So waren die Rolling Stones in London: „It’s good to see anybody!“

Sonntagabend fand in der O2 Arena in London die erste der vier großen Jubiläums-Shows der Rolling Stones statt. Neben Jagger, Richards, Wood und Watts gaben auch Bill Wyman und Mick Taylor einen Gastauftritt. Mark Sutherland war für den ROLLING STONE vor Ort.

Die Rolling Stones begannen am Sonntagabend ihre Tour zum 50. Jubiläum mit dem „Biggest Bang“, den man sich wünschen konnte. Eine ganze Heerschaar an Special Guests leistete den Stones Gesellschaft – bei einer Show, die einen Hit nach dem anderen abfeuerte. So kamen die ehemaligen Stones-Kameraden Bill Wyman und Mick Taylor mal wieder zu ihrem Recht, und auch Mary J. Blige und Jeff Beck waren zur Stelle, um bei den Feierlichkeiten mitzuwirken.

Wyman, der die Stones 1992 verlassen hatte, wurde mit herzlichem Applaus und einem Handschlag von Keith Richards begrüßt, als er bei „It’s Only Rock and Roll“ und „Honky Tonk Women“ den Bass übernahm. Den lautesten Applaus bekam dann jedoch Taylor, der seit 1974 nicht mehr mit den Stones aufgetreten war – er spielte seine Trademark-Blues-Gitarrensoli und eine Extended Version von „Midnight Rambler“. Dabei wirkte er, als würde er jede einzelne Sekunde dieser Reunion von ganzem Herzen genießen.

Blige sorgte bei „Gimme Shelter“ für ein Gospel-Feeling und gab mit Mick Jagger Lektionen in Gesangsakrobatik, während Beck einen schillernden Gitarrenpart zu „I’m Going Down“ beisteuerte. Doch obwohl natürlich die Gäste die Headlines ausmachen werden, stand der Abend ganz im Zeichen der Stones-Mitglieder und ihrer eindrucksvollen Karriere, die sie in einem Set feierten, das von ihrer zweiten Single-Veröffentlichung „I Wanna Be Your Man“ aus dem Jahr 1963 bis zum aktuellen „Doom And Gloom“ reichte.

Tatsächlich endete es dann genauso, wie viele 50. Geburtstage enden: Es gab ein paar alte Freunde, ein paar Lacher, ein paar Tränen, viele Erinnerungen, peinliche Tanzeinlagen – und es war so früh zu Ende, dass noch jeder die letzte Bahn nach Hause schaffte.

Wobei: Der Abend begann immerhin eine halbe Stunde später als angekündigt, um 20.30 Uhr, mit einem Video, in dem sich Stars wie Iggy Pop, Elton John, Johnny Depp und Nick Cave an ihr erstes Mal Stones-Hören erinnerten. Dann marschierte eine Gruppe Drummer in Gorillakostümen – ein Verweis auf das Cover der aktuellen Compilation „GRRR!“ – durch die Arena, bevor „I Wanna Be Your Man“ den Stein ins Rollen brachte.

Affenartige Drummer und die gigantische Bühne in Lippenform blieben dann aber auch die einzigen Gimmicks der Show – sonst setzte man in Sachen Produktion und Sound eher auf das Wesentliche. Das waren gestern die puren, unverfälschten Stones – oder zumindest waren sie so pur und unverfälscht, wie man sein kann, wenn man seit 50 Jahren zusammenspielt und vor 20.000 Fans auftritt. Hits wie „Get Off of My Cloud,“ „It’s All Over Now“, „Paint It Black“ und ein lärmendes „All Down the Line“ wurden mit minimaler Feierlichkeit bei maximaler Lautstärke durchgejagt. 

Jagger gab dabei den Showman alter Schule. Zwischen den üblichen Anfeuerungen und Sprints über den Gang, der den lippenförmigen Fan-Pit vor der Bühne umschloss, war er immer wieder für einen Lacher gut, selbst wenn er über die Kontroverse um die Ticketpreise für die Show lästerte, die bei 90 Pfund anfingen (und bei Online-Weiterverkäufen auf mehrere tausend Pfund anstiegen).  „Everybody alright in the cheap seats?“ fragte Jagger einmal. Und stellte dann fest: „They aren’t so cheap though, are they? That’s the trouble . . . „

„What a year it’s been for British celebrations,“ witzelte Jagger später. „There was the Queen’s Diamond Jubilee . . . We didn’t do that. The Olympics . . . We didn’t do that. James Bond’s 50th anniversary . . . And we didn’t do the song for that either! But I’m so glad that we’re here and that you’re here.“

Richards – der augenscheinlich ganz zufrieden damit war, dass Wood einige seiner Gitarrenarbeiten übernahm – war in ähnlich spaßiger Laune. „It’s good to see you all“, grinste er, als er für „Before They Make Me Run“ und „Happy“ das Mic übernahm, und fügte dann hinzu: „It’s good to see anybody.“

Auch die übrigen Mitglieder gönnten sich ihren großen Moment. Einmal kostete Wood den Applaus dermaßen lange aus, dass sich Jagger zur scherzhaften Warnung genötigt sah, dass die Leute doch die letzte Bahn kriegen müssten. Drummer Charlie Watts hingegen trat nur hin und wieder an den Bühnenrand, um sich vor dem Publikum zu verbeugen.

Das Set endete mit einem unvergleichlichen Durchmarsch der Klassiker, inklusive „Start Me Up“, „Tumbling Dice“ und „Brown Sugar“, bevor sich Jagger einen düsteren Federmantel umlegte, um mit dem epischen „Sympathy for the Devil“ das Ende einzuläuten.

Nach einer kurzen Pause kehrten die Stones nicht bloß mit einem, sondern gleich mit zwei Chören für ein atemberaubendes „You Can’t Always Get What You Want“ auf die Bühne zurück, bevor der nun wirklich letzte Song „Jumpin‘ Jack Flash“ – den Richards mit seinen energetischen Riffs von der Bühnenmitte befeuerte – den Abend in einem lautstarken Singalong des Publikums ausklingen ließ.

Es stimmt: Selbst nach fünfzig Jahren konnten die Stones keine „Satisfaction“ erreichen – der Hit von 1965 war die auffälligste Lücke in der Setlist, obwohl er noch auf der Liste, die der Presse übergeben wurde, gestanden hatte. Aber als Jagger nach zweieinhalb Stunden und 23 Songs – noch immer joggend und munter seine Rasseln schüttelnd – die Bühne verließ, musste man den Stones zugestehen: Selbst bei diesen Ticketpreisen ist ihre Show noch immer jeden verdammten Cent wert!

Set list:

„I Wanna Be Your Man“

„Get Off of My Cloud“

„It’s All Over Now“

„Paint It, Black“

„Gimme Shelter“

„Wild Horses“

„All Down the Line“

„I’m Going Down“

„Out of Control“

„One More Shot“

„Doom and Gloom“

„It’s Only Rock and Roll“

„Honky Tonk Women“

„Before They Make Me Run“

„Happy“

„Midnight Rambler“

„Miss You“

„Start Me Up“

„Tumbling Dice“

„Brown Sugar“

„Sympathy for the Devil“

„You Can’t Always Get What You Want“

„Jumpin‘ Jack Flash“

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