Eine Bilderbuchkarriere

Die Isländer Leaves mussten ihre Demos leise aufnehmen, damit die Eltern nicht aufwachen. Heute könnten sie lauter auftrumpfen, bleiben aber lieber bescheiden

Live-Gigs sind noch immer wie eine Schule für uns. Wir werden von Mal zu Mal besser“, sagt Arnar Gudjonsson, Kopf der isländischen Leaves, während Arnar Olaffson, seines Zeichens Bandgitarrist, daneben sitzt und zustimmend nickt. So jung wie die beiden 24-jährigen Senkrechtstarter wirken, ist man einen Augenblick lang versucht, sie tatsächlich noch für ABC-Schützen zu halten. Eine kurze Hörprobe aus dem Debüt „Breathe“ genügt allerdings, um zu erkennen, dass die zwei Arnars samt Bandkollegen durchaus wissen, wo Bartel den Most, respektive der Eisbär sein Fischchen holt.

Für noch mehr Beachtung dürfte die Gründungsgeschichte der bereits hoch gelobten und dabei nicht einmal ein Jahr alten Combo sorgen. Des Nächtens saß Musikstudent Arnar Gudjonsson alleine am Computer und nahm die Demos der späteren Leaves-Songs auf. Der Legende nach sang er die Vocals ganz leise ein – um die nebenan schlafenden Eltern nicht zu wecken.

Die Demos stießen auf verstärkte Resonanz seitens der Plattenindustrie, und dann ging wieder einmal alles ganz schnell. Arnar trommelte drei ebenfalls musizierende Freunde, die er bereits seit Kindertagen kannte, zusammen, um die Leaves zu formieren. Im Studio musste man nur noch die bereits fertig arrangierten Songs einzuspielen – und sich dann bei zahlreichen internationalen Auftritten zu einem echten Team zusammenraufen.

Ein Durchmarsch wie im Bilderbuch, der allerdings auch seine Opfer forderte, zum Beispiel die bisherigen Bands der Neu-Leaves, die nun jeweils Knall auf Fall um ein Mitglied ärmer waren. Zum größten Eklat kam es beim Bandgründer selbst, der eigentlich Verpflichtungen als Gitarrist hatte: „Ich spielte in einer Art 80-Jahre-Rockband, aber im Grunde mochte ich die Musik nicht. Wir waren gerade dabei, zusammen ein Album aufzunehmen. Als ich dann ausstieg, waren die anderen richtig sauer, und es gab sogar eine kleine Prügelei mit dem Bassisten. Ich glaube, die sind immer noch angepisst“, sagt der betroffene Arnar mit scheinbarem Bedauern – und einem recht verschmitzten Grinsen.

Die Sache war den Stress schließlich wert. Mögen die Songs der Leaves den Vergleich mit bekannten Popgrößen, nicht zuletzt The Verve, auch geradezu herausfordern, so beweisen die oft melancholischen Kompositionen von Arnar Gudjonsson doch eine hausgemachte Tiefe, die aufhorchen lässt. Natürlich auch die nie um Superlativen verlegene britischen Presse, die schon jetzt „Megastars in der Warteschleife“ ausmacht und mit Superlativen wieder einmal um sich wirft. Dass auf diese Weise nicht nur Überflieger, sondern auch schnell verglühende Hypes entstehen, ist natürlich auch den beiden Arnars bewusst, die sind ja keine Dummen. „‚Megastars‘, das ist schon lustig, aber wir stehen mit beiden Beinen

auf den Boden“, kommentiert der Sänger dererlei Lob verlegen. Man nimmt es ihm ab.

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