111 Songs: Klaus Lage Band – „Faust auf Faust“

In der Rolling-Stone-Beilage: "Pop in Deutschland" haben unsere Autoren 111 Bands und ihre besten Songs zusammengetragen. Joachim Hentschel erklärt, warum „Faust auf Faust“ von der Klaus Lage Band einer davon ist.

Keinen anderen hätte Hauptkommissar Schimanski als Ratgeber und Einflüsterer akzeptiert: Klaus Lage, auf dem Höhepunkt seiner Popkarriere auch schon 35, abgebrochene Lehre als Baustoffkaufmann, erfolgreiches Erzieherstudium, Sozialarbeiter. Runder Mann mit runder Brille, der alles Robuste, Wehrhafte, Belastbare an der Rock’n’Roll-Musik symbolisiert, ihren konservativen Kern mitunter, eben auch ihre Weisheit. „Fang du jetzt bloß nicht an zu weinen, du spielst doch sonst so’n harten Mann“, rippenknufft Lage hier am Liedanfang den Sparringspartner, wie der Weihnachtsmann in Jeans, väterlich, immer wieder unterbrochen durch die quengelnde Gitarre von Sidekick Rolf Klein – es war die Zeit, als der sogenannte Deutschrock zum ersten Mal eine große Nummer war, die Musiker Jacketts trugen, oft Saxofone dabei waren, in allen Sendungen, von Dieter Thomas Hecks „Hitparade“ bis „Peter’s Pop-Show“.

Klaus Lage und seine Männer aus Berlin waren unter den Hitparadentauglichen die am wenigsten Modischen, am besten Geerdeten – weshalb sie in „Faust auf Faust“, dem Titelsong zum gleichnamigen Schimanski-Kinofilm, auch das Wortspiel mit der Kohle wagen konnten, dem subventionierten Zeug aus dem Ruhrgebiet und dem Schotter, mit dem sich die alten Freunde gesundgestoßen hatten. Das schreckliche Klischee vom Straßenköter mit Gefühl: Lage hat es so perfekt verkörpert wie kein anderer, weil er eben auch für die Liebe und die Wehmut gute Vokabeln hatte. Dass sein größter Hit, „1000 und 1 Nacht (Zoom!)“, etwas Überhang auf der emotionalen Seite hatte, mag ihn geärgert haben – mit dem Schimanski-Song brachte er alles zurück in Balance. „Sie will wie du auch zu viel wissen, auch ihr ist keine Spur zu heiß“, so muss die Frau sein, die den Kommissar zum Weinen kriegt. Eine Hymne auf den Pott, den ewigen Kampf der hard-working men. Und die gebrochenen Herzen am Ende der Bar.

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