Birgit Fuß fragt sich durch: Wie viel Aufregung wollen wir in unserem Leben haben?

Zwischen Tim Buckley, Billie Holiday und Del Amitri liegt die Antwort. Und natürlich bei Sven Regener.

Manchmal kann einem schon die Puste oder die Geduld ausgehen in diesem Leben. Ständig soll man Verständnis haben und zuversichtlich in die Zukunft blicken, und dabei müssen wir ständig Rückschläge einstecken – privat, beruflich, politisch. Es soll ja Leute geben, die vor allem das Positive sehen, aber in der Regel schreiben die nicht besonders gute Songs. Deshalb gibt es hier so oft Lieder, die von Verzweiflung handeln.

1966 sang Tim Buckley in „It Happens Every Time“, es sei immer dasselbe: Er gibt ihr seine Liebe, sie verlässt ihn, der Schmerz bringt ihn um den Verstand. Seine Schlussfolgerung: „Now I know it’s not worth the tryin’.“ Schluss mit der Zärtlichkeit und Sanftheit, sie kriegt nichts mehr davon. Das halte ich für einen großen Fehler. Innehalten und Stille sind gute Ideen, doch permanenter Rückzug – vor der Liebe, aus der Gesellschaft – führt vielleicht bei manchen Mönchen zu einem glücklicheren Leben, bei den meisten bringt er nur Ödnis und Einsamkeit.

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Lange vor Tim Buckley erzählten Frank Sinatra, Billie Holiday und einige andere in dem Klassiker „Everything Happens To Me“ davon, wie viel Pech ein Mensch haben kann: schwarze Katzen, Regen, blöde Nachbarn, Masern, Mumps, schlechte Karten, Hypotheken auf Luftschlösser – und dann auch noch die letzte fatale Entscheidung: „I fell in love just once/ And then it had to be with you/ Everything happens to me.“ Das Gefühl kennen wir alle: Warum passiert all der Mist eigentlich immer ausgerechnet mir? Wir nehmen das Leben persönlich, und manchmal möchten wir dann einfach unsere Ruhe haben. Egal ob es um die Regierung geht, um die Arbeit oder die Liebe: Wir haben oft irre Angst vor Veränderungen, obwohl der Stillstand meistens viel schlimmer ist.

In einem der größten Popsongs aller Zeiten, „Nothing Ever Happens“, entwirft Justin Currie traurige Bilder von verblendeten, entfremdeten Menschen – davon, dass wir wie betäubt durch den Alltag rennen und wie gedopte weiße Mäuse schlafen, dass amerikanische Geschäftsmänner van Goghs für den Preis eines Krankenhausflügels kaufen und wir immer so weitermachen, egal ob Marsianer hier landen oder Synagogen brennen. „And nothing ever happens, nothing happens at all/ The needle returns to the start of the song/ And we all sing along like before/ And we’ll all be lonely tonight and lonely tomorrow.“

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Es ist kein zynischer Song, denn natürlich ist klar, dass wir doch alle alles dafür tun werden, dass es nicht so kommt – zumindest die letzte Zeile nicht. Die Entscheidung, ob wir im Leben eher zu viel oder zu wenig zugeteilt bekommen wollen, muss jede*r für sich treffen. Viel Liebe heißt fast immer auch viel Schmerz, viele Abenteuer bedeuten meistens auch einige Bruchlandungen. Also lieber gleich am Boden bleiben?

„Wenn nichts passiert, dann bin ich meistens glücklich“, behauptet Sven Regener in „Ich kann warten“ – und gibt am Ende doch zu, dass das nicht stimmt. Es gibt von Element Of Crime so viele wunderbare Songs über das Warten – und doch noch schönere über die Erfüllung. Das Leben will gelebt werden, immer und immer wieder, und manchmal immer wieder von vorn – nicht wie der Stein von Sisyphos, sondern so wie die Lieblingssingle, die wir auch gern 79­mal hintereinander hören.

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