Die Hitparade der Erinnerung

Goldene Momente: ein kleiner Streifzug durch ZDF Kultur

Zu gern wollte ich einmal in jene Kanäle schauen, die uns ARD und ZDF neben ihren ja oft sensationellen, staatstragenden Hauptprogrammen über Zulieferer wie Kabel Deutschland ins Haus bringen. Begeistert war ich kürzlich schon von dem Sender ARD Festival: Damit ist nicht eines der Festivals der Volksmusik gemeint, die Florian Silbereisen in Graz, Grimma oder Garmisch veranstaltet – im Festival-Kanal feiert vielmehr, zum Beispiel, am Sonntag der eben zu Ende gegangene Kunzendorf-„Tatort“ gleich fröhliche Urständ. Wenn man um 20.15 Uhr noch im Keller zu tun hatte oder mit lieben Freunden beim Griechen saß, dann kann man den Krimi im Anschluss sehen, ganz ohne DVD-Rekorder! Und Günther Jauch in „Günther Jauch“ im Mutterkanal schwänzen! Wobei auch „Günther Jauch“ bestimmt bei ARD Festival gezeigt wird – vielleicht Montagmittag, wenn der politisch Interessierte den Kopf von den Mühen des Wochenendes befreit hat. Die nächtlichen Wiederholungen von „Beckmann“ etwa fügen sich in der Erinnerung des Schlaflosen zu interessanten Endlosschleifen aus Gesprächen mit Helmut Schmidt und chinesischen Beisitzern.

ZDF Kultur muss was ganz Feines sein, dachte ich, da laufen bestimmt Tschechow-Inszenierungen und Thomas-Bernhard-Symposien, alte Ausgaben des „Literarischen Quartetts“ und Gespräche mit August Everding –  und erkannte sogleich entzückt die Dauerwelle und durchdringende Stimme von Dieter Thomas Heck, der im Jahr 1983 eine gläserne, zur Eins stilisierte Skulptur  an G. G. Anderson verlieh, der die Trophäe vor Schreck fallen ließ. G. G., der ja auch heute noch im Geschäft ist, erklärt schüchtern wie ein Backfisch, dass er die Lieder mit einem Team von Autoren schreibe. Und Dieter Thomas Heck interessierte das schon damals gar nicht.

Nach dieser Kostprobe schaltete ich um, doch bald packte mich die Unruhe: Vielleicht verpasste ich ein Porträt von John Neumeier, ein Interview von Alexander Kluge! Jetzt brummte Stefan Remmler mit einem Knaben im Weltraumanzug von Explosionen im All und dass er später noch mal wiederkommen wolle, da muss die Atom-Angst groß gewesen sein. Später sah ich einen Klüngel Musiker herumstehen und die Linien des damals sogenannten TED die Stimmen anzeigen – es gewann die Gruppe Relax, Heinz Rudolf Kunze wurde Dritter. Der junge Mann im Jackett, der wie Alan Bangs aussieht, ist Viktor Worms, Hecks Nachfolger bei der „Hitparade“ und ehedem glückloser Unterhaltungs-Chef des ZDF.

Ach, wenn man alles noch einmal erleben könnte! Markus singt „Kleine Taschenlampe, brenn“, Frank Elstner führt durch „Wetten, dass ..?“, Harry Valerien moderiert „Das aktuelle Sportstudio“! Cornelia Hanisch, eine fesche Fechterin, erklärt, wie sie bei allen Erfolgen noch Zeit für die Familie finden kann. Damals sammelten unsere Fechterinnen noch Medaillen, angetrieben von Emil Beck. Boris Becker spielte zum ersten Mal in Wimbledon.

Gestern schaltete ich noch einmal bei ZDF Kultur ein. Aber ach, nicht Wolfgang Petry oder Sandra trat auf – der Burgschauspieler Josef Meinrad als Pensionist klärte die Krawallschachtel Inge Meysel als Malerin über die Vorzüge eines Altenheims auf. Und als ich Meinrad in dieser betulichen Vorabendserie feierlich und mit österreichischem Zungenschlag von seinem vergangenen Glück mit seiner Frau sprechen hörte, von der Familie, die keine Zeit hat, und von seinem Hund, der so allerlei Kunststücke beherrscht und sehr intelligent sei – da fiel mir auf, dass heute nicht einmal ein Pfarrer oder ein Professor spricht wie Meinrad damals. Aber vielleicht sprach überhaupt niemals jemand so wie Josef Meinrad.  

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