Destroyer

Poison Season

Eine mondäne, sinfonisch-romantische Großstadt-Erzählung: Dan Bejars staunenswertes orchestrales Meisterwerk

Der Sänger ist in Bangkok, und zu den filmmusikartig irisierenden Streichern und den Bläsern klimpert ein Piano vage orientalisch. „Like you, I’ve been around the world“, singt er gedehnt und lasziv. „Seen a million girls/ Worn a million pearls/ I’ve seen Bangkok.“ Und dann trompetet es irr: „So bring out your dead! Bring out the light! Bring out your red roses, too!“ Das ist der elfte Song auf diesem Album von Destroyer, der Dan Bejar heißt und seit mehr als zehn Jahren so sehr Geheimtipp ist, dass es nicht geheim blieb. Bejar stammt aus Vancouver, lebt jetzt aber in New York, weshalb er auf „Poison Season“ über den Times Square singt. Zwei Variationen, am Anfang und am Ende der Platte, heißen „Times Square, Poison Season“.

Es ist oft geschrieben worden, dass Bejar etwas mit David Bowie am Laufen hat, mit dem frühen Bowie der ersten Alben, die man als „versponnen“ bezeichnen kann. Destroyer macht aber eigentlich etwas, das Bowie mit seiner letzten Single, „Sue (Or In A Season Of Crime)“, versuchte: Jazz und schwelgerische Orchestermusik mit Poesie zu verbinden. Während Bowie aber Scott Walker nacheifert und also die Dekonstruktion, wenn nicht Destruktion anstrebt, ist Bejar ganz der späte Romantiker, der amerikanische Musicals und Vaudeville, Barry Whites „Rhapsody In White“ und Isaac Hayes’ „Hot Buttered Soul“ zusammendenkt. Angesichts der musikalischen Pracht, der Percussion und der tropischen Schwüle von „Poison Season“ könnte man auch sagen: Der brasilianische Schamane Marcos Valle arrangiert die Harlekin-Lieder von Momus. Und wenn wir schon bei New York sind: Bei „Dream Lover“ tönt ein Saxofon, das an Bruce Springsteens Großstadt-Epen „Rosalita“ und „Kitty’s Back“ erinnert. Das beschwingte Arrangement von „Hell“ beginnt mit Streichern und Trompete wie bei Michael Nyman oder dem Penguin Cafe Orchestra und steigert sich dann zu einem wirren sinfonischen Finale – in drei Minuten.

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Dan Bejar ist vielleicht der letzte Musiker seiner Generation, der kein bisschen an die digitale Moderne glaubt. Opulenz, Transparenz, Atem und schwebende Übergänge kennzeichnen die überwältigende Pracht von „Poison Season“, dieser mondänen Erzählung von der Magie der Welt. Während Blur von Asien im Modus des Heimwehs berichten, verzaubert Bejar den Times Square zu etwas Exotischem, Begehrenswertem, zu einer Sehnsucht. Man weiß zwar nicht, was es bedeuten soll, aber man wird es nicht wieder vergessen: „Careful now, watch your step, in you go/ The Ice Queen’s made of ashes/ The Ash King’s made of snow.“