Kritik: Pixies in Berlin – Ziemlich muntere Zombies
Die Pixies spielen ihr bisher umfangreichstes Konzert der „The Night The Zombies Came“-Tournee. Euphorie löst sich mit Erstaunen ab.
29 Songs, mehr als bei den anderen „The Night The Zombies Came“-Konzerten, darunter neun vom Evergreen-Album „Doolittle“, alles für 60 Euro. Dieser Konzertabend der Pixies hätte viel schlechter laufen können. Er ist über weite Strecken sogar sehr gut.
Der einzige ausverkaufte Deutschland-Gig – und eine der größten Berlin-Shows der Band
Der Auftritt im Berliner Tempodrom ist der einzige ausverkaufte der drei Deutschland-Gigs. Und es ist ihre bislang drittgrößte Buchung in der Hauptstadt. Die drittgrößte nach dem Comeback-Konzert in der Wuhlheide 2004 (leider nicht ausverkauft gewesen, auch nicht mit tapferer Support-Unterstützung durch die damals schon zu Has-Beens abgestuften Franz Ferdinand und Ash) sowie in der Zitadelle Spandau 2016. Dass die Pixies ein derart langes Set spielen (wobei die meisten ihrer Lieder so kurz sind, dass sie in weniger als 90 Minuten durchkommen) ist auch ein Zeichen dafür, wie gut es ihnen hier geht.
Emma Richardson eröffnet und beschließt das Konzert
Der neuen Bassistin Emma Richardson (mehr als ein Jahr nach Eintritt in die Band noch immer etwas unsicher wirkend) gehören Anfang und Ende des Konzerts. Sie singt nun, anstelle von früher Kim Deal, das Lynch-Cover „In Heaven (Lady in the Radiator Song“) sowie das Schlussstück über den Eintritt ins Jenseits, „Into The White“. Song zwei ist sogleich ein Pixies-Hit, es entsteht das Gefühl, als würden Pavement ihren Abend mit „Cut Your Hair“ starten oder die Rolling Stones mit „(I Can’t Get No) Satisfaction“: „Here Comes Your Man“. Das Lied eröffnet mit dem berühmten „Hard-Day’s-Night-Akkord“, der auch eine Ansage dafür sein kann, dass nun erst Recht Arbeit ansteht (das Intro vom Tape war sogar „Young and Joyful Bandit“ von Arbeit).
Klassiker vs. „The Night The Zombies Came“
Die Pixies gelten als Erfinder der „Loud-Quiet-Loud-Dynamik“, die streng genommen Quiet-Loud-Quiet heißen müsste. Umso erstaunlicher, wie sanft viele Zwischentöne sind. Die ersten acht Lieder spielt zumindest Black Francis, also einer der zwei Pixies-Gitarristen, auf einer akustischen Gitarre. Ruhig wird es im Saal eher, wenn die neuen Lieder angestimmt werden. Unangenehm ruhig. Nach dem dramatischen, von Bob Lazar und dem KLAS-TV-Interview inspirierten „Motorway To Roswell“ kommen Songs wie „Chicken“ und „The Vegas Suite“, und es herrscht sofort Grabesruhe im Tempodrom.
Die neuen Lieder von „The Night The Zombies Came“ sind nicht misslungen, nur sind sie, abgesehen vom Gothic-Wiegenlied „Jane“, einer Hommage an The Jesus and Mary Chain, keine Pixies-Pixies-Songs. Sondern klassisch-launige Frank-Black-Pixies-Songs der späteren Bandphase. Es ist bewundernswert, wie stoisch Black Francis dieses Material bewirbt. Es sind am heutigen Abend gleich acht „Zombies“-Stücke.
Wenn Joey trifft, wird’s magisch – wenn nicht, wird’s traurig
Die Güte von Pixies-Konzerten hängt seit einigen Jahren allerdings von nur noch einem der vier Pixies ab: Joey. Leadgitarrist Joey Santiago ist einer der besten Gitarristen der Welt. Und es stört ihn null, dass er in der ROLLING-STONE-Liste der 250 besten Gitarristen aller Zeiten keine Erwähnung findet. Er hat mir, darauf ansgesprochen, ins Gesicht gelacht, und das war große Klasse. Aber wenn er seine Einsätze verpasst, und er muss aufgrund seines sparsamen Spiels oft auf Einsätze achten, dann wird es traurig. „Havalina“, jene himmlische Ode an das Pekari-Schwein in der Wüste Arizonas (doch, davon handelt das Lied wirklich) war missraten: Der Morricone-Slide, das Delay, Reverb … viele Verspieler und auch sonst oft neben der Spur.
Live besser als auf der „Record Store Day“-Platte
Dabei spielen die Pixies am heutigen Abend viel, viel besser als auf ihrem aktuellen, zum Record Store Day erschienenen Album, das ihre „Bossanova“ /„Trompe le Monde“-Tournee aus dem vergangenen Jahr dokumentiert. Eine mit sagenhafter Fahrlässigkeit rausgehauene Live-Platte, wie sie es sich eine Band ihrer Größe nicht leisten dürfte. Black Francis verwechselt darin Strophen, Joey die (angezählten) Einsätze, Richardson versagt bei den „Aaahs“ in „The Navajo-Know“ die Stimme. Gerade vom „Trompe Le Monde“-Album, das inoffiziell als erstes Soloalbum des Black Francis firmiert, ist die Band nicht begeistert. Das spiegeln auch die Live-Fassungen auf dem Album wider.
Finale mit Wucht: „Cecilia Ann“, „Tame“, „Debaser“
Trübsal, Ödnis, Fahrigkeit, das kommt, wie erwähnt, heute im Tempodrom trotzdem seltener vor. Eine sehr intensive letzte Viertelstunde. Auf „Cecilia Ann“ folgt „Tame“ (für das die Pixies, würden sie es heute veröffentlichen, gecancelt würden), und darauf folgt „Debaser“.
Kein Smalltalk, nur Musik: Black Francis hält sich zurück
Black Francis macht keine Ansagen, der Text von „Mr. Grieves“ spricht für ihn: „Hope everything is all right“ singt er – alle jubeln. „I said I hope everything is all right?“ – Jubel. „Do you have another opinion?“. Natürlich nicht. Keine andere Meinung. Die Pixies haben alle Hits gebracht, und wir haben die neuen Songs in Kauf genommen.