Die Kloster-Poster-Boys

Ein neuer Film über die seltsame Beat-Band Monks enthüllt, dass die Idee mit Mönchs-Look und Avantgarde-Lärm von gewieften Kunststudenten kam

Sonnenraster zittern im System. Lesen Sie weiter! It’s Monk Time – lt’s Hop-Time. Ja, richtig, die beste Beat-Band, die je auf deutschem Boden gegründet wurde, ist zurück! Nach 40 Jahren! Vor ein paar Wochen haben die Monks die Berliner Volksbühne ausverkauft, und sie werden wiederkommen. Live und in dem wunderbaren Dokumentarfilm „The Transatlantic Feedback“. Und ein Tribute-Album namens „Silver Monk Time“ gibt es auch. Nicht lesen! Lesen Sie doch nicht! Lassen sie Saphire in die Rillen gleiten.

Aber was ist dran am Monks-Hype? Warum sind plötzlich alle so verrückt nach ein paar amerikanischen Rentnern, die 1964, nach ihrer Zeit als G.I.s in Gelnhausen, eine Band gründeten? Worte sind skizzierte Lügen. Darum machen die Monks ihre Worte selbst. In „The Transatlantic Feedback“ sprechen sie vor der Kamera. Zum ersten Mal. Über ihr 1966 von der deutschen Polydor veröffentlichtes Debüt „Black Monk Time“, über den kurzen Ruhm, das Unverständnis der Deutschen und die Rückkehr in die USA. Als gedemütigte Nobodys in ein vom Vietnam-Krieg verändertes Land. Der Meilenstein „Black Monk Time“ wurde erst 1997 auch in den USA veröffentlicht, von Rick Rubin und Henry Rollins.

Wahrheit ist süchtig. Lüge ist die Kunst, dem anderen zu gefallen. Die Motivs über lieben… „Die Nähe zu den Sonics ist nicht von der Hand zu weisen, weil die Musik ähnlich rau klingt, ähnlich ungeschliffen“, sagt Dietmar Post, der zusammen mit seiner Lebensgefährtin Lucia Palacios sieben Jahre an der Dokumentation gearbeitet hat. „Das Missverständnis, die Monks seien eine Garagenband gewesen, war einer der Gründe, diesen Film zu machen. Natürlich findet man auch bei den Monks diesen 50er-Jahre-Arschtritt, dieses Aus-dem-Bauch-heraus-Rocken, wie bei Elvis oder Little Richard. Doch gleichzeitig ist da auch ein intellektueller Überbau, ein klares Konzept, das von Ideen John Cages beeinflusst war: Jeder Ton ist wichtig. Jeder Musiker ist wichtig. Die Monks waren ein Kollektiv, das nur als Kollektiv funktionierte.“ Zählen Sie von 9 bis BLAST OFF, und schwimmen Sie in den Urwald der Großstadt.

Wer hat diesen Golem des Rock’n’Roll in die Welt gebracht? Wer hat aus der niedlichen Beat-Band The Torquays – die 1964 mit nachgespielten Top-Ten-Hits durch die Republik tingelte – die finsteren Monks erschaffen? Jene düsteren Männer in Schwarz, mit Stricken um den Hals und kahlen Mönchstonsuren auf dem Kopf. „The Transatlantic Feedback“ beginnt mit einem Auftritt der Monks in der ARD-Sendung „Beatclub“: Alle, auch der Schlagzeuger Roger Johnson, stehen in einer Reihe unmittelbar am Bühnenrand. Wie Kraftwerk, viele Jahre später. Riesige Tambourine werden geschwungen, hier braucht niemand Melodien, der Beat regiert. Nur Keyboarder Larry fingert in den Tasten von übermorgen. Auf dem Höhepunkt von „Boys Are Boys And Girls Are Choice“ klopfen drei Monks gleichzeitig auf einer am Boden liegenden E-Gitarre herum, bis sie heult und pfeift. Vor Jimi Hendrix! Hans Joachim Irmler von der Krautrock-Legende Faust hat das als Teenager vorm Fernseher miterlebt: „Das war ein Schock zwischen all den harmlosen Erscheinungen. Wenn ich das rückblickend sehe, gibt es für mich keinen Unterschied zwischen James Last und den Beatles.“

„Transatlantic Feedback“ betont erstmals die Bedeutung der Monks-Manager und Werber Karl Remy und Walter Niemann. Zwei ausgesprochen zurückhaltende Malcolm-McLaren-Vorläufer, die die besten Kunstschulen des Landes besucht hatten: die Ulmer Hochschule für Gestaltung (Remy) und die Folkwang-Schule für Design (Niemann). Sie machten aus der Beatband eine Bruderschaft, gaben den Musikern ihren Namen, ihre Outfits und neue Regeln. In einer „Keine Experimente“-Ära höhnten die Monks: „Why do you kill all those kids over there in Vietnam? Mad Viet Cong. My brother died in Vietnam! James Bond, who was he? Stop it, stop it, I don’t like it!“

Dekonstruktion wurde groß geschrieben, die Rhythmusgitarre gegen ein Banjo getauscht. Nicht drei Akkorde – einer musste ausreichen. Becken am Schlagzeug? Braucht kein Monk!

Regisseur Dietmar Post weiß warum: „In den 6oer Jahren gab es sehr viel radikalere Künstler als heute. Remy und Niemann würde ich dazu zählen. Sie haben mit den Monks das geschaffen, was Beuys eine ’soziale Skulptur‘ nennt. Sie haben ein Produkt erfunden, und das Produkt musste für sich selber sprechen. Das ist die Idee, die dahinter steckt. Es gab keinen Vertrag, und die Manager tauchen weder in Presserklärungen noch in Zeitungsartikeln auf.“

Die Monks-Musiker verstehen heute noch nicht so recht, was damals mit ihnen geschah. Wie in einer Therapiesitzung grübeln und assoziieren die Bandmitglieder in der Dokumentation über ihre Zusammenarbeit mit den beiden steif und nerdig aussehenden Managern. Dazwischen immer wieder Bilder einer pedantisch aufgeräumten BRD, über der eine unsichtbare Spannung liegt. Die Monks waren ein flackerndes Streichholz, dem lediglich die Zündschnur der Popularität fehlte, um einen Großbrand zu entfachen.

Im weiteren Verlauf von“The Transatlantic Feedback“ wird der Band auch noch die Erfindung von Punk, Techno und Heavy Metal zugeschrieben. Und immer wieder Bilder aus dem „Beatclub“: die manischen Mönche vor hölzern hüpfenden Backfischen. Daran scheiterte die Mission: „Das war auch für die Jungs kein Geschäft. Da ging bei den ersten zwei Liedern niemand auf die Tanzfläche“, erinnert sich Monks-Konzertagent Wolfgang Gluszczewski.

Der Werbefilm-Gott Charles Wilp sinniert noch darüber, ob die Monks unsterblich geworden wären, wenn sie die Musik zu seinen Afri-Cola-Spots gespielt hätten. Aber welcher 18jährige Mando Diao-Fan weiß heute schon, was für sexy Sachen sieben Nonnen bei Vollmond im Afri-Cola-Rausch anstellen? „The Transatlantic Feedback“ soll im Frühjahr in die Kinos kommen – eine längst überfällige Geschichtsstunde. Ansehen!

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