Ein guter Jahrgang

VOR EIN PAAR WOCHEN hat Steve Turner seinen 13-jährigen Sohn zu einem Konzert von Soundgarden mitgenommen -der Spross spielt seit einer Weile Bass und hat die unlängst reformierte Band für sich entdeckt. Da schließt sich ein Kreis. Denn Turner, Jahrgang 1965, ist der Gitarrist von Mudhoney und somit ein wichtiger Wegbereiter des Grunge. Als Seattle Anfang der Neunziger vorübergehend zum Musikmekka der Welt wurde, waren Mudhoney bereits einige Jahre aktiv und Vorbild für die bald darauf weltberühmten Musiker von Pearl Jam, Soundgarden und Nirvana. „Der Hype war nicht gut oder schlecht, sondern witzig“, findet Turner im Rückblick, „wir standen da und dachten:,Ihr haltet uns für die besten Bands der Welt? Wirklich? Das ist lustig.'“

Turners Skeptizismus ist typisch für die Haltung von Mudhoney, die am Grunge-Hype nur insofern partizipierten, als dass ein Major-Label vorübergehend eine große Sache aus ihnen machen wollte („die langweiligsten Jahre“, sagt Turner zurückblickend). Ansonsten ist die nun ein Vierteljahrhundert alte Karriere von Mudhoney vor allem dadurch gekennzeichnet, dass die Dinge sich nicht großartig verändern.

Deshalb ist die Band aber nicht minder aufregend, wie man in der 2012 erschienenen Dokumentation „I’m Now: The Story of Mudhoney“ toll sehen kann. Dort kommen neben der Band Verehrer von Pearl Jam, Soundgarden und den Sonic Youth zu Wort, doch am schönsten sind die Live-Aufnahmen, denen man deutlich anhört, dass Mudhoney wirklich einen Ton in ihrer Musik haben, der zum Fluchtpunkt vieler Bands aus Seattle wurde.

„Wir wussten damals schon ziemlich genau, wer wir waren“, sagt Turner, „Marc (Arm, Sänger von Mudhoney) und ich hatten seit Anfang der Achtziger zusammen in Bands gespielt. Wir haben kein Drama in unserer Geschichte und keinen großen erzählerischen Bogen – das Einzige, das sich geändert hat, ist unser Alter.“

Tatsächlich hat sich die Band längst im Leben eingerichtet. Drei der vier Musiker haben Familie, alle einen Job. Turner betreibt einen Schallplattenversand, Bassist Guy Maddison arbeitet als Krankenpfleger, Schlagzeuger Dan Peters ist Hausmann und Vater, Marc Arm beim Sub-Pop-Label angestellt, auf dem alle Mudhoney-Platten erschienen sind. Gespielt wird am Wochenende und im Urlaub. „Dan findet, dass das hier die besten Jahre der Band sind“, sagt Turner, „und es stimmt doch: Wir können noch immer die Platten machen, die uns gefallen, ohne uns lächerlich vorzukommen.“

Auf diesen Platten ist seit der Debüt-EP „Superfuzz Bigmuff“(1988) großartiger DIY-Garage-Psychedelic-Punkrock -auch auf dem neuen Werk, „Vanishing Point“, das wie immer aus losen Sessions entstand, die Marc Arm als Ausgangspunkt für die Entwicklung von Gesangsparts und Texten nahm. Turners Prä-Grunge-MC5-Richard-Hell-&-The-Voidoids-Gitarren, gleichzeitig lax und kraftvoll gespielter Fuzz-Rock, dazu Marc Arms beißend zynische Texte -Mudhoney haben sich die Wucht und Inspiration früher Tage erhalten und sie ein weiteres Mal in adäquate Songs und Sounds gegossen.

„Die Leute fragten uns Anfang der Neunziger oft, ob wir nicht auch in die Charts und ganz oben mitmischen wollten“, grinst Turner, „wir sagten dann immer: ,Hör unsere Platten an -dann kennst du die Antwort.'“

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