„Ein moderner Gitarrenheld“: Leben und Tod von Alexi Laiho

Alexi Laihos Leben und Tod: Die Geschichte des einflussreichen Children-of-Bodom-Frontmanns.

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"Alexi Laiho war einer der bekanntesten und einflussreichsten Metal-Gitarristen der jüngeren Vergangenheit. Mit Children of Bodom prägte er das Genre Melodic Death Metal maßgeblich. Laiho war bekannt für seinen charakteristischen und virtuosen Gitarrenstil – technisch raffiniert und zugleich aggressiv. Testament-Gitarrist Alex Skolnick würdigte ihn einst so: „Er eröffnete dem Extreme Metal neue Möglichkeiten mit technisch anspruchsvollen Soli, die sich neben den besten der populäreren Metal-Genres behaupten konnten.“ Bis zu seinem viel zu frühen Tod im Jahr 2020 galt Laiho als einer der beliebtesten und respektiertesten Gitarristen der Szene.

Alexi Laiho: Seine Kindheit

Alexi Laiho wurde am 8. April 1979 in Espoo, Finnland, geboren. Seine Eltern, Päivi und Olli Laiho, arbeiteten als Krankenschwester und Gewerkschaftsvertreter. Die Familie war musikalisch interessiert – jeder spielte ein Instrument, der Vater Orgel, die Mutter Flöte, die Schwester Klavier –, und sie unterstützten Alexi früh in seinen musikalischen Interessen. „Meine Eltern singen heute noch in Chören in ganz Finnland“, erzählte er Metal Hammer UK. Schon als Kind sei er fasziniert gewesen von allem, was laut, rebellisch und gefährlich wirkte. „Meine ältere Schwester hat mich darauf gebracht. Als ich sieben Jahre alt war, hat sie mir ihre Kassetten von Guns N’Roses, Twisted Sister, Mötley Crüe und Skid Row vorgespielt. Alles daran war so verdammt attraktiv: wie sie spielten, der Sound der Gitarren, wie die Jungs aussahen. Sie waren gefährlich. Ich war total fasziniert davon. Und das bin ich immer noch.“

Einflüsse und erste Bands

Schon früh war Laiho beeindruckt von virtuosen Gitarristen wie Yngwie Malmsteen oder Steve Vai, aber auch von klassischen Komponisten wie Johann Sebastian Bach. In Interviews betonte er regelmäßig, dass ihn negative Emotionen kreativ am meisten antreiben: „Ich habe definitiv diese dunkle Seite in mir. Ich versuche, die in der Musik zu kanalisieren, statt Scheiße zu bauen.“ Das Komponieren bezeichnete er als seine Therapie – nicht im metaphorischen, sondern im wörtlichen Sinn: „Das klingt vielleicht wie eine Plattitüde, aber in meinem Fall ist es verdammt noch mal wahr.“

In der Jugend gründete Alexi mit Schulfreund Jaska Raatikainen die Band Inearthed, die sich stilistisch zwischen Thrash, Death und Power Metal bewegte. Schnell übernahm Laiho die kreative Kontrolle – Gitarren, Gesang, Songwriting. Der spätere Spitzname „Wild Child“, der ihm ursprünglich in Teenagertagen verpasst wurde, schien hier bereits Programm. „Es ist irgendwie peinlich, das mit 30 noch zu sagen – aber tief drin werde ich immer ein Wild Child bleiben.“

Gründung von Children of Bodom

1997 wurde aus Inearthed Children of Bodom – benannt nach einem ungelösten Mordfall. Die Besetzung mit Laiho, Raatikainen, Kuoppala, Seppälä und Wirman blieb viele Jahre stabil. Schon das Debütalbum „Something Wild“ sorgte für Aufmerksamkeit, doch erst mit Hatebreeder und Follow the Reaper wurde die Band international wahrgenommen. Laiho erinnerte sich später: „Der Moment, in dem ich wusste, dass wir es geschafft hatten, war, als ich meinen Job kündigen konnte – vorher hab ich auf dem Bau gearbeitet und sogar mal Telefonmarketing gemacht. Ich musste Leuten samstags um zehn Uhr früh Wörterbücher andrehen. Das war die Hölle.“

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Alexi Laiho: Erfolge & Konflikte

Der internationale Durchbruch kam mit „Hate Crew “ (2003), das auch in den USA einschlug. Es folgten Touren mit Slayer, Megadeth und Lamb of God – eine Zeit, in der Laiho selbst sich noch in der Rolle des Außenseiters sah. „Wenn du vor Slayer spielst, weißt du, wer die großen Jungs sind. Aber irgendwann sagst du dir einfach: Scheiß drauf, wir machen unser Ding – und genau das hab ich geliebt.“ Gleichzeitig wurde Laiho von Szenegrößen wie Kirk Hammett oder Kerry King gelobt. „Das ist schmeichelhaft, aber ich darf mich nicht zu sehr damit beschäftigen – das bringt dich nur durcheinander.  Ich mach das nicht für Komplimente. Ich mach das für die Musik. Ende der verdammten Geschichte.“

Trotz des Erfolgs gab es Spannungen. Roope Latvala verließ 2015 die Band nur Tage vor der Studioaufnahme – ein Rückschlag, den Laiho sportlich nahm: „Ich musste halt doppelt Gitarre einspielen. Aber dafür klingt das Album tighter als je zuvor.“ Die Entscheidung, das Album „I Worship Chaos“ düsterer und tiefer gestimmt aufzunehmen, kam laut Laiho aus dem Impuls, „nicht bequem zu werden – ich will mich nicht wiederholen.“ Auch psychisch war er nicht immer stabil. Ende der 90er versuchte er sich das Leben zu nehmen. „Ich war echt fertig damals. Außerdem hab ich es niemandem geglaubt, musste selbst draufkommen, dass ich da rauswill. Ich hab Therapie gemacht, wurde eingewiesen – aber erst, als ich selbst wollte, hat sich was verändert.“

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Nebenprojekte

Trotz des vollen COB-Zeitplans fand Alexi Zeit für zahlreiche Nebenprojekte – oft als kreatives Ventil abseits des Melodic Death Metal. „Ich habe eine 80er-Coverband, mit der wir sogar Aufnahmen gemacht haben. Ich hab meine Gitarrenspuren gerade erst fertiggestellt“, erzählte er 2015. Auch Kylähullut, eine Punkband mit finnischen Musikerkollegen, war für ihn ein willkommener Ausgleich: „Das war nie ernst gemeint. Ich konnte entweder auf der PlayStation rumhängen oder mit meinen besten Freunden Punkrock machen und mich betrinken – die Entscheidung war leicht.“

Ein besonderes Herzensprojekt war 100 Guitars from Hel, bei dem Laiho 2015 gemeinsam mit hundert Gitarrist:innen auf dem Senate Square in Helsinki auftrat. „Das war stressig, aber es hat sich gelohnt. Als wir auf der Bühne standen, war das einfach nur überwältigend.“ Zuletzt hatte Laiho mit Bodom After Midnight ein neues Kapitel begonnen – das Debütkonzert fand im Oktober 2020 in Seinäjoki statt, ein Musikvideo wurde posthum veröffentlicht. Es sollte ein Neuanfang sein. Stattdessen wurde es sein Epilog.

Alexi Laiho: Tod

In den letzten Jahren machten sich gesundheitliche Probleme bemerkbar. Alkohol hatte über die Jahre seinen Tribut gefordert. In einem Interview mit Metal Hammer Deutschland sagte er: „Früher war’s verrückt auf Tour. Heute ist es einfach nur brutal. Der Kater nimmt dir den Spaß an allem. Und wenn ich keinen Spaß mehr auf der Bühne habe, ist es Zeit, was zu ändern.“ Und weiter: „Ich hab fast ganz aufgehört zu trinken, wenn wir unterwegs sind. Das ist mein Job. Mein Leben. Ich kann mir nicht erlauben, dass Alkohol oder irgendwas dazwischenkommt.“

Alexi Laiho starb am 29. Dezember 2020 in seinem Haus in Helsinki – offiziell an Komplikationen durch Leber- und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen. Er wurde 41 Jahre alt. Zum Zeitpunkt seines Todes war er mit der australischen Sängerin Kelli Wright-Laiho verheiratet. Die Anteilnahme war gewaltig. Musiker wie Dave Mustaine, Floor Jansen, Matt Heafy oder Marty Friedman erinnerten sich öffentlich an einen charismatischen Kollegen, der für viele eine Identifikationsfigur war. Laiho selbst hatte diese Rolle nie gesucht: „Ich brauch keine Preise. Ich brauch keine Titel. Ich brauch Chaos, Musik und meine Gitarre. Mehr nicht.“

Reaktionen auf seinen Tod

Die Nachricht von Alexi Laihos Tod am 29. Dezember 2020 löste weltweit Bestürzung aus. Innerhalb weniger Stunden teilten Musiker:innen aus allen Ecken der Metal-Welt ihre Trauer. „Alexi ist ein moderner Gitarrenheld. Er verdient jedes Lob, das er heute bekommt“, schrieb Trivium-Bassist Paolo Gregoletto. Brian Fair (Shadows Fall) erinnerte sich an gemeinsame Tourerlebnisse: „Er war eine unglaubliche Seele. Wir hatten so viel Spaß mit ihm. Ich bin wirklich am Boden zerstört.“ Auch Toto-Gitarrist Steve Lukather meldete sich mit schlichten Worten: „Sehr traurig… Ich war ein Fan.“

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Auf Instagram kondolierten u. a. Mille Petrozza (Kreator), David Ellefson (Megadeth), Kiko Loureiro (Megadeth), Gary Holt (Exodus, Slayer), Shagrath (Dimmu Borgir), Johan Hegg (Amon Amarth) und Musiker:innen von Sonata Arctica, Amorphis, Queensrÿche und Annihilator. Elize Ryd (Amaranthe) postete ein gemeinsames Foto mit schwarzem Herzen. Metal Blade Records und Century Media würdigten ihn mit Bildern und Zitaten aus seiner Karriere. Viele nannten ihn schlicht „einen der Größten“.

Auch seine ehemaligen Bandkollegen von Children of Bodom, Jaska Raatikainen, Henkka Seppälä und Janne Wirman, veröffentlichten ein Statement: „Mehr als 25 Jahre Freundschaft. Wir haben einen Bruder verloren. Die Welt hat einen phänomenalen Songwriter und einen der größten Gitarristen aller Zeiten verloren. Erinnerungen und Alexis Musik werden für immer weiterleben.“

Frank Hoensch Redferns
Mariano Regidor Redferns