Ein halbes Jahrhundert Jolie

Angelina Jolie wird 50 Jahre alt. Über eine Frau, die stets mehr war als ihr Bild.

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Es gibt Gesichter, die sich dem kollektiven Gedächtnis einprägen, lange bevor man die Stimme gehört oder den Namen bewusst wahrgenommen hat. Angelina Jolies Gesicht gehört zu diesen – symmetrisch, kühl, fast unwirklich. Ihre Erscheinung wurde früh zum globalen Maßstab für Schönheit erklärt. Mit Wangenknochen so berühmt wie ihre Tattoos, wurde sie vielfach zur „schönsten Frau der Welt“ gewählt – und ebenso oft auf dieses Urteil reduziert.

Heute (04. Juni 2025) wird sie 50. Ein Leben als Hollywood-Ikone, UN-Botschafterin, Tabubrecherin, sechsfache Mutter – und zuletzt: als Frau, die für sich selbst kämpft.

Eine Karriere, die mit Brüchen begann

Geboren am 4. Juni 1975 in Los Angeles als Tochter der Schauspieler Jon Voight und Marcheline Bertrand, beginnt Jolies Leben mit einem Bruch. Die Eltern trennen sich kurz nach ihrer Geburt, der Kontakt zum Vater bleibt jahrzehntelang belastet. Ihre Mutter, die ihre Karriere zugunsten der Familie aufgibt, wird zur prägenden Figur und emotionalen Konstante.

Jolie gilt früh als schwierig, als unangepasst. In der Schule wird sie gemobbt – „Schlauchbootlippe“ nennen sie ihre Mitschüler. Sie beginnt sich selbst zu verletzen, spricht später offen über Depressionen, das Gefühl, fehl am Platz zu sein – und über den zeitweiligen Wunsch, Bestattungsdirektorin zu werden. Für kurze Zeit verlässt sie den Schauspielunterricht und die Beverly Hills High, wechselt auf eine alternative Schule. Doch nach ihrem Abschluss zieht sie in eine eigene Wohnung und kehrt zurück ans Theater.

Sie studiert Schauspiel am Lee Strasberg Theatre Institute, versuchte sich als Model, tritt in Musikvideos auf und übernimmt erste Fernsehrollen. Der Durchbruch kommt 1998 mit „George Wallace“. Für ihre Rolle in der Filmbiografie über den Gouverneur von Alabama wird Jolie mit dem Golden Globe als beste Nebendarstellerin in einem Fernsehfilm ausgezeichnet und erhält ebenfalls eine Emmy-Nominierung. Ein Jahr später folgt der Oscar: Für ihre Nebenrolle in „Girl, Interrupted“ (1999) als manipulative Psychiatriepatientin an der Seite von Winona Ryder.

Der Aufstieg zur Ikone

Was folgt, ist ein Ausflug in den Kommerz. „Lara Croft: Tomb Raider“ zeigt Jolie 2001 in Kampfboots, mit Pistolenholster, zwischen Ruinen, Mythen und CGI – ein Blockbuster, der ihr Image als Actionheldin zementiert. Danach Filme wie „Mr. & Mrs. Smith“ (2005), „Wanted“ (2008) und „Salt“ (2010). Jolie wird zur weltweiten Marke – und entzieht sich zugleich früh der Logik des Systems.

Statt Imagepflege betreibt sie Grenzüberschreitung: küsst ihren Bruder auf dem roten Teppich, trägt das Blut ihres zweiten Ehemannes Billy Bob Thornton in einer Phiole um den Hals, spricht offen über Selbstverletzung, Drogen, Therapien.

Doch das medial wirksamste Kapitel beginnt 2005: die Beziehung mit Brad Pitt. Am Set von „Mr. & Mrs. Smith“ beginnt ihre Liaison. Jolie sticht Jennifer Aniston aus – und wird zur zweiten Hälfte der Marke Brangelina. Gemeinsam adoptieren sie drei Kinder, bekommen drei eigene. Die beiden werden zum Glamourpaar einer ganzen Generation.

Doch auch diese Verbindung zerbricht. 2016 folgt die Trennung, begleitet von öffentlichem Streit, Anschuldigungen, Sorgerechtsprozessen. Erst 2024 wird die Scheidung rechtskräftig. Ein juristischer Marathon.

Engagement und Selbstermächtigung

Neben der öffentlichen Beziehung zu Pitt beginnt Jolie früh, ihren Ruhm für andere zu nutzen. 2001 engagiert sie sich erstmals für das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR). Jolie reist nach Kambodscha, Sierra Leone, Pakistan, später nach Syrien. 2012 wird sie UN-Sondergesandte, schreibt Bücher, hält Reden in Westminster, trifft Ministerpräsidenten.

2007 stirbt ihre Mutter Marcheline Bertrand an Eierstockkrebs – ein Verlust, der Jolie tief erschüttert. Sechs Jahre später lässt sie sich präventiv beide Brüste entfernen. Ein Gentest hatte ergeben, dass sie Trägerin der BRCA1-Mutation ist – mit einem stark erhöhten Risiko für Brust- und Eierstockkrebs.

Jolie geht mit der Entscheidung an die Öffentlichkeit, schreibt darüber in der „New York Times.“ Es ist ein medizinischer Eingriff – und ein kultureller Einschnitt. Ihre Offenheit verändert die weltweite Debatte über genetische Risiken, Vorsorge und weibliche Selbstbestimmung. Und sie verändert, erneut, das Bild, das die Welt sich von ihr gemacht hat.

Ein Name, der Programm ist

In den vergangenen Jahren tritt sie seltener vor die Kamera. Sie führt Regie („Unbroken“, „First They Killed My Father“), schreibt, zieht sich zurück. 2024 verkörpert sie in „Maria“ die Opernlegende Maria Callas – eine konzentrierte Rückkehr, für die sie monatelang Gesangsunterricht nahm.

Tatsächlich steht Angelina Jolie heute jedoch weniger für bestimmte Filme als für das, was sie verkörpert. Vielleicht ist genau das ihr Geheimnis: Jolie war nie nur Schauspielerin. Weniger Star und mehr ein Symbol. Schönheit war ihr Kapital – jedoch nie ihre Grenze. Und sie hat es der Welt auch nie erlaubt, sie auf diese zu reduzieren. Ihre wahrscheinlich wichtigste Rolle ist bis heute, ihre eigene.

Harry Langdon Archive Photos