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Eric Pfeils Pop-TagebuchKolumne

Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Das Elend der Schlaflosigkeit

Über das Problem von Schlafmangel und -unfähigkeit in der Popmusik.

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Folge 281

Zu den verbreitetsten Kümmernissen in meinem Freundeskreis zählt der Schlafmangel. Wohin man auch schaut: Allenthalben starrt man in weit offen klaffende Gähnmäuler, die Tränensäcke hängen bis zu den Knien, und der Hormonhaushalt tanzt Klammerblues.

Auch Ihr ergebener Chronist selbst wälzt sich zuletzt oft ergebnislos im Bett herum. Ich habe alles versucht: chemische und natürliche Medikamente, weiche Drogen, harte Matratzen – ja sogar esoterische Plätscher-Playlists und extrem fadisierende Podcasts.

Lässt sich am Ende Hilfe in der Popmusik finden?

Der bekannteste Popsong über Schlaflosigkeit ist mutmaßlich „Insomnia“ von Faithless, wenngleich der titelgebende Missstand in diesem Fall dem sorglosen Gebrauch von Diskothekenpuder geschuldet ist: „At least a couple of weeks since I last slept, kept takin’ sleepers, but now I keep myself pepped“, informiert uns der Rapper Maxi Jazz. In den 90er-Jahren schlief man wohl noch aus anderen Gründen schlecht. Vor dem Video zu „Insomnia“ läuft auf YouTube ein Werbeclip für ein Kissen, das bei Schlafapnoe helfen soll.

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In „No Sleep Till Brooklyn“ von den Beastie Boys ist der Grund für die Fragilität der Bettruhe ebenfalls in einem hedonistischen Lebenswandel – konkret: dem unsteten Alltag auf Tournee befindlicher Populärmusiker – zu suchen. Ein Lied, das als Einschlafhilfe denkbar ungeeignet ist.

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Im Beatles-Song „I’m Only Sleeping“ besang John Lennon 1966 noch seine Fähigkeit, jederzeit überall einschlafen zu können. Ich habe mal in einer Band gespielt, deren Schlagzeuger ebenfalls mit dieser Gabe gesegnet war: Bis kurz vor Auftrittsbeginn konnte er im Backstageraum liegen wie ein aufgebahrter Diktator, obwohl um ihn herum ausgelassene Polonäsen stattfanden.

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Bereits 1968 war es dann auch bei Lennon mit der Tiefenentspanntheit vorbei: In „I’m So Tired“, das er in einem indischen Retreat für Transzendentale Meditation dichtete, erleben wir einen Mann, der nächtens die Wände hochgehen könnte: „I’m so tired, my mind is on the blink.“ Der Grund für Lennons Aufgekratztheit war wohl nicht zuletzt die Abwesenheit Yoko Onos. Wir lernen: Transzendentale Meditation ist auch keine Lösung, Yoko Ono womöglich schon.

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1990 erschien „I Can’t Sleep“ der kurzlebigen Band The La’s, ein Spitzensong, der unserem Thema lyrisch jedoch nichts Neues abzuringen weiß. „I’m so mad – I can’t sleep tonight“, singt La’s-Kopf Lee Mavers. Vielleicht liegt die mangelnde textliche Tiefe ja auch darin begründet, dass Songs über Schlaflosigkeit in den meisten Fällen von Schlaflosen geschrieben werden.

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Diesen Eindruck nährt auch „Insomnia“ von der Band Megadeath aus dem Jahr 1999: „Insomni-omni-omni-omni-omnia – my swollen bloodshot eyes.“ Noch ein Lied, das als Sedierungsmittel selbst nur bedingt geeignet ist.

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Ein Stück, das ein bewährtes Hilfsmittel zum Thema hat, ist „I Need Some Sleep“ von Mark Everetts Band Eels: „I need some sleep/ You can’t go on like this/ I tried counting sheep/ But there’s one I always miss.“

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Im Song „Sleepless“ von King Crimson heißt es: „I fall into the sleepless sea/ With a swell of panic and pain/ My veins are aching for the distant reef/ In the crush of emotional waves.“

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Das beste Lied zum Thema schrieb PeterLicht, der das Leiden in „Schlaflos“ als fast kosmische Erfahrung umdeutet. So klingt Trost.

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Auffällig: Songs über Schlaflosigkeit haben meist sehr langweilige Titel. Vielleicht besteht ja hierin die Lösung: Wenn beim nächsten Mal das Sandmännchen auf sich warten lässt, werde ich einfach die Titel von Schlaflosigkeits-Liedern vor mich hin murmeln:

„„Insomnia“.
„Sleepless“.
„I’m So Tired“.
Noch mal „Insomnia“.
„I Can’t Sleep“.
„I Need Some – tzzzzzzzzzzzzzzz …“