jack Of All Trades“, über die Arne Willander in seiner ausführlichen Kritik im neuen Heft schreibt: „‚Jack Of All Trades‘ ist die typische Springsteen-Ballade nach Art von ‚Independence Day‘ – aber mit Bläsern, die an einen Friedhofsmarsch erinnern: ‚If I had a gun/ I’d grab it and shoot the bastards on sight.‘ Der Hans-Dampf-in-allen-Gassen: ein Sensenmann.“

Der vierte Song ist „Death To My Hometown“, über den die US-Kollegen kürzlich schrieben, er sei „ein Irish Folk-inspirierter Song, der sich auch gut auf einem Dropkick Murphys-Album gemacht hätte.“ Da mochte man zunächst schlucken in Anbetracht der Tatsache, dass benannte Punkband ja doch recht raubauzig und versoffen zu Werke geht. Ganz abwegig war der Vergleich aber dennoch nicht. Arne Willander ist in seiner Kritik im aktuellen Heft begeistert von diesem Song und widmet ihm gleich einen ganzen Absatz: „Mit Flöten und Pauken paradiert der Spielmannszug von ‚Death To My Hometown‘; die Band ist losgelassen wie auf ‚The Seeger Sessions‘: ‚Send the robber barons straight to hell‘, rät der Sänger seinem Sohn, auf dem Schlachtfeld stehend, das die Heuschrecken abgegrast haben. Seit ‚Tom Joad‘ haben wir Springsteen nicht so bitter gehört, so wütend womöglich noch nie – aber es ist beinahe eine Kapitulation, wenn der Volksheld zu düsteren Gitarren und ahnungsvollen Chören schwerfällig singt: ‚This is my confession/ I need your heart in this depression.‘

In diesem fünften Teil unseres „Wrecking Ball“-Countdowns bietet Springsteen endlich einen Hauch Optimismus in seiner Wut. Der Song „This Depression“ enthält die oben zitierte Textzeile und ist dennoch keine reine Aufbauarbeit: Springsteen klingt dort angeschossen, müde, am Rande der Kapitulation und bittet seine Fans ihm zur Seite zu stehen, seine Hand zu reichen, ihn aufzubauen. Eine starke Zeile, die man noch einmal vor sich haben muss: “ This is my confession/ I need your heart in this depression.“

Weiter geht es im Song-Countdown: Song Nummer sechs ist ein alter Bekannter –  und zugleich das Titelstück. Arne Willander schreibt in seiner Review im März-Heft dazu: „Das Abschiedslied für das Meadowlands-Stadion, ‚Wrecking Ball‘, stiftet hier die Metapher für den allgemeinen Niedergang. Wiederum dominieren die Bläser und das Schlagwerk; die Fiddle und die Bläser schwelgen. Es ist natürlich mehr als der Schwanengesang für einen Spielplatz, wenn Springsteen singt: ‚ All our little victories and glories/ Have turned into parking lots.‚“ Man kennt den Song natürlich schon genau von dem Abend, an dem Springsteen im besagten Stadion spielte, „to shut the old lady down“, wie er damals sagte. Die Live-Aufnahme dieses Songs dürfte jeder Springsteen-Fan inzwischen gesehen haben. Es ist natürlich ein Lied, das live viel besser funktionieren wird, aber Springsteen bemüht sich redlich, dieser Tatsache mit vollem Bandeinsatz beizukommen. Und wenn sich der Song, ausgehend von seinem Mantra-artigen „hard times come and hard times go“, zum letzten Aufbäumen, zum letzten, trotzigen Aufgebot gegen die unvermeidliche Abrissbirne antritt, der Chor sich über die Keyboards erhebt und die ganze Manschaft „put on your wrecking ball“ fordert, dann zuckt wohl bei jedem kurz die geballte Faust in die Luft. Da freut man sich doch schon jetzt auf die Live-Shows im Frühjahr…

Song sieben steht heute auf dem Programm und erinnert an dieses Zitat: „Das ist vielleicht das direkteste Album, das ich je gemacht habe“, sagte Springsteen nun dem US-ROLLING STONE, „‚Nebraska‘ vielleicht ausgenommen, das viel gemeinsam hat mit ‚Wrecking Ball'“. Diese Aussage spiegelt sich nun in „You’ve Got It“ findet Arne Willander: „Den langen Weg von ‚Nebraska‘ kommt samt akustischer Gitarre ‚You’ve Got It‘, das sich zu einer Blues-Party mit Slide-Gitarre, Tröten und Klatschen aufschwingt.“ Gestern schrieb uns Leser Lukas Maurer via Facebook über den Titelsong: „Jedes mal, wenn ich ihn höre, bekomme ich Sehnsucht nach einem neuen E Street-Album.“ Dieses Gefühl wird sich spätestens beim Schlusspart von „You’ve Got It“ wieder einstellen…

Weiter geht es mit Song Nummer acht: Das filmische „Rocky Ground“ entwickelt den gleichen HipHop-inspirierten Vibe wie „Streets Of Philadelphia“ und featured die Gospel-Sängerin Michelle Moore, die sogar einen kurzen, offensichtlich von Springsteen verfassten Rap abliefert. „Könnte Kitsch sein, ist aber großartig“, meint Arne Willander – dem kann man nur zustimmen.

Der neunte Song „Land Of Hope And Dreams“ ist wieder mal ein alter Bekannter. Er wurde schon 1999 mit der E Street Band gespielt und geschrieben, nun aber mit elektronischen Drums und einem Gospelchor neu arrangiert. Arne Willander schreibt: „Dann biegt Springsteen, angeführt von einem Gospel-Chor, in die letzte Kurve ein und singt ‚Land Of Hope And Dreams‘, den Song, den er 1999 zur Reunion der E Street Band schrieb. ‚Just get on board …‘ Am Schluss erklingt das letzte SaxofonSolo von Clarence Clemons – ein tearjerker, so sicher wie das Amen in der Kirche.“

Ta dah! Heute findet der Song-Countdown von „Wrecking Ball“ mit „We Are Alive“ sein mitreißendes Ende. Oder wie Arne Willander bemerkt: „Im munter hoppelnden ‚We Are Alive‘ schließlich sprechen sogar die Toten.“

Springsteen live:

25.05. Frankfurt, Commerzbank-Arena

27.05. Köln, RheinEnergieStadion

30.05. Berlin, Olympiastadion

Hier gibt’s noch ein schönes Videointerview mit Springsteen, aufgenommen bei einem Pre-Listening-Event in Paris:

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