Leben und Tod von Charlie Watts: Der Rhythmus der Rolling Stones

Leben und Tod von Charlie Watts, dem legendären Drummer der Rolling Stones

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Leben und Tod von Charlie Watts: Der Rhythmus der Rolling Stones

Charlie Watts, geboren am 2. Juni 1941 in London, war weit mehr als nur der Schlagzeuger der Rolling Stones. Mit seiner Eleganz, Zurückhaltung und Kontrolle über Rhythmus und Tempo wurde er zu einer Schüsselfigur in der Welt des Rock ’n’ Roll. Watts verstarb am 24. August 2021 im Alter von 80 Jahren und hinterließ ein bleibendes Vermächtnis.

Die Anfänge: Eine Kindheit in der Nachkriegszeit

Charles Robert Watts wurde in eine Arbeiterfamilie geboren. Sein Vater arbeitete als Lastwagenfahrer, und die Familie lebte in Wembley, einem Vorort von London. Die Nachkriegszeit war nicht einfach. Aber sie prägte Charlie Watts’ pragmatischen Ansatz im Leben. Die Herausforderungen des Alltags in einem von Entbehrungen geprägten Umfeld formten seinen Charakter und seine Arbeitsmoral.

Schon in jungen Jahren entwickelte Watts ein Interesse an Musik, insbesondere an Jazz. Sein erstes Schlagzeug war eine einfache Trommel, die er aus Teilen eines Banjo baute. Später bekam er ein gebrauchtes Schlagzeug geschenkt. Er wurde stark von Jazz-Größen wie Miles Davis, Charlie Parker und Thelonious Monk beeinflusst, die seinen Stil entscheidend prägten. Dieses Fundament sollte ihn später zu einem der gefragtesten Schlagzeuger seiner Zeit machen.

Seine Leidenschaft für Jazz führte ihn auch dazu, sich intensiv mit den Techniken der großen Schlagzeuger dieser Ära auseinanderzusetzen. Er verbrachte Stunden damit, die Werke von Gene Krupa und Buddy Rich zu studieren, die für ihre rhythmische Komplexität bekannt waren. Diese Disziplin und Hingabe legten die Grundlage für Watts’ unverwechselbaren Stil.

Der Weg zu den Rolling Stones

In den 1960er Jahren war die Musikszene in London in Aufschwung. Charlie Watts spielte in verschiedenen Jazzbands, darunter die Jo Jones All Stars, wo er sich als talentierter Schlagzeuger einen Namen machte. Seine erste professionelle Erfahrung sammelte er mit Alexis Korners Blues Incorporated, einer Band, die als eine der Keimzellen der britischen Blues- und Rockszene gilt. Dort traf er auf Musiker wie Mick Jagger und Brian Jones.

1963 stieß er zu den Rolling Stones, die gerade ihre ersten Schritte in der Musikszene machten. Mick Jagger, Keith Richards und Brian Jones erkannten sein Talent und überzeugten ihn, sich der Band anzuschließen. Watts war zunächst zögerlich, da er sich mehr als Jazzmusiker verstand, aber der lockere und experimentelle Stil der Rolling Stones bot ihm eine kreative Plattform. Sein unprätentiöser und präziser Stil passte perfekt zur Energie und Wildheit der Stones.

Mit seinem Einstieg wurde Watts zum Herzschlag der Band. Sein Stil, eine perfekte Mischung aus Zurückhaltung und Präzision, gab den Rolling Stones ihren unverwechselbaren Groove. Sein Schlagzeugspiel war nie überladen, sondern immer auf den Punkt, was ihn von vielen seiner Zeitgenossen abhob. Er verstand es, durch subtile Nuancen jedem Song eine besondere Dynamik zu verleihen.

Neben seiner Arbeit als Schlagzeuger brachte Watts eine beeindruckende visuelle Ästhetik in die Band. Er war bekannt für seinen eleganten Kleidungsstil und seine Liebe zu klassischer Mode, was ihn zu einer modischen Ikone machte. Seine stilvolle Präsenz auf und abseits der Bühne trug zur öffentlichen Wahrnehmung der Stones als rebellische, aber kultivierte Band bei.

Der Aufstieg zur Legende

Die Rolling Stones wurden schnell zu einer der größten Rockbands der Welt. Hits wie „(I Can’t Get No) Satisfaction“, „Paint It Black“ und „Jumpin’ Jack Flash“ prägten eine ganze Generation. Watts blieb trotz des rasanten Erfolgs der Band immer bescheiden. Er sah sich selbst nie als Rockstar, sondern einfach als Musiker.

Seine Arbeitsethik und seine Leidenschaft für Musik machten ihn zu einem unverzichtbaren Mitglied der Band. Er war bekannt für seine Fähigkeit, komplexe Rhythmen mit scheinbarer Mühelosigkeit zu spielen. Sein Spielstil wurde oft als minimalistisch beschrieben, aber diese Einfachheit war das Ergebnis von Perfektion und einem tiefen Verständnis für Musik. Er brachte eine einzigartige Stabilität in die Band, die oft von Chaos und Dramatik geprägt war.

Während sich andere Bandmitglieder wie Jagger und Richards oft im Rampenlicht bewegten, bevorzugte Watts eine Rolle im Hintergrund. Doch gerade diese Zurückhaltung machte ihn für die Dynamik der Band unverzichtbar. Er schuf den rhythmischen Rahmen, auf dem sich die anderen Mitglieder frei entfalten konnten.

Herausforderungen und Wandel

Das Leben in einer der berühmtesten Bands der Welt brachte auch Herausforderungen mit sich. In den 1980er Jahren kämpfte Watts mit Alkohol- und Drogenproblemen, konnte diese jedoch überwinden. Er sprach später öffentlich über diese schwierige Phase und wie sie ihn zu einem stärkeren Menschen machte.

Während seine Bandkollegen aber oft für Ausschweifungen bekannt waren, bevorzugte er ein ruhiges Leben mit seiner Frau Shirley, mit der er mehr als 50 Jahre verheiratet war. Die beiden lebten auf einem Anwesen in Devon und teilten eine Leidenschaft für Pferde. Shirley und Charlie waren berühmt dafür, misshandelte Tiere aufzunehmen und ihnen ein neues Zuhause zu geben.

Diese Liebe zur Natur und Tieren brachte Watts eine seltene Balance in seinem oft hektischen Leben. Freunde und Kollegen beschrieben ihn oft als einen der ausgeglichensten Menschen, den sie je getroffen hatten. Seine ruhige Art wirkte sich positiv auf die gesamte Band aus.

Spätere Jahre und musikalische Vielfalt

In den späteren Jahren seiner Karriere widmete Watts sich auch wieder vermehrt seiner Liebe zum Jazz. Er gründete das Charlie Watts Quintet und später das Charlie Watts Tentet, mit denen er Jazzalben aufnahm und auftrat. Er arbeitete mit einigen der renommiertesten Jazzmusiker der Welt zusammen und zeigte eine  Vielseitigkeit, die sein tiefes Verständnis für Musik unterstrich.

Trotz seines Engagements im Jazz blieb er bis zu seinem Tod ein aktives Mitglied der Rolling Stones. Selbst in seinen letzten Jahren spielte er mit unveränderter Leidenschaft und Energie, die seine Fans immer wieder begeisterte. Seine letzte Tournee mit den Rolling Stones, die Anfänge von „No Filter“, zeigte, dass Watts trotz seines Alters nichts von seiner musikalischen Brillanz eingebüßt hatte.

Charlie Watts’ Einfluss auf die Musik

Charlie Watts war ein Schlagzeuger, der weit über die Grenzen des Rock ’n’ Roll hinausging. Sein Einfluss erstreckt sich über Generationen von Musikern. Viele sehen in ihm den Inbegriff eines Schlagzeugers, der versteht, dass weniger oft mehr ist. Sein Spielstil inspirierte unzählige Drummer, darunter Großen wie Phil Collins, Dave Grohl und Stewart Copeland.

Er war ein Meister der Dynamik, der es verstand, jedem Song genau das zu geben, was er brauchte. Watts war nie daran interessiert, sich in den Vordergrund zu spielen, sondern sah seine Aufgabe darin, die Musik zu tragen und zu stützen. Diese Einstellung machte ihn zu einem der respektiertesten Schlagzeuger aller Zeiten.

Keith Richards hat einmal gesagt, dass sich die Rolling Stones, als sie gegründet wurden, keinen Drummer wie Charlie Watts leisten konnten, da dieser bereits der Schlagzeuger für Alexis Korners etabliertere Band Blues Incorporated war. Schließlich schafften es die Stones ihn für sich zu gewinnen und er fragte, ob er nicht beitreten könnte.

„Ihr seid schon ganz gut“, sagte Watts zu Richards, „aber ihr braucht einen richtig guten Drummer.“ Watts ergänzte Jagger, Richards und den Rest der Gang mit seinen swingenden Grooves („Brown Sugar“), den strammen „Four-On-The-Floor“-Rhythmen („Satisfaction“) und subtilem Impressionismus („Sympathy For The Devil“) ohne groß anzugeben, schlichtweg auf perfekte Art und Weise für mehr als 50 Jahre. „Als wir dann endlich Charlie hatten, war das für uns der Durchbruch“, so Richards. „Charlie kann wie verrückt hetzen und es fühlt sich dennoch lässig und gut an. Das ist sein Stil“, erinnert sich Jim Keltner in einem Interview mit „Drum!“ „Er selbst kann es nicht erklären und ich will auch gar nicht zu sehr mit ihm dazu ins Detail gehen. Ich bewundere es nur.“

Der Tod eines Giganten

Am 24. August 2021 verstarb Charlie Watts im Alter von 80 Jahren. Sein Tod markierte das Ende einer Ära, nicht nur für die Rolling Stones, sondern auch für die Musikgeschichte. Die Band, Fans und Musiker weltweit trauerten um einen der größten Schlagzeuger aller Zeiten. Watts’ Tod hinterließ eine Lücke, die schwer zu füllen ist.

Die Rolling Stones spielten weiter, aber Watts’ Abwesenheit war spürbar. .

Rolling Stones: Diese Worte von Charlie Watts waren tröstend für sie

Charlie Watts sprach klare Anweisungen aus, wie es nach seinem Tod mit den Rolling Stones weitergehen sollte. „Ich war bei Charlie, bevor er starb, und er sagte: ,Stellt sicher, dass Steve Jordan mich vertritt. Er hat meinen Segen‘“, erklärte Ronnie Wood in einem Interview mit „BBC“. „Das war wirklich tröstlich.“ Dem stimmt auch Keith Richards zu: „Das Gefühl, dass ich Charlies Wünsche erfülle, macht es ein wenig einfacher. Ich werde den Mann immer schmerzlich vermissen, aber ich weiß, dass er, wenn er heute hier wäre, sehr glücklich darüber wäre, dass die Band weitermacht.“

Mick Jagger, Keith Richards und Ronnie Wood reflektieren oft ihre Entwicklung innerhalb der Band nach Watts‘ Tod. „Seit Charlie weg ist, ist es natürlich anders. Ich meine, er ist die Nummer vier. Natürlich vermisst man ihn. Unglaublich “, gedenkt Gitarrist Richards seinen Bandkollegen. Doch der Schlagzeuger dachte voraus und sorgte für einen passenden Nachfolger. Keith Richards erklärt im Gespräch: „Dank Charlie Watts haben wir auch Steve Jordan, der Charlies Empfehlung war, falls ihm etwas zustoßen sollte. [Er sagte uns:] ‚Steve Jordan ist euer Mann.‘ Ohne Charlies Segen wäre es viel schwieriger gewesen, wissen Sie?“

„Es hätte die Rolling Stones auch ohne Charlie Watts gegeben, aber ohne Charlie Watts hätte es die Rolling Stones nicht gegeben“, so Keith Richards. Watts sei einer der herzlichsten Menschen gewesen, die er je getroffen habe und sei anderen gegenüber ausgesprochen tolerant gewesen. „Er hat mich sogar davon abgehalten, Leute zu ermorden“, erzählte er.

Ronnie Wood über Charlie Watts: „Wie ein Feuerwerk“

Auch Ronnie Wood erinnert sich gern an seinen verstorbenen Freund und Kollegen – und erklärt, wie es war, Schlagzeuger Steve Jordan ins Boot zu holen. „Charlie war wie ein Feuerwerk, und Steve ist wie ein Zug“, meint Wood. „Als Charlie den Stab an Steve Jordan übergab, war das ein ganz besonderer Moment“.

Wood erzählt auch davon, Watts‘ Todesnachricht bekommen zu haben: „Wir haben in Boston geprobt, als Charlie gestorben ist. Wir probten gerade, als wir die Nachricht hörten, und wir hatten einen Tag frei. Und wir dachten, Charlie wollte nicht, dass wir herumsitzen und Trübsal blasen. Wir haben uns sofort wieder an die Arbeit gemacht und weitergemacht – die Flamme am Leben erhalten.“