9. August 1979: Nina Hagen im „Club 2“

In Zeiten, in denen bereits zu nachmittäglicher Talk-Stunde über wirklich alles geredet wird, mutet es beinahe rührend an, doch 1979 erhitzten sich daran die Gemüter: Nina Hagen hatte in der österreichischen Talkshow „Club 2“ kurz vor Mitternacht lediglich demonstriert, wie Frau während des Geschlechtsverkehrs Hand an sich legen sollte, um auch garantiert den Gipfel der Lust zu erklimmen. Der Titel der Sendung lautete „Was ist los mit der Jugendkultur?“, in Anbetracht der anschließenden Ereignisse drängte sich allerdings eine ganz andere Frage auf: Wie kann man all die Heuchelei, all die Bigotterie und all das reaktionäre Wir-wollen-unseren-Adolf-wieder-haben überhaupt ertragen? Fakt war, dass die deutschsprachige Boulevardpresse ansonsten dem Geschlechtlichen in Wort und Bild bekanntlich nicht abgeneigt – geiferte, was das Zeug hielt. Der Leserbrief-Lynchmob wütete über all den „Schmutz“, wollte Frau Hagen „ins Arbeitslager“ schicken das volle Programm also, und ein prima Pegelmesser dafür, welcher Wind 1979 noch wehte. Warum all die Aufregung? Um Sex, um „Obszönität“ ging es dabei nur vordergründig. Es war ein aggressives, zutiefst verunsichertes Spießbürgertum, das sich da zu Wort meldete, das beinahe dankbar war für einen konkreten Anlass, endlich einmal all seinen Hass heraus posaunen zu dürfen und dabei auf der „moralisch sauberen Seite“ zu stehen. Hass auf Punks, auf Rocker und Hippies, auf Jugendkulturen überhaupt, auf Toleranz, Lebensfreude und selbstbewusste Frauen, die niemals einen Orgasmus vortäuschen würden. Ein Opfer gab es auch: Moderator Dieter Seefranz, den man für sechs Monate vom Dienst suspendierte.

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