Der Kommunikator

"Live 8" ist vollbracht, die DVD im Laden. Nun will Bob Geldof endlich wieder Musik machen, damit er nicht verrückt wird

Bob Geldof war selbst überrascht von „Live 8“. Nicht von den blanken Zahlen: mehr als 150 Bands an neun Orten, fünf Milliarden Zuschauer, 25 Milliarden Dollar Afrika-Hilfe pro Jahr, die den G8-Männern aus dem Kreuz geleiert wurden. Nein, Geldof hatte nicht damit gerechnet, daß ihn die Musik so beeindrucken würde. Am 2. Juli konnte er sie nicht recht genießen, weil er so viel zu tun hatte, doch als er später U2 mit Paul McCartney sah, war er hingerissen. Als sein Verdient will er sich das alles aber nicht anrechnen lassen: „Ich weiß gar nicht, wie diese ganzen Duette zustandekamen. Ich fand das so cool. Elton John brachte Pete Doherty ins Spiel. Er ist ja besessen von Popmusik, er studiert ständig die Charts. Meine Kinder waren begeistert, als er mit Doherty ankam – bis der ein Foto mit mir wollte, nicht mit ihnen. Das fanden sie natürlich scheiße.“

Die Lieder ihres Vaters mögen die vier Mädchen auch nicht, und gern betont Geldof, daß heute ja sowieso keiner mehr seine Musik hört. Trotzdem konnte er nicht widerstehen: Im letzten Moment ging er im Hyde Park doch auf die Bühne. Ein bißchen peinlich ist ihm das. „Das Kriterium der Veranstaltung war ja, daß die Bands erfolgreich sein müssen, weil nur so genug Zuschauer zusammenkommen. Da ¿war ich ganz strikt, also was zur Hölle sollte ich auf der Bühne? Wie konnte ich das rechtfertigen? Dann haben ein paar Leute gesagt, ich soll nicht so bescheuert sein. Aber eigentlich ließ es der Zeitplan nicht zu – wir mußten ja sogar einigen Bands absagen. Schließlich habe ich Travis gebeten, einfach ihre Instrumente stehenzulassen – und dann schlichen meine Band und ich ganz schnell auf die Bühne und spielten „I Don’t Like Mondays.“

Und es gab wieder diesen einen Moment, in dem Geldof die Faust in die Höhe streckt und alles still steht. Ein paar Sekunden nur, aber die Geste hatte schon bei „Live Aid“ 1985 Symbolcharakter, und 20 Jahre später war das genauso. Auch wenn der Sänger jetzt Skrupel hatte: „Damals ist das einfach passiert, nach der Zeile ,And the lesson today is how to die‘ fiel mir erst auf, was ich da gerade gesungen hatte. Diesmal war ich mir der Bedeutung natürlich sehr bewußt. Ich wußte nicht, was ich tun sollte ob es zu showbiz-mäßig ist, den Song kurz anzuhalten und die Faust zu machen. Ich habe es dann getan, weil es die beiden Konzerte zusammenbringt, die 20 Jahre verbindet. Da es sowieso unverschämt war, daß ich überhaupt da stand, konnte ich das auch noch bringen. Wenn ich das jetzt sehe, ist es mir schon peinlich. Mir ist es immer peinlich, mich selbst zu sehen und zu hören. Ich hasse das. Ich schalte da sofort ab.“

Natürlich hat er dazu keinen Grund. Bob Geldof hat, das würden ihm wohl selbst seine schärfsten Kritiker zugestehen, ein erstaunliches Talent, so über Afrika und Schuldenerlaß und Handelsbeziehungen zu sprechen, daß es selbst Laien verstehen – und die Menschen dabei immer auch am Herzen zu packen. Das zumindest gibt er zu: „Ich kann wohl gut kommunizieren. Das ist so ein irisches Ding, wie bei Bono. Wir reden sehr gern, wir können einfach mit der englischen Sprache umgehen. Oscar Wilde, George Bernard Shaw, James Joyce, Samuel Beckett… Ich glaube, es liegt an den Pubs, in denen wir so viel Zeit verbringen. Wir lieben die Polemik. Man sagt etwas absolut Lächerliches, nur um eine leidenschaftliche Diskussion zu beginnen. So was macht uns Spaß.“

Mit der Musik ist das schwieriger. Seine Songs kommen Geldof nicht zugeflogen, zumindest nicht jederzeit. Da hat ihm ein befreundeter Kollege viel voraus: „Sting ist drei Tage älter als ich, aber er benimmt sich immer wie mein älterer Brüder, die Nervensäge. Oft feiern wir zusammen, wie gerade im Oktober unseren 54. – da haben wir darüber geredet, wie lang man an Alben arbeitet. Drei Wochen, sagte Sting. Um ein ganzes Album zu schreiben? Wie zur Hölle, fragte ich, geht das? Sagst du: Heute ist Mittwoch, da schreibe ich mal ,Fields Of Gold? Genau, meinte er. Der Bastard!“ Für Geldof hat Musik immer noch Priorität. Man vergißt das nur leicht, wenn man ihn so lange bloß als Geschäftsmann und Amateurpolitiker sieht. „Ausschließlich Musik zu machen, das reicht mir nicht. Alles andere finde ich dann zwar viel langweiliger, aber ich kann erst nach einer Phase voller Erfahrungen schreiben. Das kann dauern. Die letzten eineinhalb Jahre habe ich nur an ,Live 8′ gearbeitet. Nun spüre ich wieder diesen Drang wie wenn man pissen oder kotzen muß. Etwas muß raus.“

Wer Geldof einmal lachen hört und seine lustigen kleinen Geschichten aufgetischt bekommt, der merkt schnell, daß dieser Mann nicht der traurige Held ist, der immer nur an das Leid anderer denkt. Am Ende scheint bei aller Ernsthaftigkeit und allem Engagement stets sein Humor durch, wie eben auch in vielen seiner Lieder („The Great Song Of lndifference“). Zynismus lehnt er ab, Ironie liebt er.

Er wird bald wieder ein Album aufnehmen – er kann gar nicht anders. „Ich weiß nicht, was ich in den vier Jahren seit dem letzten Album („Sex, Age & Death“) gemacht habe. Ich werde das erst richtig verstehen, wenn ich es in Musik gepackt habe. Ich konnte damals auch nicht verstehen, was passierte, als meine Frau mich verlassen hatte. Ich war praktisch tot. Der Verlust, der Schmerz – das war so extrem, daß ich es nicht fassen konnte, bis es auf dieser kleinen Scheibe war. So muß ich das machen. Dann kann ich die Erfahrungen in eine Ecke meines Gehirns schieben und weitermachen. Nur so finde ich einen Sinn. Sonst werde ich verrückt.“

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