Die Schrullen des Diktators

Weil die anderen Pixies-Musiker ein neues Album scheuen, hat sich Charles Thompson alias Frank Black in sein legendäres Alter Ego Black Francis zurückverwandelt - und das Werk ganz allein aufgenommen

Frank Black heißt jetzt wieder Black Francis, na bitte. Bevor man es kompliziert macht, lässt sich das leicht erklären: Trotz der ausverkauften Reunion-Tourneen, trotz der Erfolge und der Medienaufmerksamkeit wollen die alten Pixies mit ihrem alten Chef nicht mehr ins Studio, weshalb Black Francis es eben allein machen muss, und sei es nur, um den anderen eins auszuwischen. „Vor allem eine gewisse Person in der Band glaubt, dass ein neues Album das Vermächtnis beschmutzen würde“, sagt Frank Black (wir bleiben bei dem moniker der letzten Jahre) und meint Kim Deal, „weil der böse Charles den Pixies womöglieh ein schlechtes weißes Blues-Album unterjubeln würde“. Wenn man „Bluefinger“ hört, das hart punkig rockt und natürlich viel näher an den Pixies ist als (fast) alle anderen Werke in der Blackschen Diskographie, kann man die Sorge zumindest verstehen: Black hält nach wie vor nichts von Selbstbeschneidung, sondern haut im Sekundentakt raus, was ihm im Sekundentakt einfällt – schnell, ohne zweiten Gedanken und oft arg beliebig. Aber bleiben wir noch einen Moment bei den Pixies. „Wir sind in einer Situation, für die 10 ooo Indie-Musiker töten würden“, weiß Black, „wir haben die street credibility, wir spielen ausverkaufte Shows, wir verdienen viel Geld, wir sind eine verdammte Legende. Aber wir müssen ein neues Album machen, damit es weitergeht, das sagen mir jedenfalls die Booker. Ich habe versucht, das den anderen klar zu machen, aber sie sehen in mir natürlich gleich wieder Charles, den Diktator, der alles aufzwingen will und niemanden mitspielen lässt. Ich habe kein Problem damit, das Erbe der Pixies aufs Spiel zu setzen. Lasst uns eine Platte machen, um wieder touren zu können! Ein Teil von mir ist Showbiz, das war schon immer so.“ Wie gesagt, vor allem liegt es an Kim Deal, dass daraus bis auf weiteres nichts wird. Auf „Bluefinger“ sind offenbar nicht die Songs, die die Pixies aufgenommen hätten, aber Deal sähe sich in ihrem Vorurteil wohl bestätigt. „Mein alter Manager hat mir vorgeworfen, mich immer nur mit Xes-men zu umgeben, also hab ich meinem neuen Manager gesagt, er soll mir für das Album eine englische Band zusammenstellen die haben immer viel Attitüde und und zu allem eine eigene Meinung. Aber ich bin eben nicht Michael Jackson, und deshalb habe ich statt der bestellten drei nur einen Engländer bekommen.“ Bassist Ding nämlich, früher mal bei fr PJ Harvey und The Fall. Die Gitarre hätte eigentlich Joey Santiago spielen sollen, doch der schlug Blacks Einladung aus. „Er hatte Angst, dass eine gewisse Person damit nicht glücklich wäre, weil es eine Art halber Pixies-Reunion gewesen wäre. Am Ende war ich froh, dass er nicht zur Party gekommen ist.“

Wobei bei dieser Party seit einigen Jahren ja ohnehin nur noch Black selbst wirklich eingeladen ist. Die konsistenten ersten Solowerke, dann der heilige 2-Spur-Wahn mit den Catholics, schließlich die spleenigen Sessions mit Nashville-Cracks, zu denen Black sich setzte wie der Kuckuck ins falsche Nest – Black macht, was er will, und es ist diesem fraglos amüsanten Eigensinn zuzuschreiben, dass man auf all den Platten immer noch gute Lieder findet. „Ich bin 1965 geboren, dem chinesischen Jahr der Schlange“, setzt Black zur Metapher an, „die Schlange kriecht am Boden, sie sieht immer nur, was direkt vor ihr passiert, nicht wie die anderen, die aufrecht stehen und weit sehen können. Das ist ein Segen, weil die Schlange immer im Hier und Jetzt ist und ausschließlich spontan, intuitiv handelt. Aber die Schlange hält sich auch für sehr, sehr clever – cleverer, als sie eigentlich ist.“ Im Juni erschien eine Compilation dieser spontanen, intuitiven Handlungen {„Frank Black 93-03) und das Aussuchen der Songs hat Black so einiges über sich selbst lernen lassen. „Meine Soloplatten ergeben zusammen eine Art Erzählung-wie ich mich von den Pixies emanzipiere und also Solokünstler wieder finde, wie ich eine neue Band finde und – zusammen mit meiner Ehe -wieder verliere, schließlich – wie ich meine Obsession mit den 2-Spur-Aufnahmen endlich aus mir rauskriege. Ich sehe ganz deutlich einen Bogen, der das alles umspannt.“ Gerade in der Zeit, als die Catholics auseinanderbrachen und Black die besagte Scheidung zu verdauen hatte, lernte man in Gesprächen einen anderen Frank Black kennen. Einen, der offen von seinen Therapiesitzungen erzählte, persönliche Fehler eingestand und eine kontroverse Selbstdarstellung entwickelte, die die Widersprüche nicht auflöst, sondern mit einem Schulterzucken in den Raum stellte. Und dort stehen ließ. „Mir fällt bei diesen Liedern auf, wie sehr es mir darum ging, mir selbst treu zu bleiben. Das ist ja kein richtiges Best-Of-Album – ich bin ja nun nicht gerade für meine Hitplatten bekannt. Aber ich habe das hierja auch nicht angefangen, um Hits zu haben – ich wollte ein Außenseiter sein, Teil des Underground und einer Welt, die der Top-40-Welt gegenübersteht. Ich wollte Künstler sein, nicht jemand, der zu Parties eingeladen wird.“ Auch noch sagen muss man, dass „Bluefinger“ ein Konzeptalbum über Hermann Brood ist. Echt. „Ich habe ihn beim Stöbern auf YouTube entdeckt, ganz zufällig, Anfang des Jahres. Nach und nach habe ich dann mehr über ihn herausgefunden und seine Musik kennengelernt. Das sind einfach sensationelle Geschichten! Die stolze Arroganz des kleinen Mannes, nachdem er den Durchbruch in Amerika nicht geschafft hat? Heroisch. Der Todessprung vom Hilton in Amsterdam? Eine spektakuläre Zugabe. Die Leute denken ja beim Hilton Amsterdam immer an das Bed-in von John und Yoko, aber Brood hat die Geschichte umgeschrieben. Und dann dieses Gesicht, dieser dissonante Ausdruck, diese Verzweiflung, dazu diese Energie – mich hat das alles völlig fasziniert.“

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