Dichterin im Mutterschutz

Die amerikanische Sängerin Natalie Merchant vertonte die Texte berühmter Lyriker.

Es ist mein Meisterwerk.“ Selten hört man einen Künstler diese Maxime mit solcher Gewissheit aussprechen. Die ehemalige Sängerin der 10,000 Maniacs, Natalie Merchant, kann es getrost tun, denn ihr neues Album „Leave Your Sleep“ ist sicher ein Karrierehöhepunkt. Für dieses Werk suchte sie Gedichte englischer und amerikanischer Lyriker und vertonte sie. Robert Louis Stevenson, Edward Lear, Manley Hopkins und Robert Graves sind dabei und viele mehr. „Es war ungewöhnlich für mich, Texte zu singen, die nicht geschrieben wurden, um gesungen zu werden“, sagt die Songwriterin. Und doch schien ihr dieser Weg vorbestimmt. „Vor sechseinhalb Jahren wurde mein Kind geboren. Von da an wusste ich, dass ich erst einmal keine eigenen Songs schreiben kann, denn dafür muss ich mich komplett von der Außenwelt abkapseln. Dafür war keine Zeit mehr.“

Also begann sie zu recherchieren und fand Texte, in denen Dichter der Komplexität und Traurigkeit des menschlichen Daseins nachspürten. „Das Projekt erzählt vor allem von Mutterschaft und dem Wunder, ein Kind zu sein“, erzählt die 46-Jährige, die die Musik zu den Texten größtenteils mit ihrer Tochter auf dem Schoß komponierte.

Große Themen wie der Verlust der Unschuld und das Gefühl der ungetrübten Ewigkeit trieben Merchant an. „Es gibt Dichter, die in den letzten 200 Jahren Worte dafür gefunden haben, und durch ihre Lyrik konnte ich mich ausdrücken“.

Eine Platte für Kinder, wie anfangs geplant, ist „Leave Your Sleep“ nicht geworden, vielmehr eine zeitlose und vielfältige Liedersammlung. „Ich wollte die Gedichte mit Klängen illustrieren und brauchte dafür ein wirklich breites Spektrum an Möglichkeiten, Genres und Instrumenten.“ 130 Musiker waren an den Aufnahmen beteiligt. Die Jazzer Wynton Marsalis und Medeski, Martin & Wood genauso wie die Klezmatics und Mitglieder der New York Philharmonie. „Es war die teuerste Platte, die ich je gemacht habe“, erklärt Merchant. „Und jeden Cent habe ich selbst bezahlt. Ich habe damit mein Meisterwerk geschaffen und alle meine Träume verwirklicht.“

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates