Der Löwe im Winter – Zum Tod des großen Schauspielers Peter O’Toole

Seine Helden handelten fast immer wider besseres Wissen - das machte ihre Größe aus. Peter O'Toole, der Löwe im Winter, einer der elegantesten Männer des Kinos, starb nach langer Krankheit in London. Er wurde 81 Jahre alt.

Sein Lawrence von Arabien überragte alle anderen Figuren, die er spielte – aber dass Peter O’Toole nicht vollkommen hinter diesem Giganten der Duldsamkeit verschwand, sagt doch einiges über sein Charisma und seine Begabung. Immer mal wieder wurde darauf hingewiesen, dass der historische Lawrence nicht ganz so blauäugig, linkisch, gut aussehend, intelligent und tapfer war wie in O’Tooles Interpretation – Bestand hatte freilich die Legende. David Leans Film war 1962 Ausweis der Großartigkeit des britischen Kinos und zugleich das Ende der blühendsten Phase. Peter O’Toole, der mit Alan Bates und Albert Finney an der Royal Academy Of Dramatic Arts studiert hatte, stand plötzlich an der Spitze von Gleichaltrigen und reüssierte im Hollywood der 60er-Jahre ähnlich gemischt wie sein temperamentvoller Landsmann Richard Harris. Für dieselbe Rolle, Henry II., wurde O’Toole zweimal für den Oscar nominiert: 1964 für „Becket“ und 1968 für „Ein Löwe im Winter“ mit Katharine Hepburn.

Die elegischen Königsgestalten passten zu der schlaksigen, zögernden Erscheinung des Schauspielers. Am 2. August 1932 wurde er im Bezirk Galway in Irland geboren, die Eltern waren Buchhalter und Krankenschwester. Im englischen Leeds wuchs Peter auf, besuchte eine strenge Internatsschule und stand mit 17 Jahren erstmals auf einer Amateur-Bühne. Nach der Schule verdingte er sich als Laufbursche und Reporter und leistete den Wehrdienst auf einem U-Boot. Nach der Royal Academy spielte er mit 23 den Hamlet am Old Vic in Bristol und wurde Mitglied der Royal Shakespeare Company. Sein Vorbild war Michael Redgrave, einer der großen Schauspieler der früheren Generation – aber eben nicht Alec Guinness oder Laurence Olivier.

Mitte der 50er-Jahre bekam O’Toole einige Rollen in Fernsehfilmen, blieb jedoch am Theater. Erst 1960 debütierte er in einem Kinofilm, „Die Abenteuer des David Balfour“, einem Abenteuer-Epos, das deutsche Zuschauer in anderer Adaption als Weihnachts-Vierteiler 1978 sehen konnten. „Lawrence von Arabien“ brachte die erste Oscar-Nominierung. 1965 folgte der überaus populäre Abenteuerfilm „Lord Jim“. In Hollywood-Filmen überzeugte O’Toole weniger: In William Wylers Spätwerk „Wie stiehlt man eine Million?“ ist der ungelenke, nachdenkliche Melancholiker neben Audrey Hepburn fehlbesetzt. In „The Sandpipers“ (1967) spielte er neben Richard Burton, der als sündiger, Elizabeth Taylor verfallener Priester natürlich die saftigere Rolle hatte. Für seinen rührenden weltabgewandten Akademiker im Remake von „Goodbye, Mr. Chips“ (1969) wurde O’Toole eine weitere Oscar-Nominierung zuteil. 

In den 70er-Jahren war die Rollenwahl weniger glücklich, und epische Stoffe waren selten geworden. Anfang der 80er-Jahre überzeugte Peter O’Toole in „The Stunt Man“ und „My Favourite Year“, und mit Bernardo Bertoluccis „Der letzte Kaiser“ erreichte er 1987 noch einmal ein Millionenpublikum. In „King Ralph“ (1991) spielte er ergötzlich einen sehr britischen Sekretär, der dem flegelhaften amerikanischen (sic!) König John Goodman die Etikette vermitteln soll.

Im Jahr 2003 wollte die Academy Of Motion Picture Arts And Sciences dem großen Iren den Oscar für sein Lebenswerk überreichen – doch O’Toole schrieb in einem Brief, er fühle sich zwar geschmeichelt, sei aber „noch im Spiel, den alten Knaben schließlich doch zu gewinnen“. Die Academy blieb bei der Ehrung, und O’Toole nahm sie an. Für „Venus“ wurde er 2006 zum achten Mal nominiert – und bekam den Preis wieder nicht. Nur Richard Burton scheiterte so oft, ohne den Oscar je zu gewinnen.

Mit seiner zweiten Frau Karen stritt Peter O’Toole 1988 um das Sorgerecht für seinen Sohn; sonst blieb sein Privatleben im Dunkeln. Im letzten Jahr verkündete er, sich vom Schauspiel zurückzuziehen – er habe „nicht mehr das Herz dafür, und es wird auch nicht zurückkommen“. Peter O’Toole, der stets so vernunftgeleitet wirkte, wusste natürlich, dass seine Profession eine Herzensangelegenheit ist. Seine Helden handeln fast immer wider besseres Wissen – das macht ihre Größe aus. Lawrence verkörpert die vornehmsten Tugenden Britanniens, versammelt in einem der elegantesten Männer des Kinos.

Peter O’Toole, der Löwe im Winter, starb gestern nach langer Krankheit in London, 81 Jahre alt.  

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates