Ein bißchen zu zynisch

Pat Thomas hat ein Problem: Er ist nett. Manchmal viel zu nett. Und „verachtet“ sich im Stillen dafür. Wie gern hätte er dieser lange von ihm geförderten Künstlerin, die ihn nach ihrem Aufstieg in die Major-Etage neulich so cool am Telefon abblitzen ließ, einfach mal richtig die Meinung gegeigt! Aber Pat, der Gute, der vor lauter Respekt anderen gegenüber schon mal den Selbstrespekt vergißt, sagte nur: „Na ja, okay“, hängte den Hörer ein – und fraß die Wut in sich hinein. Erstmal.

Doch wäre Pat nicht Pat mit diesem Problem, würde es eine Platte wie „Fresh“ gar nicht geben. Da kann er dann, in Songs wie „Don’t Blame Me“, dem von Freund Chris Cacavas für ihn maßgeschneiderten „I Ain’t Your Mother“ oder der General-Abrechnung „St. Katharine“, eine „Don’t fuck with me!“-Attitüde an den Tag legen, die ihm im Alltag abgeht. Thomas: „Leute, die mich nicht kennen und diese Platte hören, denken bestimmt, ich sei der tough guy mit den Drogen in der Lederjacke.“ Die Vorstellung amüsiert ihn.

„Fresh“, nach Band-Erfahrungen (Absolute Grey) und der stilistisch unausgegorenen Compilation „St. Katharine“ sein erstes „richtiges“ Solo-Album, ist auch Bilanz eines zweijährigen Deutschland-Aufenthalts. „Ausgebrannt“, frustriert von andauernder Medien-Ignoranz, hatte Thomas damals sein Heyday-Label veräußert, um in Bonn bei Normal weiter an den Karrieren von Penelope Houston, Sonya Hunter und den Bedlam Rovers zu basteln. Doch die zeitweilig euphorische Medien-Resonanz, die sich für ihn ohnehin zu sehr auf Houston verengte, schlug sich nicht in entsprechenden Verkaufszahlen nieder. „Die Leute wollen eben rocken“, zuckt er leicht verbittert mit den Schultern.

Dafür hat Thomas in eigener Sache endlich die Kurve gekriegt Und rockt dabei selbst wie nie zuvor. Die neugefundene raw power, so versichert er, sei zwar auch eine Reaktion auf das Image des gütigen Neo-Folk-Daddys, vor allem aber sei „Fresh “ ein persönliches „Back to the roots“-Album. Deshalb „auch diese Siebziger-Fotos von mir auf dem Cover“. Schließlich habe er Led Zeppelin und die Who schon mit 14 Jahren verehrt, während „ich Richard Thompson erst mit 20 entdeckte“.

„Fresh“ zeigt ein Selbstvertrauen, das Thomas lange nicht hatte, als er sich in Vergleichen mit anderen zermürbte. „Zu meiner Heyday-Zeit dachte ich nur: ‚Ach, Deine Musik ist doch nicht so gut wie die von Chris Cacavas und Barbara Manning!‘ Bis mir klar wurde, wie dumm diese Sichtweise ist.“ Nach diesem „persönlichen Triumph“ (Thomas) zog es ihn wieder nach San Francisco, wo bereits rund die Hälfte des „Fresh „-Materials eingespielt wurde. An seinem neuen/alten Domizil jobt Thomas praktischerweise in einem Laden, der CDs und Tapes fertigt, und engagiert sich wieder verstärkt als Produzent. Die eigene US-Karriere findet noch immer nicht statt, obwohl sich Thomas mit dem forschen Rock mehr Chancen ausgerechnet hatte als mit einem Singer/Songwriter-Oeuvre. Kopien des Albums gingen immerhin an rund 100 US-Label. Reaktionen? Keine.

Ein eigenes Label aber wird Pat Thomas nach den schlechten Erfahrungen und finanziellen Einbußen mit Heyday kaum wieder aus der Taufe heben, dafür sei er inzwischen „ein bißchen zu zynisch“ geworden. Fan aber wird er natürlich trotzdem bleiben. Und Songschreiber auch.

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