Beatsteaks abroad! Mit den Berlinern beim Auswärtsspiel auf dem iTunes Festival in London

Wie funktioniert ein heimisches Phänomen wie die Beatsteaks eigentlich vor internationalem Publikum? Daniel Koch war in London dabei und sprach mit Arnim Teutoburg-Weiß über das Touren außerhalb des sicheren Hafens.

London. Camden.  Chalk Farm Road. Vor dem Roundhouse. Es ist früher Nachmittag. Unter dem Banner des iTunes-Festivals, das den kompletten Juli im Roundhouse residiert, findet an diesem halb sonnigen, halb grauen Sonntag ein Konzert der Beatsteaks statt. Der Eintritt ist frei – sofern man sich per iTunes-Festival-App um Tickets beworben und dabei gewonnen hat. Die Konzerte werden aufgezeichnet und wenige Tage später exklusiv bei iTunes angeboten. Auf dem Plakat über dem Eingang befinden sich die Beatsteaks in guter Gesellschaft: Paul Simon war schon da, Beady Eye, Adele – nur einen Tag später spielen die Foo Fighters. Für die Beatsteaks ist diese Show eine große – selbst wenn sie im kleinen Studio des Roundhouse stattfindet, das nur rund 200 Zuschauer fasst. Warum dem so ist, dürfte klar sein: Das iTunes-Festival genießt nicht nur dank des großen Namens mit dem kleinen Anfangsbuchstaben internationales Renommee und ist eine wunderbare Visitenkarte für das internationale Publikum. Und: Es ist ein Auftritt vor englischsprachigem Publikum, was wohl die Königsdisziplin für eine deutsche Band ist, die vornehmlich auf Englisch singt – gerade weil im Ausland eher deutsche Bands geschätzt werden, die überdeutsch singen (Rammstein), Schwachsinn singen (Scooter) oder einfach selten singen (Kraftwerk). Dafür ist man 24 Stunden per Tourbus angereist – was Sänger Arnim Teutoburg-Weiß später im Interview lächelnd als „Irrsinn“ bezeichnen wird.

Und wie fühlte man sich nun bei einem iTunes-Festival-Auftritt in einer Londoner Traditions-Location?
Arnim Teutoburg-Weiß: Ehrfürchtig. Aber dass wir in kleinen Läden vor Leuten stehen, die uns noch nicht gleich abfeiern und die man sich erst erspielen muss – diese Disziplin lieben wir. Das ist auch nicht anders wie Konzerte in Stockholm oder Glasgow. Wir haben ja immer mal wieder kleinere Dates im Ausland. Schwierig war aber eher das Wissen, dass das Konzert aufgenommen wird. Normalerweise gehen wir ja schon ziemlich drauf auf die Leute. Und heute überlegten wir die ganze Zeit, ob wir das lieber schön aufgenommen haben wollen – und deshalb mal nicht so wild ist.

Dass diese Frage an ihnen nagte ist zumindest Arnim deutlich anzusehen. Sonst der grinsende Derwisch, der die Meute in einer deutschen Arena schon mit dem ersten Song packt, glaubt man auf dieser kleinen Clubbühne, die so gerade die fünf Beatsteaks fasst, einen kleinen Rotschimmer in seinem Gesicht zu sehen. Auch sein sonst so einnehmendes Grinsen saß ein paar Akkorde lang recht schief. Also, Hand auf’s Herz:

Wie nervös warst du in diesen ersten Minuten?
Arnim Teutoburg-Weiß: Ziemlich nervös natürlich. Aber wenn man nicht nervös wäre, dann wäre doch irgendwas falsch. Und diese Stunde – die zählte. Aber so ist es bei uns immer beim Live-Spielen – darum geht’s. Man weiß nie, was einen erwartet. Aber das ist auch in Deutschland so. Es ist nicht, dass wir sagen: „Ach, Köln…“ (winkt ab), sondern immer eher so, dass wir denken: „Woahhh, Köln!“ (schüttelt die Faust). Unser Vorteil ist, dass wir nicht so verwöhnt sind. Nimm zum Beispiel die Foo Fighters, die morgen hier spielen. Bei denen ist es egal, in welchem Land sie die Bühne betreten – die werden überall frenetisch bejubelt.  Wir spielen dann eben mal im kleinen Rahmen das iTunes Festival – und fühlen uns bloß zuhause manchmal wie die  Foo Fighters (lacht). Bei uns ist es eben nicht so, dass das Bett gemacht ist. Auch nach 13 Jahren in der Band ist da alles unter Spannung.

Dementsprechend gehen sie auch die Show im Roundhouse an. Die Frage, ob man mal „nicht so wild macht“, wird ab dem zweiten Song über Bord geworfen, kurz darauf ist Arnim dann auch zum ersten Mal im Publikum. Die anwesenden Engländer, die vielleicht bei einer Textzeile wie „Standing naked before the crowd“ mal kurz schmunzeln, scheinen spätestens ab diesem ersten Publikumsdurchritt das zu unterschreiben, was so vollmundig auf der englischen Festivalwebsite stand: „The Berlin-based alternative heroes, having just released their pulsating sixth album, Boombox, will surely set the London stage on fire. Prepare to become a believer.“ Wie Arnim da mit rudernden Armen und Hüften durch die ersten Reihen streift, „Cheap Comments“ singt, die paar hysterisch mitsingenden Fans anscharwenzelt und verdutzten Engländern ins Gesicht grinst – das kann man nicht in ein MP3-, pardon AAC-Format komprimieren. Dennoch verlassen sich die Beatsteaks nicht auf ihre offensichtlichen Hits für die großen Hallen wie „Hand In Hand“ oder „I Don’t Care As Long As You Sing“, sondern knüppeln sich auch mal durch Frühwerk – z. B. im Song „Different Ways“. Auch ihre Verneigung vor den Kollegen von Turbostaat bleibt in der Setlist: „Frieda und die Bomben“ wird wie immer von Bernd Kurtzke konsequent in die ersten Publikumsreihen gebrüllt.

War es geplant, dass eure Setlist immer wieder mal von Pop zu Brüllen und Knüppeln kippte?
Arnim Teutoburg-Weiß: Natürlich. Das ist ja das Schöne, dass wir aus sechs Alben das rauspicken können, was gerade passt oder nicht passt. Wir wollen unberechenbar bleiben. All unsere Lieblingsband sind das. The Clash, Beastie Boys, Magnetic Fields.

Das knapp einstündige Set lebt dabei nicht nur von Arnims Fronteinsatz, sondern ebenso durch die positive Spannung in der Band, die Arnim auch im Interview anspricht. Kurtzke und zweiter Gitarrist Peter Baumann posen in jedem Song duellierend und werfen sich Grimassen zu. Bassist Torsten Scholz richtet sein Grinsen immer wieder auf das Bandmitglied, das ihn gerade am meisten zu amüsieren scheint und Peter Baumann ist das Tier am Schlagzeug, dessen Haare man schon nach zwei Songs auswringen kann.

Zeitweise sah es so aus, dass ihr – nach den ersten nervösen Minuten – fast mehr Spaß hattet als sonst. War dem so?
Arnim Teutoburg-Weiß: Ja, wir haben einen anderen Spaß als beim Heimspiel, aber es macht genausoviel Laune. Und man weiß ja nie, was passiert, gerade wenn man sich den Gig im Vorfeld nicht richtig ausmalen kann. Neulich haben wir in Tschechien gespielt und uns im Vorfeld geradezu Sorgen gemacht – und plötzlich standen da 3000 Leute vor uns, und nicht die erwarteten 300. Und die haben richtig Gas gegeben. Aber das ist ja auch der Reiz am Touren, egal ob daheim oder im Ausland. Gibt auch Abende, an denen wir von der Bühne gehen und denken: „Ach, nö…“

Heute war anscheinend keiner dieser „Ach, nö…“-Abende. Die Band ist zwar erschöpft, aber gut gelaunt im Backstage-Bereich des Roundhouse. Während Peter Baumann mit einer Kollegin ein Tischtennis-Match bestreitet, scherzt Bernd Kurtzke: „Ja, ja – jetzt endlich wollen also auch die Herren vom ROLLING STONE mal mit uns reden.“ Ein Witz mit einer Prise Wahrheit – denn tatsächlich haben viele Medien die Beatsteaks erst goutiert, als sie plötzlich immer wieder aus dem Stand in die Top 10 sprangen und dank ihres formidablen Live-Rufs auf Festivals und auf ihren Touren beachtliche Zuschauermassen mobilisierten. 

Eben hat dich ja sogar ein Kollege von Focus Online interviewt. Wie steht ihr eigentlich zu der Tatsache, dass erst in den letzten Jahren auf einmal alle was von euch wollen?
Arnim Teutoburg-Weiß: (lacht) Kommt auf die Anfrage an und wie sie gestellt wird. Aber eigentlich gibt es bei uns nur die Abmachung, dass wir außer mit dem Bundeswehrmagazin oder der BILD-Zeitung mit allen reden – vom Punkerblatt bis zum Rolling Stone oder eben mal mit dem iTunes-Heft. Wir sind da nicht so die kategorischen „Nee“-Sager.

Die Beatsteaks werden am Ende das Roundhouse auch als Tagesgewinner verlassen – das werden zumindest die 200 Anwesenden der Studio-Session bezeugen. Zwar spielen im Hauptraum des Roundhouse Cat’s Eyes – das neue Projekt des The Horrors-Sänger – ein formidables Konzert mit dunklen Stimmen, hellen Chören und sakralen bis melancholischen Liedern, so richtig zünden kann ihr Set jedoch leider nicht. Bei Glasvegas wird es dann noch schlimmer: Selbst als Fan der ersten Schritte dieser Band will man sich vor solch wimmerndem Pseudo-Drama und solch strunzdummer Selbstgefälligkeit am liebsten verstecken. Lediglich die neue Drummerin Jonna Löfgren bringt die Euphorie auf die Bühne, die das neue Album im Namen trägt. Für die Beatsteaks geht es da schon wieder gen Heimat: Im Tourbus, mit einem Embedded Journalist eines Dortmunder Musikmagazins an Bord. Danach ist Pause angesagt.

Für länger?
Nö, wir sind noch mitten drin im Boombox-Jahr. Jetzt wollen wir einfach mal kurz bzw. zwei Wochen alles sacken lassen, und dann spielen wir ein Riesenkonzert in Hamburg, ein ganz tolles in Leipzig und Österreich, dann machen wir endlich ne Schweiztour – dann noch mal eine große durch Deutschland. Dann ne vierte Single. Jetzt kommt ’ne super „Automatic“-Single mit vier B-Seiten. Da haben wir uns richtig Mühe gegeben. Ein Ton Steine Scherben-Cover, gleich zwei Magnetic Fields-Cover – („Yeah! Oh Yeah!“ und „Bunny Rabbits“). Du merkst: Wir sind noch voll in Bewegung.

Und 2012?
Da denken wir noch nicht so richtig drüber nach. Wenn dann nur vage…

Das iTunes-Festival ( alle Infos finden Sie hier) findet noch bis zum 31. Juli im Londoner Roundhouse statt.  Aufzeichnungen der Konzerte können kostenfrei sowohl über die iTunes Festival-App für iPad, iPhone und iPod touch als auch direkt über die iTunes Festival-Hauptseite im iTunes Store abgerufen werden. Die iTunes Festival EP der Beatsteaks mit fünf Songs ist ab heute als Download auf iTunes zu bekommen. Hier die Tracklist:

1. To Be Strong (live)
2. Cheap Comments (live)
3. Automatic (live)
4. Under A Clear Blue Sky (live)
5. Whats’s Coming Over You (live)

Heute erscheint zudem die neue Single „Automatic“ mit den oben angesprochenen Cover-B-Seiten.  Hier der schöne Clip dazu, aufgenommen auf dem letzten Heimspiel in der Berliner Wuhlheide – also an einem Abend, wo die Band sich mal kurz wie die Foo Fighters fühlte…

Beatsteaks – Live 2011:

15.07. Bern – Gurtenfestival
01.09. Leipzig – Conne Island
02.09. Wiesen – Two Days A Week-Festival
03.09. Hamburg – Trabrennbahn
28.09. Erlangen – E-Werk
30.09. Lausanne – Les Docks
05.11. Offenbach – Stadthalle
07.11. Osnabrück – OsnabrückHalle
08.11. Lübeck – Musik- und Kongresshallen
11.11. Trier – Messeparkhalle
12.11. Siegen – Siegerlandhalle
14.11. Oldenburg – Kongresshalle
15.11. Rostock – Stadthalle Rostock
17.11. Zwickau – Stadthalle
19.11. Freiburg – Rothaus Arena
22.11. Heilbronn – Harmonie
23.11. Würzburg – S.Oliver Arena
27.11. Fürth – Stadthalle Fürth
29.11. Magdeburg – Stadthalle
30.11. Cottbus – Messehalle
02.12. Köln – Palladium
03.12. Göttingen – Lokhalle
05.12. Braunschweig – Stadthalle
07.12. Essen – Grugahalle
10.12. Berlin – Max-Schmeling-Halle

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