Staatenlose Songs

AS CAFÉ LE BASILE IN der Nähe der Pariser Hochschule Sciences Po ist ein klassischer Sehnsuchtsort. An der Wand hängen Fotos von Dylan und Jagger, Nachwuchsbands finden hier erste Auftrittsmöglichkeiten. Eine Ahnung vom West Village in Saint-Germain-des-Prés. Pauline Thomson und Clémence Gabriel haben sich hier über ihren gemeinsamen Musikgeschmack gefunden. Folk, Blues und die frühen Stones. Aus den Vorlieben ihrer Jugend entstehen Coverversionen. Sie machen einfach drauflos. Anfangs mit wechselnden Musikern, doch als Bassistin Théodora de Lilez Ende der Nullerjahre dazukommt, steht die Frauenband. „Bei unserem ersten Versuch als Monsieur S hatten wir noch französische Texte, doch letztlich funktionierte das nicht“, sagt Sängerin Clémence Gabriel. „Alle Songs, die uns inspirierten, sind auf Englisch. Es ist einfach unsere Welt, selbst wenn wir aus Paris kommen. Am Ende ist englisch zu singen auch eine Verweigerung gegen die gefühlte Pflicht, französisch zu singen.“

Ein Wechselspiel, das zu ihrem Markenzeichen wird: Mit dem Bandnamen Théodore, Paul & Gabriel (TPG) tauschen sie ihre Identität. „Damit stiften wir offenbar Verwirrung. Zumindest in Frankreich kann man so leicht herrschende Muster sprengen: Drei Pariserinnen, die englisch singen und sich Männernamen zugelegt haben, scheint Krawall genug zu sein“, sagt Paul(ine). All das passt zu ihrem spröden Erscheinungsbild auf der Bühne. Französische Niedlichkeit ist ihre Sache nicht. Clémence mit ihrer herb-heiseren Janis-Joplin-Stimme und die reduzierte Performance von Théodore und Paul verorten sie im Singer/Songwriter-Lager.

Dafür nehmen sie gerne in Kauf, Einzelkämpferinnen zu sein. Weder das gängige „French Touch“-Klischee spülte sie nach oben noch der Nouvelle Chanson oder der umtriebige Pariser Indie-Underground. So hat es drei Jahre gedauert, bis aus der gemeinsamen Leidenschaft erste Platten entstanden sind. TPG schöpfen ganz selbstverständlich aus einem konservativen Ansatz. Dabei vergisst man fast, dass sie gerade mal Mitte zwanzig sind. Die EP „Silent Veil“ und das Album „Please Him, Please Her“ sind analoge Folk-Rock-Versionen aus verschiedenen Epochen. Nach vorne gemischte Gitarrenklänge treffen auf softrockige Harmonien à la Fleetwood Mac und die Melancholie von Simon &Garfunkel. Ein Ansatz, der ihnen in Frankreich einen fast schon glamourösen Outsider-Status eingebracht hat. Auch die dortige Mode- und Fernsehwelt zeigt sich überaus entzückt.

Was sie nicht davon abhält, international auf die anstrengende Ochsentour durch die kleineren Clubs zu gehen. In Deutschland reichen vorerst auch Auftritte in Plattenläden oder eine Abendkasse mit 50 zahlenden Zuschauern. „In Paris kommen dagegen schon mal 1.500 Leute. Doch wir mögen dieses Leben. Schließlich ist es der Anfang eines Traums.“ Dabei wünscht sich Clémence Gabriel den Status von Daft Punk: Musiker aus Frankreich, die selbstverständlich als internationale Popstars akzeptiert werden. Ohne lästige Verweise auf Sprache, Herkunft und nationale Traditionen. „Das ist ideal: Sie sind staatenlos, alterslos und haben keine Gesichter. Man gehört der ganzen Welt. Das ist doch das Wichtigste, wenn man Rock’n’Roll macht.“

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