Dämonen, die man im Ofen backen konnte

Schriftsteller Joe Hill fürchtete sich als Junge vor nichts – schon gar nicht vor seiner Lieblingsband Kiss.

Als Kind war ich manischer Kiss-Fan. Ich hatte das ganze Spielzeug, Comic-Hefte, Action-Figuren, Shrinky-Dinks, die man im Ofen backen konnte, um Schmuck daraus zu machen. Mein Vater (der Schriftsteller Stephen King, Anm. d. Red.) ging sogar einmal mit mir ins Kiss-Konzert nach New York, als ich acht war. Ich wollte unbedingt dabei sein, wenn Gene Simmons Blut und Feuer spuckt! Als ich das gesehen hatte, nickte ich ein und verschlief den Rest der Show. Mit acht Jahren entgeht einem manchmal noch die Bedeutung eines solchen Events.

Angst hatte ich nie vor Kiss. Aber das passierte häufig, dass ich Sachen einfach nur aufregend fand, vor denen meine Klassenkameraden sich fürchteten – das hatte mit meinem Elternhaus zu tun. Als ich meinen zwölften Geburtstag feierte, wünschte ich mir eine Video-Vorführung von „Dawn Of The Dead“. Ich merkte gar nicht, wie einer meiner Freunde nach dem anderen das Wohnzimmer verließ, während ich voller Spannung den Zombies zusah. Am Ende waren nur noch meine Kumpels Shane, Bryan und ich übrig. Bryan war totenbleich, voller Schweiß und sagte nur: „Ich glaube nicht, dass der Film das Richtige für uns ist …“

Jedes meiner Bücher hat seinen Soundtrack, Songs, die ich beim Schreiben immer und immer wieder höre. Und als ich an meinem letzten Roman „Teufelszeug“ arbeitete, liefen Kiss, das erste Mal seit Jahren. In dem Buch geht es um einen Typen, der eines Morgens aufwacht und plötzlich Teufelshörner und magische Kräfte hat. Genau wie Gene Simmons: der kluge, comicverrückte Junge aus New York, der sich eines Tages Schminke und einen Bass kaufte – und sich als Rock’n’Roll-Teufel neu erfand.

Meine Sicht des Teufels veränderte sich allerdings im Lauf des Schreibens. Am Anfang fand ich ihn gruselig, am Ende hielt ich ihn nur noch für eine Witzfigur. Wir brauchen ihn nicht. Die Menschheit ist selbst schon niederträchtig genug. Alles Böse auf ihn zu schieben – das kommt mir wie eine Farce vor.

Mein persönlich ekstatischster Rock’n’Roll-Moment? Ich wollte immer mal Pearl Jam sehen, aber dann wurde mir im Mosh-Pit vor der Bühne die Brille von der Nase gehauen, kurz bevor sie kamen. Streng genommen habe ich sie also bis heute nicht gesehen. Nur ein verschwommenes Etwas.

Aufgezeichnet von J. Hentschel

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