Elvis Costello – „Punch The Clock“

Auf besonderen Wunsch von Lord And Lady Muck. Es gibt Songs, für die man kein Englisch oder überhaupt eine Sprache beherrschen muss. Okay, das redet man sich später ein, falls man noch ein Kind war und von den Schlagern jener prägenden Jahre nicht loskommt.

Aber ich weiß ganz genau, dass ich eben 13 geworden war und wissen wollte, was „hands in your sweater“ bedeutet, vor allem mit der viel merkwürdigeren Behauptung „Everyday I Write The Book“. Das Stück mit diesem Titel war Elvis Costellos Beitrag zum, na ja, Funk, fast ein Hit damals und vor allem der zweite Song auf „Punch The Clock“. Das Album war, ich will jetzt ganz ehrlich sein: das zweite, das ich selbst bezahlte und aus dem HiFi-Geschäft „Marquardt“ in der Fußgängerzone trug. Die Besprechung im „ME/Sounds“ hatte damit zu tun, denn ich kannte Costello gar nicht. So etwas ging 1983 noch.

Das Cover sah aber auch verdammt elegant aus: nach alter Zeit, Intelligenz und STIL. Und es enttäuschte nicht! Später nörgelte Elvis in nachgeschobenen Liner Notes selbst über die Produktion von Clive Langer unbd Alan Winstanley, die nicht nur bei „The Rise And Fall“ von Madness Großartiges leisteten und im nächsten Frühjahr, bei „Keep Moving“, schon wieder. Seitdem gilt, mit Ausnahme von „Almost Blue“, jede frühere Costello-Platte als besser. „Almost Blue“ wird bald folgen.

„Punch The Clock“ aber ist Pop, wie Pop nie mehr sein wird und nur für sehr kurze Zeit, bei Dexy’s Midnight Runners, Squeeze, Madness, ABC und vielleicht Haircut 100, mal war. Natürlich reden wir von „Shipbuilding“, der größten Costello-Ballade überhaupt samt Chet Bakers anrührendem Trompeten-Solo, und von „Pills And Soap“, der düster schwelenden Polit-Groteske zur Thatcher-Wahl. Wir reden aber auch von den Bläser-Attacken und Chören („Afrodiziak“!) bei „Let Them All Talk“, „The Greatest Thing“, „TKO (Boxing Day)“ und „The World And His Wife“. Dem Bass und dem Piano bei „Charm School“, einer weiteren Übung in schwülem, verdruckstem Sex, die von Costellos gequetschter, zurück genommener Stimme noch geheimnisvoller genmacht wird. Dem Überschwang und den berauschenden Melodien von „The Invisible Man“!

Costellos schlaue Anmerkungen zu den späteren „Extended Editions“, zu den Einflüssen, Rudimenten, Resten, Arrangements, Texten und Kompositionen empfinde ich noch immer als störend. Vermutlich, ohne es zu wollen, würdigt Costello dabei die Ratschläge von Clive Langer, der immerhin an „Shipbuilding“ mitschrieb und dem wohl der Schwung und Humor, ja: der Pop von „Punch The Clock“ zu danken sind. Dies war der eine Moment, indem Elvis Costello cool und komisch, sexy und jung klang. Vor, jawohl, bald genau 20 Jahren.

Die Texte sind es noch heute nicht. Zeilen wie „There are ashtrays of emotion for the fag ends of aristocracy“ und so versteht ohnehin niemand. War damals perfekt: Diese Popmusik konnten uns die Erwachsenen nicht stehlen. Heute ist die Schulbildung nicht mehr ausreichend.

Nächste Folge: Weshalb niemand „Goodbye Cruel World“ mag, ich die Platte aber liebe.

Demon, 1983

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