Konzertbericht

“You wanna hear another song or what?” – So war’s bei Tame Impala im Kesselhaus Berlin

Am Dienstag (01. September) traten Tame Impala im Rahmen der Lollapalooza-Warm-Up-Party im Berliner Kesselhaus auf – ROLLING STONE war dabei.

Während auf der Bühne noch ein Spektakel der Scheinwerfer tobt, stapft die Band die Treppen des Backstage-Bereichs hinunter und macht sich bereit. Die sich außer Kontrolle drehenden Lichter auf der Leinwand samt bedeutungsvoll anschwellender Musik verkünden stolz, dass nun eine Show folgt und kein Konzert, ein Schauspiel und kein Auftritt. Die Erwartungen sind hoch, es handelt sich schließlich um Tame Impala; die Band, die mit “Currents” eines der besten Alben des Jahres geschrieben hat und in den einschlägigen Szeneplattformen des guten Geschmacks begehrt ist wie gerade keine Zweite.

Die zitternden Lichter sind zur Ruhe gekommen und Tame Impala betreten unter Beifall die Bühne. Nach einem kurzen musikalischen Intro, das primär seinen Zweck als aufwärmende Fingerübung erfüllt, steigen sie ein in “Let It Happen”. Das Lied, das auch das neue Album eröffnet, ist eigentlich mitreißender Psych-Pop mit treibendem Disco-Beat, in der Live-Version bleibt es an diesem Dienstagabend aber erstaunlich kalt. Das Spektakel, das die vollmundige Lichtshow vor Beginn versprach, lässt noch auf sich warten. Liegt es vielleicht an der Veranstaltung, dass der Funke nicht so recht überspringen will? Im kleinen Kesselhaus der Berliner Kulturbrauerei sind nur geladene Gäste im Publikum – glückliche Gewinnspielteilnehmer und Industriefiguren – und die Stimmung ist wohlwollend und eher zurückhaltend. Kevin Parker, der Frontmann der Band, ergreift früh am Abend die Mitklatsch-Initiative, lässt es aufgrund fehlender Bereitschaft seitens der Zuhörer aber gleich wieder bleiben. Ein zweites Mal versucht er es nicht.

Parker und seine Live-Begleiter sind mittlerweile Routiniers, haben sie in den letzten Jahren doch einige Hundert Konzerte gespielt. Die sichere Kompetenz, mit der sie alte Stücke wie “Elephant” und “Alter Ego” meistern, überrascht also nicht – die Mühen, die insbesondere Parker mit den neuen Liedern hat, dafür umso mehr. Der Studiomagier Parker ist kein geborener Sänger, die Höhen von “Let It Happen” bereiten ihm im Konzert sichtlich Schwierigkeiten. Dennoch: Die Bühnenfassung des hymnischen “Eventually” ist mit ausgedehntem Jam-Outro sogar eine Optimierung des fantastischen Album-Tracks, und auch “The Less I Know The Better”, von Parker einmal treffend als white boy funk bezeichnet, funktioniert live glänzend.

Nach “Apocalypse Dreams” vom Album “Lonerism” (2012) verlässt die Band die Bühne; an diesem Punkt im Verlauf eines Konzertabends würden üblicherweise Rufe nach einer Zugabe laut werden. Nun ist Parker einer von diesen Gitarristen, die ihre Effektgeräte nach Ende der regulären Setlist angeschaltet lassen und ruckelnde Störgeräusche auf Endlosschleife bringen, bis schließlich das erste Lied der Zugabe beginnt. Der Lärm von der Bühne entlässt das Publikum hier aber aus seiner Pflicht, nach einer Zugabe zu rufen; es bleibt also eher still im Zuschauerraum, dann gehen auch noch die Saallampen an, das Konzert scheint vorbei. Tame Impala betreten scheinbar irritiert wieder die Bühne, Parker stellt klar: “And we’re back!” Es ist ein exemplarischer Moment für einen Abend voller Wohlwollen, aber mit wenig echter Begeisterung. “You wanna hear another song or what?”, witzelt der sympathische Parker und es scheint fast, als sei diese Frage nicht ganz rhetorisch gemeint.

Eine abschließende Bemerkung: Die Dichte an Smartphones in den vorderen Reihen war von einem erschreckenden Ausmaß. Jede unerwartete Bewegung Parkers wurde dutzendfach dokumentiert; wohl auch deshalb konnte sich kein Momentum einstellen. Der Autor dieser Zeilen hat den Konzertabend übrigens ganz altmodisch mit Hilfe der angeborenen Sinnesorgane erlebt. Die Bildauflösung war fantastisch.

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