Xavier Naidoo

Telegramm für X

Eine Lobpreisung des Moments, leider zu antiseptisch produziert

Dankenswerterweise hat Jürgen Ziemer ja schon in der letzten Ausgabe dieses Magazins gesagt, wie man Xavier Naidoo eigentlich sehen soll: als sehr guten, inspirierten Soul-Sänger, wie Deutschland kaum welche hat. Und also nicht als „Jesus der Hitparaden“, dem man mit simpler Rhetorik gleich beikommen könnte. Es kann ja auf Dauer nicht sinnvoll sein, reflexartig zu schimpfen und mit Ironie zu spucken, bloß weil man das Pastorale, Inhaltsbetonte Naidoos nicht recht ausstehen kann. Die Bewertungskriterien überprüfen! Dann wird das Urteil gerechter.

Auch auf „Telegramm für X“, dem dritten Soloalbum Naidoos, sind gute Lieder: Der Opener „Und“ schwebt auf einer Art TripHop-Arrangement aus einem wabernden Gitarren-Sample und traumverschwommener Geräuschkulisse. Naidoo sieht jemanden wieder, endlich, und freut sich über das innige Miteinander. Die Andeutungen, das Fließende, aus der Situation Entspringende – es sind solche Dinge, die „Telegramm für X“ prägen. „Ich schreib dir Zeilen aus Gold/ Ich schreib aus meiner Seele/ Ich hab nur zeigen wollen/ Was hier passiert“, wird einmal gesungen, aber das ist nicht Rechtfertigung, sondern Bestandsaufnahme – man bekommt fast den Eindruck, Naidoo habe eine Platte machen wollen, die weniger den konzisen Song und mehr den Moment lobpreist. Ein Durchatmen vielleicht, bevor neue Ziele definiert werden können. Vielleicht!

Was allerdings nach wie vor an den Platten Naidoos stört, ist die kühl antiseptische Rechnerästhetik der Aufnahmen, die irgendwie im Gegensatz zum durch und durch verinnerlichten Soul in Naidoos Stimme steht. Das ist natürlich eine Frage der musikalischen Sozialisation, aber etwas mehr Leben müßte doch gehen! Man würde dann die Tiefe des von einem Asia-Sample getragenen „Dieser Weg“ klarer erkennen und die Inbrunst des auf einem zerpflückten Programming torkelnden „Abgrund“ besser nachfühlen können.

Naidoo gibt sich übrigens nicht nur beim Singen Mühe: Dem Album beigelegt ist eine DVD mit den Videos zum Album, Live-Mitschnitten und sonst welchen Extras. Alles für den Herrn!