Bruce Cockburn – „Stealing Fire“

Heute kommt es einem vor, als hätte er all die Protestlieder von U2, Sting, Paul Simon, Peter Gabriel und Midnight Oil vorweggenommen. Aber es war nicht so, dass die Zeitgenossen von 1984 Bruce Cockburns Album "Stealing Fire" nicht wahrgenommen oder nicht in seiner Bedeutung erkannt hätten.

Im legendären „Musikalischen Überwachungs-Verein“ des altväterlichen „Musikexpresss/Sounds“ war es die „Platte des Monats“ – ein Etikett, das damals den Talking Heads, Elvis Costello und Linton Kwesi Johnson zuerkannt wurde und also kein Mumpitz war.

Bruce Cockburn, ein Kanadier, hatte schon 1970 sein erstes Album aufgenommen und blieb einige Jahre lang ein stiller Folkie mit Gitarre, obwohl er ein Musikkonservatorium besucht hatte, will sagen: viel konnte.Doch als Songschreiber blieb er blass. Dann öffnete er sein Spektrum, integrierte Blues und vor allem ethnische Musik aus aller Welt, und „Dancing In The Dragon’s Jaws“ (1979) und „Humans“ (1980) – auf der diese Derivate noch schwach waren – gerieten zum faszinierenden Austausch zwischen Innen und Außen, hausgemachtem Songschreibertum und Einflüssen von überall.

Bei „Stealing Fire“ hatte der feinsinnige, integre Musiker – wie  man heute so sagt – alles richtig gemacht: Die Songs sind glänzend und konzis, die Produktion ist robust und ausgewogen, und Cockburn singt voll Selbstvertrauen und Wut. Besonders Reggae integrierte er klug in seine Songs, der Synthesizer wurde von Jon Goldsmith nur funktional genutzt – ein Grund für die Nachhaltigkeit der Stücke, die heute nicht antiquiert wirken. Für eine Weile wurde Cockburns politische Poesie relevant, weil er in „Nicaragua“ und „If I Had A Rocket Launcher“ die damaligen Greuel in Nicaragua und Guatemala besang – und die Verrwicklungen der USA. „Nicaragua“ ist ebenso erschütternd wie die Filme „Vermisst“ und „Unter Feuer“, die von Revolutionen in Südamerika handeln. Cockburn integriert sich selbst in die Erzählung, indem er eine touristischen Allgemeinplatz formuliert:  „Woman of the town laundry/ Work and gossip and laugh at me/ They don’t believe I’ll ever send them the pictures I took.“ Die amerikanische Botschaft dräut über Managua „wie Draculas Turm“.     

„Cry for Guatemala, with a corpse in every gate/ If I had a rocket launcher, I would not hesitate“: Cockburns berühmtestes Stück geht weit hinaus über wohlfeile Solidaritätsbekundungen. Damals saßen wir mit dem Booklet – die Texte standen in deutschen Übertragungen darin – in der Hand vor Papas großen Lautsprechern, ballten die Fäuste und glaubten an den Sozialismus. Tränen stiegen uns in die Augen wie Bruce Cockburn in „If I Had A Rocket Launcher“: „Some sonofabitch would die.“

Er nimmt heute noch sehr gute Platten auf. Nicht Bruce Cockburn hat an Größe verloren – es ist die Welt, die kleiner geworden ist.

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