Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Wiedergehörte 80er-Indie-Platten for young lovers

Am Freitag veröffentlicht der beliebte Liedermacher Bob Dylan eine neue Platte. Nur: Was soll man bis dahin auflegen? Es gibt ja so wenig. Doch Ihr verlässlicher Chronist weiß Rat: Lange nicht mehr gehörte Indie-Platten aus den sogenannten 80er Jahren sind weiterhin das Ding der Saison! Unter der Rheumadecke brennt noch Licht. Auf geht’s ...

Folge 211

Jeremy Gluck with Nikki Sudden & Rowland S. Howard – I Knew Buffalo Bill (1987)

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Sechs Jahre nach dem Ende seiner kurzlebigen Surf-Punk-Band The Barracudas konnte der kanadische Nichtsänger Jeremy Gluck für sein erstes Solo-Album eine illustre Unterstützerschar zusammentrommeln: Mit Nikki Sudden, dessen Bruder Epic Soundtracks, Rowland S. Howard und Jeffrey Lee Pierce wusste Gluck  die führenden Köpfe einer ultracoolen Indie-Clique hinter sich, die aufs Schönste im Niemandsland zwischen Noise-Blues, romantischem Rock’n’Roll und Post-Punk herumwilderte. Das „Wild Horses“-Gedächtnisgeschrammel Nikki Suddens trifft hier wiederholt auf Rowland S. Howards und Jeffrey Lee Pierce’ Noise-Blues-Exzesse – stets mit Gewinn, wie wir Jugendlichen sagen.

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Vor allem Sudden hat als häufiger Co-Songwriter dieser traditionsprallen Rumpelnummern einen hohen Anteil am Gelingen der Platte. Im Zentrum steht dennoch Jeremy Gluck als schiefsingender Troubadour, der vom entbehrungsreichen Marsch durch die Sümpfe des Daseins berichtet. Aufgenommen wurde das Album drolligerweise in Dave Peggs Woodworm Studios im südenglischen Barford St. Michael, die in Ausgabe 176 des Pop-Tagebuchs eine nicht unbedeutende Rolle spielten. Eine tolle Platte – das Bindeglied zwischen der Sudden/Howard-Zusammenarbeit „Kiss You, Kidnapped Charabanc“ und dem ebenfalls 1987 erschienenen Debütalbum von These Immortal Souls. Ich vergebe acht Beutel Büffelmozzarella!

The Weather Prophets – Diesel River (1986)

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Ähnlich wie Nikki Sudden zählt auch sein Landsmann Peter Astor zu jenen englischen Indie-Musikern, die in den 80ern eine ausgeprägte Vorliebe für musikalische Amerikanismen pflegten. Die Devise: Nichts gegen Schuhspitzenbetrachtungen vor rostigen Friedhofstoren in Suffolk – aber Coverversionen von Chuck Berry und Robert Johnson lassen irgendwie noch mehr Korken aus dem Käse fliegen! Den Auftakt dieser nur in Deutschland erschienenen Debüt-EP macht jedoch „Almost Prayed“ – einer der drei besten schrammelpoppigen Velvet-Underground-Ehrerbietungssongs, die in den 80ern veröffentlicht wurden. Alleine für diesen Song lohnt die mehrfache Anschaffung von „Diesel River“. Der Rest gemahnt an eine verzärtelte Kunststudenten-Vorstellung von Blues und ist ebenfalls ganz toll. Das erste reguläre Album „Mayflower“ produzierte im Folgejahr dann der Patti-Smith-Gewährsmann Lenny Kaye – allerdings ist dem träge fließenden „Diesel River“ deutlich der Vorzug zu geben. Schon 1988, nach dem dritten Album, löste sich die Band wieder auf. Sänger Peter Astor veröffentlicht heute solo beim deutschen Label Tapete. Für „Diesel River“ gibt es acht Downbound Trains!

Always August – Largeness With (W)Holes (1987)

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Das aus Richmond, Virginia stammende Quartett Always August zählt zu den eher selten gepriesenen Bands, die in den 80ern bei SST veröffentlichten. Um es klar zu sagen: Hier hat man es mit Hippies zu tun! Soll heißen: Die Band um Sänger und Gitarrist John Kiefer war definitiv nicht an hektischen Post-Punk-Ausdeutungen interessiert, stattdessen bewarb man sich gleich mit dem ersten Album „Pyramid“ um die Grateful-Dead-Nachfolge. Das vorliegende zweite Werk, im Folgejahr veröffentlicht, knüpft hier nahtlos an: Es gniedelt, es klöppelt, es groovt angenehm ziellos vor sich hin. Always August lassen ordentlich die Freak-Fahne flattern.

Zusätzlichen Reiz erfährt das improvisierte Treiben auf dieser Platte durch den Einsatz von diversen Bläsern und einer Violine. Zu dieser Musik muss zwingend daheim im gebatikten Kaftan getanzt werden. Aber bitte nur daheim! Wobei …

Zwischendurch, beim rappeligen „Alien Nation“, hat die verschlurfte Kommune dann auch mal ihre aufgekratzten fünf Minuten und klingt beinahe wie die Kollegen von den Meat Puppets. Gitarrist John Kiefers Gesangsbeiträge sind eher Beiwerk, allzu große Virtuosität kann man ihm als Vokalist gottlob nicht vorwerfen. Tolles Daddel-Rock-Album; ich vergebe acht Batik-Kaftans!

The Clean – Compilation (1986)

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Zum Schluss eine der besten Compilations aller Zeiten! Diese Zusammenstellung diverser EPs und Singles der neuseeländischen Rumpelpopper enthält die 12 besten Welthits, die The Velvet Underground, The Modern Lovers und die frühen Cure nie gemeinsam geschrieben haben. Die Naivität ist der große Trumpf dieses Trios, das es im Zuge des Neuseeland-Booms Ende der 80er Jahre als eines der Flaggschiffe des Dunedin-Sounds zu einiger Popularität brachte: Simple Melodien, 2-Ton-Gesang, wavige Achtel-Bässe und sonores Schlagzeug-Klopfen prägen das Geschehen. Oft wähnt man sich im Proberaum einer Schülerband, die eben erst die nötigsten Handgriffe auf ihren Instrumenten erlernt hat, aber über ein untrügliches, gottgegebenes Gespür für den dahingeschnasselten Pophit verfügt. The Clean gelingt es hier bisweilen, Kollegen wie die TV Personalities wie schlaghosentragende Prog-Rocker klingen zu lassen. Muss man erst mal schaffen. Album des Jahres 1986 – ich vergebe zehn Able Tasmans!

So, jetzt gilt es aber, die feine Ehrerbietungskleidung für Freitag rauszusuchen. Wir hören uns …

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