Der Schatzsucher

Jörg Sonntag (56) begann einst als Kabelträger beim Beat-Club, stieg schließlich beim Musikladen zu Mike Leckebuschs Regieassistent auf. Nach seinem Journalistik-Studium kehrte er zu Radio Bremen zurück und ist heute als leitender Redakteur und Regisseur in der Redaktion "Musikalische Unterhaltung" tätig. Anlässlich der DVD-Veröffentlichung der 83 Beat-Club-Folgen befragte ihn Thorsten Schmidt.

Über 30 Jahre lang wurde der Beat-Club nur in mehr oder weniger geglückten Zusammenschnitten wiederholt. Warum?

Jahrelang waren der ARD durch eine unklare rechtliche Situation die Hände gebunden. Die Verwertungsrechte liegen eindeutig bei Radio Bremen. Aber als in den sechziger Jahren die Verträge mit den Bands gemacht wurden, hat niemand etwas von Satellitenrechten ahnen können. Es hat im Traum keiner daran gedacht, dass jemand mal Videorekorder, DVDs oder das Internet erfinden würde. Da wollte sich dann keiner die Finger verbrennen. Inzwischen sind diese Fragen geklärt, weshalb diese Schätze jetzt gesendet und als DVD vermarktet werden können.

Bislang waren nur Krümel aus dem großen Kuchen Beat-Club als VHS-Videos oder DVDs erhältlich…

Das, was früher mal unter dem Namen Beat-Club auf dem Markt gewesen ist, war ein einziger Ramschladen. Da passten die Songs nicht zusammen. Man hat ein paar Songs genommen, bei denen die Rechtelage eindeutig war, und hat sie ziemlich rigoros zusammengeknüppelt. Diese Veröffentlichungen haben den Fan eher verprellt als erfreut. Irgendwann hat Radio Bremen einen Riegel davor geschoben. Wenn Beat-Club drauf steht, soll auch Beat-Club drin sein. Deshalb werden jetzt zum allerersten Mal die Beat-Club-Sendungen im Original zugänglich gemacht: So wie sie damals gesendet wurden, mit allen Moderationen, mit allen Beiträgen und mit allem anderen, was dazu gehörte. Zum ersten Mal seit der Erstausstrahlung bekommt man einen authentischen Eindruck, wie der Beat-Club tatsächlich war.

Acht Jahre Beat-Club gibt es jetzt in drei DVD-Boxen mit jeweils 8 DVDs. Wie lange habt ihr daran gearbeitet?

Etwa zwei Jahre lang. Aus zwei Gründen: Die Sendungen wurden auf MAZ-Bändern archiviert. Also musste alles digitalisiert und aufwendig überarbeitet werden. So gut wie jetzt auf der DVD hat der Beat-Club damals nicht ausgesehen und geklungen. Außerdem mussten die Playbackrechte erworben werden. Überwiegend haben die Künstler ja live gespielt, aber es gab eine kurze Phase Ende der Sechziger, in der sich der Beat ins Pompöse aufblähte. Chris Farlowe, Barry Ryan oder die Bee Gees wurden damals im Playback-Verfahren produziert. Die Nutzungsrechte für die Live-Darbietungen liegen bei Radio Bremen, aber die Playbackrechte mussten einzeln erworben werden. Ein langwieriges Unterfangen.

Zum 40.Geburtstag des Beat-Club gab es eine Jubiläumssendung, die in allen dritten Programmen ausgestrahlt wurde. Hat diese Sendung das Interesse an den alten Beat-Club-Aufnahmen wieder geweckt?

Das Interesse war immer da. Aber sicher hat die Jubiläumssendung gezeigt, dass das Interesse größer ist, als man geglaubt hatte. Eine Folge davon war, dass ich die Rock-History „Vinyl“ platzieren konnte. Einmal pro Woche machen wir eine halbstündige Sendung, in der jeweils zu einem bestimmten musikalischen Thema Ausschnitte aus dem Beat-Club und dem Musikladen gezeigt werden. In gut zwei Jahren sind etwa 120 Sendungen produziert worden, die inzwischen in mehreren dritten Programmen und über Satellit bei Einsfestival zu empfangen sind. Durch die Reaktionen auf „Vinyl“ haben wir gemerkt, dass in der Tat ein Special-interest-Markt vorhanden ist: Ein überschaubarer, aber sehr intensiver Markt von Musikfans, die eine hohe Identifikation mit all den Spielarten der Rockmusik haben, für die der Beat-Club steht. Innerhalb der ARD wird wieder verstärkt die Diskussion geführt, wie gehen wir mit populärer Musik um? Das Teenager-Publikum für die aktuelle Hitparadenmucke ist für die öffentlich-rechtlichen Sender schwer zu erreichen. Aber was macht der Musikfan, wenn er 30, 40 oder 50 geworden ist? Es liegt ja in der Natur der Sache, dass der 50-Jährige nicht automatisch zum Schlager- oder Volksmusikfan konvertiert ist. Auch der Punk der ersten Stunde ist mittlerweile jenseits der 50. Und dieses Publikum ist in den letzten Jahren in der ARD wenig bedient worden. Das soll sich ändern, zumindest in den dritten Programmen. Wenn es wieder vermehrt Musiksendungen innerhalb der ARD geben sollte, dann wird man am Archiv von Radio Bremen nicht vorbei können.

Das Archiv hält also noch viele Überraschungen bereit…

Auch für mich. Erst vor wenigen Wochen ist ein Musikladen-Mitschnitt wieder aufgetaucht, den ich für verschollen gehalten hatte: 1980 hatten wir ein komplettes Konzert von The Knack aufgenommen, das nicht gesendet wurde. Im Archiv war nichts zu finden. Ich wusste aber: Es hat stattgefunden. Ich war als Regieassistent dabei gewesen. Des Rätsels Lösung: Das Konzert wurde auf vier Bändern aufgezeichnet, die nie bearbeitet wurden und falsch beschriftet im Archiv verschwanden. Reiner Zufall, dass wir sie entdeckten. Als ich begriffen hatte, was ich da in Händen hielt, bin ich vor Freude an die Decke gesprungen…

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