Deichbrand: Das Dilemma mit Problembär Macklemore
Die einstige Partykanone ruft Antisemitismus-Experten auf den Plan. Installiert wurden Schulungen im Team; Awareness-Programme nachgeschärft
Das Deichbrand-Festival auf dem Flugfeld bei Cuxhaven ist mit rund 60.000 Fans eines der größten in Norddeutschland. Auf der Programm-Website für den 20. Juli heißt es über den Headliner des finalen Abends: „Freut euch auf Hits mit Ohrwurmpotential und eine fette Geburtstagsparty!“ Das Deichbrand wird 20 und der zentrale Act für den Sonntag heißt Macklemore.
In der Tat war der US-Rapper mit irischen Wurzeln mal ein lustiger Stimmungsgeselle. Ein Bruder Leichtfuß. Doch spätestens seit seinem 2024er-Anklagesong „Hinds Hall“ hat sich Macklemore dem Pro-Palästina-/Anti-Israel-Lager angeschlossen. Ob aus einer modischen Laune heraus oder aus Karriere-Kalkül (Kontroverse sells!) soll von dieser Stelle nicht beurteilt werden. Jedenfalls werden ihm anti-semitische Anwandlungen in diversen Texten, Äußerungen und Live-Darbietungen nachgesagt.
Und nun haben die Deichbrand-Macher, ebenso wie das Gurten und Paléo in der Schweiz, ein Problem mit ihrem Zugpferd. Diverse Antisemitismus-Experten hatten bereits im Frühjahr auf eine Absage der Macklemore-Gastspiele insistiert. Der zuständige Bundesbeauftrage Felix Klein nannte Teile seiner Performance „unerträglich“ und „völlig unzweideutig“, was seinen Antisemitismus anbetrifft.
Stellungnahme gegen „Diskriminierung in jeglicher Form“
Da man ein kostspieligen Headliner nicht so einfach aus dem Programm schmeißen kann, wie etwa Kneecap oder das neu aufgepoppte Hardliner-Duo Bob Vylan (die auf Nebenbühnen gebucht sind oder waren), waren andere Methoden gefragt.
Vom Deichbrand gab es unter einem Macklemore-Foto dazu eine Stellungnahme gegen „Diskriminierung in jeglicher Form“. Der Künstler thematisiere „regelmäßig politische Themen und äußerte sich öffentlich zur Situation im Nahen Osten.“
Macklemore wird also nach den „Görlitzer-Park“-Rappern K.I.Z. die Bühne entern. Ob er bei seiem Auftritt eher eskalieren oder de-eskalieren wird, liegt nicht in der Hand der Festivalmacher. Man kann sich vorstellen, dass es „intensive Gespräche“ mit dem Management geben wird.
Die geplante Erklärung gegen Antisemitismus zu Beginn des Festivals dürfte im Bier- und Sommer-Trubel irgendwo verhallen. Ob Macklemore selbst ein ähnliches Pamphlet vortragen wird, ist weniger wahrscheinlich. Anfragen vom NDR und anderen Medien ließen die Veranstalter unbeantwortet.
Laut Aussagen des niedersächsischen Antisemitismus-Beauftragten Gerhard Wegner vom Mai 2025 seien dafür „In guter Zusammenarbeit“ diverse Maßnahmen ins Leben gerufen worden. Neben besagter Erklärung gibt es für das Festival-Team Schulungen und „Sensibilisierungen zum Thema Antisemitismus“. Auch die „Awareness“-Mannschaft werde dahingehend gebrieft.
Männer in Hawaihemden mit Clipboards und Bleistiften?
Man kooperiere dabei mit der Bildungsstätte Anne Frank und dem Kooperationsverbund gegen Antisemitismus, hieß es dazu später. Laut Wegner, der dem Justizministerium in Hannover angehört, soll eine „Expertengruppe“ während des Festivals das Geschehen beobachten. Darf man sich dabei Männer in Hawaihemden mit Clipboards und Bleistiften vorstellen, die am Bierstand Notizen machen?
Ergo und Spaß beiseite: Es wurde also eine Art politisches Zusatzprogramm installiert, um dem Dilemma einer Vertrags-und Gagen-mäßig problematischen Ausladung des Künstlers Macklemore zu entgehen. Und dann gibt es ja auch die Freiheit der Kunst …