Leidenschaft – das ist, was für mich zählt

Gibt es in Deiner Sammlung eine Platte, die total uncool ist, die Deine Freunde nicht mit der Zange anfassen würden – und die Du trotzdem liebst?

Hm…eigentlich mag ich alle meine Platten; die wirklich schrecklichen, sowas wie „The Wombles Greatest Hits“, hab ich schon Vorjahren entsorgt. Was allerdings immer noch bei mir rumsteht, sind diese alten Kitsch-Orgien von Leuten wie dem Percy Faith Orchestra. Kennst Du „Theme From A Summer Place“?

Absolut sülzige Instrumentalmusik, die sie in den 50er und 60er Jahren im Kino spielten – sinnentleert, aber schön. Läßt mich an Sonnenschein und blauen Himmel denken.« A propos blauer Himmel: Rock’n‘ Roll gilt gemeinhin eher ab urbanes Ausdrucksmittel; Van Morrison und Neil Young zählen zu den wenigen Rockmusikern, die das Leben hinter den Bergen thematisieren. Du auch?

Wenn ja, dann hat es was mit meiner Liebe fürs Landleben zu tun. Die Trennung von meiner Frau Dee, so traurig sie war, hatte zumindest den positiven Nebeneffekt, daß ich London verließ und in eine ländliche Gegend gezogen bin. Als Teenager war ich total scharf drauf, nach London zu kommen, und irgendwie mag ich die Stadt ja immer noch. Aber ich brauche auch die Ruhe auf dem Land, weil ich dort eher erkenne, wie unwichtig viele Dinge im Grunde sind. Das gilt ganz besonders für das Musikgeschäft.

Welcher Song auf“Heary Soul“ hat sich vom ersten Demo bis zum endgültigen Mix am meisten verändert?

Eigentlich keiner. Es sind keine first takes, aber wir haben versucht, das Album so live und rauh wie möglich klingen zu lassen. Wir haben eine Menge geprobt, so daß die Songs nach und nach Gestalt annehmen konnten. Für mich war ziemlich bald klar, daß „Heavy Soul“ das Stück ist, um das sich alles dreht. Ich mag die mächtigen, offenen Akkorde, irgendwie melancholisch, aber ganz sicher auch kraftvoll.

Wie ist es erklärbar, daß Du selbst nach einer mehr ab 20jährigen Karriere noch so verbitterte Zeilen gegen die Plattenindustrie herausschleuderst, wie das in „Plugging back in on Friday Street“ offensichtlich der Fall ist?

Ich war eben down, als ich das schrieb. Es ist ein trotziger Song, ein JFuck you!“ an die Adresse der Zyniker. Die Zeile „I can’t be beaten and I can’t be bought“ auf „Heavy Soul“ drückt dieselben Gefühle aus: Trotz, Stolz, Unabhängigkeit, Leidenschaft. Scheiß auf die Zyniker, scheiß auf die Plattenfirmen. Ich hatte bekanntlich im Vorfeld von ,Jieavy Soul“ einigen Ärger, weil das Label Go Discs von PolyGram übernommen wurde™ …jene Firma, die das letzte Style Council-Album ablehnte, um Dich ’89 zu feuern. Es muß ein Nackenschlag für Dich gewesen sein, bei Go Discs zu unterschreiben – und dann doch wieder bei PolyGram zu landen.

Genau. Als ob man ein zweites Mal von demselben Sklavenhalter gekauft wird. Ich hätte mich durch einen endlosen Prozeß vielleicht da rauswinden können, aber dafür ist das Leben zu kurz. So was kann zwei Jahre dauern, und ich wollte doch, daß das Album rauskommt.

Gab es andere Einflüsse, auch musikalische, die Dich bei den Aufnahmen zu Jieavy Soul“ inspiriert haben?

„Peacock Suit“ zum Beispiel entstand, nachdem ich wieder mal Wilson Picketts „Mustang Sally“ gehört hatte. Ich spielte das Stück der Band vor, als wir „Peacock Suit“ aufnehmen wollten. Die hatten das zwar auch schon millionenmal gehört, aber ich wollte sie an die Intensität des Songs erinnern, an die Spannung zwischen Baß und Schlagzeug. Was mir vorschwebte, war eine moderne -Stax“-Version – diese Vibes aus den Sechzigern. Auf dieses Zeug steh ich immer noch total, der R&B der späten Sechziger ist unschlagbar.

Wirklich unfaßbar, wie sie damab mit primitivsten Mitteln einen derart tollen Sound zustande brachten – und daß es bis heute niemand geschafft hat, diesen Sound erfolgreich zu kopieren.

Geht auch gar nicht. Der Sound ist nun mal ein Produkt der damaligen Zeit. Solche Sachen haben ein Verfallsdatum. Wenn heute jemand versucht, den Motown-Sound zu kopieren, klingt das gräßlich. Diese alten Soulbriider spielten einen Gig nach dem anderen, manchmal fünf Sessions oder Konzerte pro Nacht, Wo findet man heute noch so viel Leidenschaft, soviel Können und Engagement? Außerdem sind die alten Motown- und Stax-Alben längst nicht so überladen wie heutige Aufnahmen, bei denen zu viele Spuren mit zu viel Ballast befrachtet werden.

Natürlich hatten sie damals auch ihre kleinen Tricks. Bei Motown wurde zum Beispiel die Kickdrum am Boden festgenagelt, so daß sie bei jeder Session exakt am gleichen Platz stand und exakt denselben Sound lieferte. Heutzutage geben sich die Leute in den Studios die Klinke in die Hand, jeder bringt sein eigenes Equipment mit, und beim Aufbauen muß alles ruckzuck gehen.

Trotzdem bin ich froh, daß es Motown und Stax nicht mehr gibt Wäre es nicht deprimierend, wenn sie bis in alle Ewigkeit die gleichen Platten machen würden? Man muß sich damit abfinden, daß manche Sachen mit ihrer Zeit leben und sterben.

Man hat Dir im Laufe der Jahre auch in den Medien übel mitgespielt. Mal wurdest Du ab Mod-Vater gefeiert, dann wieder in die Pfanne gehauen – oft genug von denselben Leuten!

Die springen halt gern auf den fahrenden Zug. Du bekommst eine schlechte Kritik – und die anderen Meinungsmacher hängen sich einfach dran. Dasselbe ist Oasis mit „Morning Glory“ passiert, auch wenn man sich das inzwischen nicht mehr vorstellen kann. Als das Album rauskam, waren die Kritiken in der englischen Presse eher lau. Keiner hielt es für besonders bemerkenswert, doch als die Vericaufszahlen anzogen, waren sie auf einmal hell begeistert. Was soll’s. Ich mach trotzdem weiter. So lange genug Leute meine Platten hören und sie mögen, soll’s mir recht sein. Natürlich hat das Ganze auch etwas mit Timing zu tun, nicht? Wenn man dieselbe Platte zu einem völlig anderen Zeitpunkt rausbringen würde, würde das Publikum natürlich auch anders reagieren. Stell dir vor, Nirvanas^^VenenrnWwäre während der 70er Disco-Welle erschienen kein Hahn hätte danach gekräht.

Ein kritisierter Sportler kann immer noch sagen: J^eck mich am Arsch! Lauf doch schneller, wenn Du kannst!“ Wie reagiert ein Musiker? Steht man über den Dingen, wenn man so viele große Songs geschrieben hat wie Du?

Der erste wirkliche Hammer kam, als Polydor sich weigerte, meinen Vertrag zu verlängern. Damals war ich gerade 30 geworden, hatte ein Kind, brauchte Geld, mußte mein Studio verkaufen« Das tat weh, und für eine Weile verlor ich die Orientierung. Mittlerweile weiß ich wieder, was ich erreicht habe. Und es ist nun mal Tatsache, daß ich 20 Jahre nach meinem ersten Album immer noch im Ring stehe, während viele der zynischen Arschlöcher, die mich fertiggemacht haben, schon längst k.o. gegangen sind.

Abgesehen davon ist es gar nicht so schlecht, wenn man ab und zu Selbstzweifel hat, weil erst die einen dazu bringen, neue Wege auszuprobieren. Ein Künstler, der nie an sich selbst zweifelt, wird irgendwann zu einem arroganten Schnösel, der nur noch auf seinem Arsch sitzt und rumprahlt, was er schon alles gemacht habe. Ich hab keinen Bock, für den Rest meines Lebens hier zu hocken und meine Goldenen Schallplatten anzustarren!

Gibt es unter den Musikern Deiner Generation auch Kollegen, die Du ab seelenverwandt einstufen würdest?

Nein, das hat mich schon oft gewundert. Natürlich gibt es Leute, deren Musik mir gefallt, aber die sind entweder viel jünger oder viel älter als ich. Die Musiker meiner Generation taugen nichts, finde ich. Selbst Leute, die früher mal toll waren, wie etwa Joe Strummer oder der gute alte Johnny Rotten, haben resigniert oder sind abgedriftet. Ziemlich traurig, was? Nein, wenn überhaupt jemand auf meiner Wellenlänge liegt, dann entweder alte Hasen aus den Sechzigern oder die junge Generation, solche Leute wie Noel Gallagher oder Steve Craddock von Ocean Colour Scene.

Zur ersten Kategorie gehört übrigens auch Robert Wyatt. Hast Du sein neues Album gehört? Er hat ein Style Council-Stück gecovert, „The Whole Point Of No Return“, aber das beste Stück ist „Last Will and Testament“. Sehr bewegend.

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