Ein Blümchen am Bungee-Seil

Der Berliner Jung-Bohemien Jens Friebe überrascht mit einem exquisiten Pop-Album - ganz ohne Ironie!

Endlich, endlich kriegen sie mal wieder eins aufs Mützchen, die Snowboardfahrer, emsigen Wohnungseinrichter und anderen eklig gutgelaunten Aktionisten. „Ich hab jede Menge Ziele/ Ihr habt vielleicht mehr/Aber ich hab auch ganz viele/ Ich verrate sie euch bloß erst hinterher“, singt Jens Friebe auf seinem zweiten Album „In Hypnose“. Das Lied „Jede Menge Ziele“ ist zwar schon Jahre alt, aber topaktuell: „Lange dachte ich, das sind Schlachten, die man nicht mehr kämpfen muß, wenn man als blutleerer Bohemien in Berlin abhängt. Aber im deutschen Pop gibt es gerade wieder so einen komischen Optimismus, so einen Sportler-Spirit – ich denke, das Lied kann man heute wieder singen.“

Worüber man singen kann und vor allem auch mit welchen Mitteln, das sind wichtige Punkte, wenn Friebe über seine Musik spricht, in der Rumpelbeat, Kirmesorgel und wundervolle schlaue Texte einander herzlich umarmen. „Ich bediene mich gerne dieser Muster aus der Trivialkultur. Ich finde es interessant, Codes, die lange als unmöglich galten, zurückzuholen und mal vorurteilsfrei zu schauen, was sie bei mir und anderen bewirken“, sagt Jens Friebe, der als Popjournalist unter anderem für „Intro“ schreibt: Es gebe keine Beats oder Effekte, die per se dumm seien – auch nicht cheesy Handclaps, Europe-Tschingderassa und heiteres Synthiegedingel. Mit Camp, dem ewigen tongue-in-check-Sicherheitsnetz, hat das nichts zu tun. „Dieses Ironie-Konzept war für mich bestenfalls eine Zwischenstufe, eine Brücke, damit man sich bestimmter Codes wieder vorurteilsfrei bedienen kann – für dumme Musik, aber auch für schlaue Musik. Man muß dann eben genau hinhören, was es ist.“

Und auf doppelte Böden achten. „Wir zwei an einem Bungee-Seil/ War das nicht geil?‘, singt Friebe und malt damit auch ein Bild: das Leben, ein Schützenfest. “ ,Das Haus der 1000 Spiegel‘ oder ,Ich schieß auf eine Blume‘ sind triviale Bilder, die man als 1:1-Beschreibung einer schnöden Dorfrealität sehen kann – oder eben als überkandidelten Symbolismus.“

Die Platte ermuntert dazu, auch zu feiern, wenn man fällt – das schöne künstlerische Prinzip, das Scheitern zu bannen, indem man es glorifiziert. Wie im Video zu „Kennedy“, in dem die Prom-Queen auf dem Abschlußball einen Farbkübel über den Kopf bekommt und dennoch Grandezza bewahrt. Zu einer solchen Haltung braucht man Schneid und Souveränität: Friebes Lieder werfen sich nicht jedem Hörer an den Hals. „Man kommt an den Punkt, an dem es einem nicht mehr reicht zu sagen: Oh, coole Gitarrenmusik, interessant, klingt wie der-und-der Sound“, sagt Friebe. „Irgendwann merkt man, man will mehr von der Musik, Wirkung, Ekstase. Und dann erkennt man vielleicht, daß für einen persönlich Blümchen besser funktioniert als die zehnte hypnotische Indierock-Platte.“

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